Süddeutsche Zeitung

Pläne für europäische Drohne:Kämpfen inklusive

  • Deutschland, Frankreich und Italien haben eine Absichtserklärung für die Entwicklung einer eigenen Drohne unterzeichnet.
  • Das Fluggerät soll nicht nur aufklären, sondern auch Waffen tragen können.
  • Mit der Drohne wollen die Europäer ihre Abhängigkeit etwa von den USA verringern.
  • Kritiker befürchten, dass mit solchen "Killerdrohnen" die Tür aufgestoßen wird für gezielte Tötungen.

Von Markus C. Schulte von Drach

Deutschland, Frankreich und Italien haben nun offiziell die gemeinsam Entwicklung einer Drohne vereinbart. Das Fluggerät soll in mittlerer Höhe fliegen - und Waffen tragen können. Mit anderen Worten: Das Verteidigungsministerium möchte über unbemannte Flugzeuge verfügen, die sich mit Raketen bestücken lassen. Bislang setzt die Bundeswehr lediglich reine Aufklärungsdrohnen ein.

Am Rande des Verteidigungsministertreffens wurde zwar lediglich eine Absichtserklärung unterzeichnet, der zufolge die Länder eine "Definitionsstudie" vornehmen wollen. Innerhalb von zwei Jahren soll diese die technischen Anforderungen an die geplante Drohne klären. Es ist jedoch der erste konkrete Schritt hin zu einer europäischen bewaffnungsfähigen Drohne, für den die drei Länder jeweils schon 25 Millionen Euro beisteuern wollen, wie die Stuttgarter Zeitung berichtet.

Die ersten Fluggeräte sollen spätestens bis zum Jahr 2025 zur Verfügung stehen. Deutschland, Frankreich und Italien wollen auch anderen europäischen Ländern eine Beteiligung an dem Projekt anbieten. Spanien und Portugal haben bereits Interesse signalisiert. Wie die Stuttgarter Zeitung aus Koalitionskreisen erfahren haben will, sei klar, "dass die deutschen Streitkräfte von Anfang an auch Raketen beschaffen und deren Einsatz üben würden".

Bereits Ende März hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen während der deutsch-französischen Regierungskonsultationen in Berlin entsprechende Pläne vereinbart und die Obleute des Verteidigungsausschusses im Bundestag informiert. Demnach ging es um europäische Drohnen, "deren Fähigkeiten über die heutiger Systeme hinausgehen".

Bis 2013 hatte Deutschland sich an dem Drohnen-Projekt Euro Hawk beteiligt, hatte es dann wegen Problemen mit der Zulassung dieser europäischen Version der US-Drohne Global Hawk jedoch aufgegeben.

Mit den Plänen zu der neuen Drohne steigen die Europäer in die Entwicklung eines eigenen unbemannten großen Flugzeugs ein. Bis die Geräte zur Verfügung stehen, möchte das Verteidigungsministerium israelische oder amerikanische Drohnen nutzen - die ebenfalls bewaffnungsfähig sind.

Heftig umstritten

Bewaffnete Drohnen sind in Deutschland heftig umstritten. Verteidigungsministerin von der Leyen wünscht sich solche Systeme für die Bundeswehr, genau wie schon ihr Vorgänger im Amt, Thomas de Maizière. Deutsche Soldaten fordern sowieso schon lange unbemannte Fluggeräte, die mehr können als nur zu beobachten. Nicht um gezielt Terroristen zu töten, wie es etwa die USA mit ihren Predator-Drohnen tun. Das würde auch gegen das Grundgesetz verstoßen. Vielmehr geht es darum, bedrängten Soldaten schneller aus der Luft helfen zu können als mit Kampfflugzeugen.

"Ethisch", so hatte de Maizière als Verteidigungsminister bereits 2012 gesagt, "ist eine Waffe stets als neutral zu betrachten". Es käme nur darauf an, wann und wie sie eingesetzt würde.

