Süddeutsche Zeitung

Pläne zur Steuerreform:Die schwarz-gelbe Illusion

Eine Steuerreform vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen soll Union und FDP retten. Sich davon ein Wahlkampfwunder zu erwarten ist aber so realitätsfern wie das Vorhaben selbst.

Heribert Prantl

Das Weiterleben nach dem Tod gehört zu den großen Geheimnissen der Religionen. Das Weiterleben vor dem Tod ist die besondere Spezialität der schwarz-gelben Koalition in Berlin. Fast seit Anbeginn demonstriert diese Koalition dem staunenden Publikum, dass es kaum etwas gibt, was sie zusammenhält. Bei der Landtagswahl am 9. Mai im gleichfalls schwarz-gelb regierten Bundesland Nordrhein-Westfalen könnte sie die Quittung dafür erhalten. Diese Landtagswahl könnte zum Menetekel werden für die christliberale Koalition im Bund.

Der Koalitionsvertrag - eine schriftliche Lüge

Tristesse ist kein Bindemittel für Merkels Regierungsbündnis; und die Freudlosigkeit, welche die Kanzlerin jüngst bei der Generaldebatte im Bundestag ausgestrahlt hat, ist kein Mittel, diese Tristesse zu überwinden. Die FDP verweist auf den Koalitionsvertrag als ein Dokument der Gemeinsamkeit. Aber noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik war ein Koalitionsvertrag so realitätsfern und so wenig realitätstauglich wie dieser.

Es handelt sich, zumal in den finanz- und steuerpolitischen Teilen, um eine schriftliche Lüge. Die Wähler wissen ganz gut, dass sich das Land angesichts der höchsten Verschuldung, die es je gab, Steuersenkereien nicht leisten kann. Die Chancen, dass aus einer nun eilig zusammengebastelten vorgezogenen Steuerreform ein schwarz-gelber Schlager für den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen wird, stehen daher schlecht.

Eilige Steuerreform ist untaugliches Mittel

Eine vorgezogene Steuerreform soll den Negativtrend für Union und FDP stoppen. Sie soll von den laufenden Malaisen der Düsseldorfer Landesregierung ablenken. Sie soll den dortigen Ministerpräsidenten Rüttgers aus der Defensive bringen. Sie soll die Handlungsfähigkeit der Berliner Koalition demonstrieren. Sie soll die bequeme Mehrheit für Schwarz-Gelb im Bundesrat erhalten. Und sie soll verhindern, dass Jürgen Rüttgers am 9. Mai zum Postboten des Schicksals der Bundesregierung wird - zum Überbringer der Botschaft also, dass sich Schwarz-Gelb überlebt hat.

Indes: Eine eilige Steuerreform ist dafür ein untaugliches Mittel. Sie ist, auch in einer abgespeckten Form, ein viel zu komplexes Unterfangen, um damit auf die Schnelle eine für die Koalition höchst abträgliche Stimmung umzudrehen. Man schafft mit so einer Steuerreform keine Emotionen, sondern macht sich selber Illusionen: Sich von einer eiligen Steuerreform ein Wahlkampfwunder zu erwarten ist so realitätsfern wie der Koalitionsvertrag.

In Düsseldorf geht wohl die Zeit der CDU/FDP-Koalition zu Ende. Für Rot-Grün wird es nicht reichen, zu Rot-Rot-Grün kann und wird es aus verschiedensten Gründen nicht kommen; ebenso wenig zu einem sonstigen Dreierbündnis. Gegen eine große Koalition von CDU und SPD sprechen die Animositäten zwischen den Spitzenkandidaten. Bleibt Schwarz-Grün. Ein solches Bündnis in Düsseldorf wird die politische Stimmung in der schwarz-gelben Regierung Merkel nicht heben. Aber das Weiterleben vor dem Tod ist ja deren Spezialität.

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SZ vom 19.03.2010/dmo
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