Pläne der Koalition: Merkels Kalkül:Steuern senken heißt FDP sanieren

Um ihren schwächelnden Koalitionspartner aufzubauen, will Kanzlerin Angela Merkel der FDP das langersehnte Steuergeschenk machen und die Bürger um zehn Milliarden Euro entlasten. Die Opposition schimpft über dieses "Zuckerbrot" für die Liberalen. Doch auch zwei CDU-Ministerpräsidenten fehlt jegliches Verständnis für den Vorschlag - und sie fallen ihrer Chefin in den Rücken.

Thorsten Denkler, Berlin

Auch Angela Merkel muss langsam dämmern, dass es nicht gut sein kann, wenn ihr liberaler Koalitionspartner immer kleiner wird. Wenn sie nur den Hauch einer Chance wahren will, nach der Bundestagswahl 2013 die schwarz-gelbe Koalition weiter anzuführen, dann muss sie endlich die FDP päppeln.

Koalition plant rasche Steuerentlastung

Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr neuer Vizekanzler Philipp Rösler. Offenbar hat die CDU-Chefin dem neuen FDP-Vorsitzenden zugesichert, dass die Steuern noch in dieser Legislaturperiode gesenkt werden.

(Foto: dpa)

Genau das hat die CDU-Chefin offenbar getan, als sie kürzlich dem neuen und bisher recht glücklos agierenden Parteichef Philipp Rösler Steuererleichterungen für Mittelstand und Mittelschicht zusagte.

Gut zehn Milliarden Euro sollen zunächst dafür geopfert werden. Noch vor der Sommerpause soll das Paket angeblich auf einer Regierungsklausur beschlossen werden. Einzelheiten unbekannt.

Ziemlich durchschaubar aber ist, was tatsächlich dahintersteckt. Nicht nur Rösler muss jetzt "liefern", wie er auf dem Rostocker FDP-Parteitag im Mai kurz nach seiner Wahl verkündet hat. Auch Merkel muss irgendetwas tun, um ihre langsam dahinschmelzende Wählerklientel bei der Stange zu halten. Geldgeschenke kurz vor einer Wahl haben da noch immer ihre Funktion erfüllt. Wirksam sollen die Steuererleichterungen wohl erst 2013 werden.

Die alte Verabredung, Steuersenkungen könne es erst geben, wenn die Spielräume dafür erarbeitet sind, ist offenbar nicht mehr als eine rhetorische Floskel. Die jüngsten Steuerschätzungen fallen zwar sehr positiv aus. Doch Experten warnen bereits, der Geldregen sei allein konjunkturbedingt. Er lasse umgehend nach, wenn das Wachstum sich abkühlt.

Bundeshaushalt durch Risiken belastet

Jetzt Steuersenkungen zu beschließen erscheint also in etwa so schlau, wie ein Haus zu kaufen, in der Hoffnung die 2000-Euro-Sondergratifikation vom Chef komme ab sofort jeden Monat.

Auf den Bundeshaushalt drücken zudem erhebliche Risiken. FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat zwar klargemacht, dass es jetzt keine großen Ausgabeprogramme mehr geben könne. Doch schon die beschlossene Energiewende ist nichts anderes. Milliarden von Euro werden benötigt, um Stromtrassen zu bauen und Gebäude zu sanieren.

Oder die Bürgschaften für die Euro-Rettung: Deutschland steht hier im schlimmsten Fall mit mehr als 200 Milliarden Euro in der Pflicht.

Für den grünen Finanzpolitiker Gerhard Schick ist die Sache klar: "Die einzige Begründung für eine Steuersenkung ist der Versuch, die FDP zu retten." Von Spielräumen für Entlastungen zu reden sei schon angesichts einer Schuldenquote von mehr als 80 Prozent "glatte Realitätsverweigerung". Erlaubt ist nach den Maastricht-Stabilitätskriterien nur eine Schuldenquote von 60 Prozent. Auch hier: kein erkennbarer Spielraum.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kündigte Widerstand an. "Grüne werden sich in Bund und Ländern gegen die unseriösen Steuersenkungspläne stemmen", sagte sie.

Gesine Lötzsch, Vorsitzende der Linkspartei, spricht von einem "Zuckerbrot" der Kanzlerin für die FDP, während SPD-Fraktionsvize Joachim Poß Steuersenkungen "auf Pump" strikt ablehnt.

Selbst in der Union stößt eine schnelle Steuersenkung nicht gerade auf Verständnis. Unionsfraktionsvize Michael Meister sieht "derzeit unsere Spielräume eher schwinden". Der CDU-Finanzexperte rechnet vor, dass allein die Energiewende und die nicht umgesetzten Beschlüsse aus dem Sparpaket der Bundesregierung bis 2013 einen "zusätzlichen Konsolidierungsbedarf von acht bis neun Milliarden Euro" erzwingen.

Kritik von CDU-Landeschefs

Auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller spricht sich im Hamburger Abendblatt gegen Steuersenkungen aus: "Ich lehne Steuerentlastungen in Milliardenhöhe - wie von der Bundesregierung angeblich geplant - ab." Dem sachsen-anhaltinischen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) fehlt für solche Steuergeschenke "nicht nur das Verständnis" - es mangele auch am Spielraum.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat jetzt schon eine Milliarde Euro weniger als geplant in der Kasse, weil die Brennelementesteuer weniger einbringt, wenn weniger Atomkraftwerke in Betrieb sind. Im Plan enthalten ist auch eine Finanztransaktionssteuer, die von 2012 an zwei Milliarden Euro jährlich einbringen soll. Nur gibt es nicht den kleinsten Hinweis, dass die Steuer tatsächlich kommt.

Nicht zu vergessen die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse: Bis 2016 muss der Bund seine Neuverschuldung bis auf ein Minimum reduzieren. Die Länder dürfen ab 2020 gar keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Ähnlich groß wird ihre Lust sein, auf Einnahmen aus der Einkommensteuer zu verzichten. Genau das aber ist das Kernanliegen von FDP und Union.

Sie wollen den sogenannten Mittelstandsbauch abschaffen. Der führt dazu, dass Bezieher mittlerer Einkommen bei einer Gehaltserhöhung unter Umständen noch draufzahlen. Diesen Effekt komplett abzustellen ist steuerpolitisch sinnvoll, nur eben ziemlich teuer und könnte je nach Schätzung bis zu 30 Milliarden Euro jährlich kosten.

Merkel aber scheint gewillt - koste es was es wolle -, ein sichtbares und spürbares Zeichen zu setzen, dass der Aufschwung auch in den Geldbörsen ihrer Wähler ankommt. Wenn sie Pech hat, dann kann so die Schuldenbremse nicht eingehalten werden. Aber es wäre ja auch nicht das erste Mal, dass diese Regierung verfassungsrechtliche Vorgaben nicht einhält.

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