Grüne und Linke sind strikt gegen den Einsatz von bewaffneten Drohnen. Und auch in der SPD gibt es Widerstand. Im Koalitionsvertrag haben die Sozialdemokraten sich mit der Union allerdings darauf geeinigt, zumindest zu prüfen, ob eine Anschaffung völker- und verfassungsrechtlich sowie ethisch vertretbar wäre.

Bereits im vergangenen Jahr hatte von der Leyen darauf hingewiesen, dass größere Drohnen, die die Bundeswehr im Ausland kaufen oder mieten müsste, ohnehin bewaffnungsfähig wären. Ob sie bei einem Kampfeinsatz deutscher Soldaten dann tatsächlich bewaffnet würden, um Bodentruppen zu schützen, darüber müsste der Bundestag von Fall zu Fall entscheiden. Das Parlament hat schließlich auch schon einmal festgelegt, Tornado-Kampfjets unbewaffnete Aufklärungsmissionen über Afghanistan fliegen zu lassen.

Ein gezielter Einsatz gegen mutmaßliche Terroristen, bei dem auch Zivilisten gefährdet sein könnten, könnte das Parlament sowieso immer verhindern.

"Militärischer Tabubruch"

Die Wehrexpertin der Grünen, Agnieszka Brugger, hatte allerdings damals gewarnt, von der Leyen würde einer Technologie Tür und Tor öffnen, "die Kriegsführung in den nächsten Jahren massiv, rasant und unwiederbringlich zu verändern droht. Sie marschieren in Richtung Kampfdrohnen, aber aufgrund der rasanten technologischen Entwicklung stehen schon hinter der nächsten Ecke autonome Systeme."

Den Entschluss, eine europäische Drohne mit deutscher Beteiligung zu entwickeln, kritisierte Brugger in der Stuttgarter Zeitung nun als "militärischen Tabubruch". Auch ginge es hier nicht um sicherheitspolitische Überlegungen, sondern vor allem darum, die Wünsche der Rüstungsindustrie zu befriedigen.

Bislang setzt die Bundeswehr kleine Drohnen zur Nächst- und Nahaufklärung ein, für die großräumigere Aufklärung verfügt sie über drei Typen. Zum einen die KZO (Kleinfluggerät Zielortung) mit einer Flughöhe bis zu 4000 Meter und die Luna (Luftgestützte Unbemannte Nahaufklärungs-Ausstattung). Zum anderen eine sogenannte MALE-Drohne (medium altitude, long-endurance) mit einer Flughöhe von etwa fünf bis 15 Kilometern: die von Israel geleaste Heron, die noch immer in Afghanistan im Einsatz ist. Lediglich diese ließe sich umrüsten, um zumindest leichte Raketen zu tragen.

Die Firmen Airbus, Dassault und Alenia Aermacchi haben bereits Interesse an dem Auftrag signalisiert, Pläne für die europäische Drohne zu entwickeln. Unter sicherheitspolitischen und wehrtechnischen Gesichtspunkten ist es im Interesse der europäischen Länder, gemeinsam neue Waffen zu entwickeln. Kein europäisches Land sei in der Lage, ein solches militärisches Großprojekt allein zu stemmen, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, kürzlich der Welt. Außerdem sollten sich die Europäer auf diesem Weg unabhängiger machen von den Waffenschmieden etwa in den USA, wie Frankreichs Verteidigungsminister jüngst der SZ sagte.

Nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums ist die Entwicklung des europäischen Fliegers auch deshalb wichtig, weil die Drohne "das Fluggerät der Zukunft" sei. Das sagte Staatssekretärin Brigitte Zypries, zuständig für Luft- und Raumfahrt, dem Handelsblatt. Es sollte deshalb ein Einvernehmen zwischen den Ministerien für Wirtschaft, Verteidigung und Verkehr gefunden werden. "Ich möchte, dass wir gemeinsam Forschungsmittel bereitstellen und uns nicht nur auf die Frage fixieren, ob wir die Drohne militärisch oder zivil nutzen", sagte Zypries. Schließlich böten Drohnen viele Einsatzmöglichkeiten, zum Beispiel auch in der Landwirtschaft.

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