Die Schwester des Hamburger NSU-Mordopfers Süleyman Tasköprü ist nicht mehr Nebenklägerin im NSU-Prozess. Nach einem Zerwürfnis mit ihrer Anwältin hat Aysen Tasköprü ihre Anschlusserklärung zur Nebenklage zurückgezogen.
Anwältin Angela Wierig hatte in ihrem Plädoyer Rassismusvorwürfen gegen die Polizei widersprochen. Dass jahrelang gegen die Opferfamilien ermittelt wurde, sei "kein institutioneller Rassismus", sondern resultiere aus den Erfahrungen der Kriminologie, sagte Wierig. Andere Nebenklagevertreter hatten Ermittlungsbehörden und Verfassungsschutz zuvor vorgeworfen, Hinweise auf rechtsextreme Täter gezielt ignoriert zu haben. Von Ermittlungspannen könne bei dieser Häufung keine Rede sein, sagten sie. "Natürlich gab es Ermittlungspannen", sagte hingegen Tasköprüs Anwältin Wierig. Wo Menschen arbeiteten, würden eben Fehler passieren, führte sie aus. Sie kenne zumindest die Hamburger Polizei, und diese habe der Vorwurf des institutionellen Rassismus "unendlich schwer" getroffen.
Ihre Mandantin teilte dem Gericht nach dem Plädoyer schriftlich mit, dass sie über die Ausführungen ihrer Anwältin entsetzt gewesen sei. Das Verhalten der Hamburger Polizei ihrer Familie gegenüber habe sie als sehr belastend und erschreckend empfunden, schrieb sie. Sie sei auch nicht damit einverstanden, dass ihre Anwältin in ihrem Plädoyer gesagt hatte, das Ergebnis der Beweisaufnahme reiche aus ihrer Sicht nicht für eine Verurteilung des Angeklagten Ralf Wohlleben wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen - diese Strafe hatte die Bundesanwaltschaft gefordert hatte. Wohlleben wird vorgeworfen, bei der Beschaffung der Mordwaffe entscheidend geholfen zu haben. Mit dieser Waffe, einer Ceska CZ 83, haben Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Süleyman Tasköprü und acht weitere Männer türkischer und griechischer Herkunft erschossen.
Aysen Tasköprü hatte beantragt, von einer anderen Anwältin im NSU-Prozess vertreten zu werden, das Gericht hat darüber noch nicht entschieden. Der richterlichen Entscheidung ist Aysen Tasköprü nun zuvor gekommen, hat dem Warten ein Ende gesetzt und ihre Nebenklage zurückgezogen. Damit ist auch Anwältin Wierig aus dem Verfahren ausgeschieden. Insgesamt nehmen damit aktuell noch 94 Nebenkläger mit 59 Anwälten am NSU-Prozess teil.
Neuer Beweisantrag verzögert die Plädoyers
Am Dienstag wurde der NSU-Prozess fortgesetzt. Allerdings nicht mit den letzten Plädoyers der Nebenklagevertreter, sondern mit einem Beweisantrag von Wohllebens Verteidigern. Ein Antrag, der den Fortgang der Plädoyers erheblich verzögern könnte.
Wohllebens Anwälte trugen ein halbes Jahr nach Ende der Beweisaufnahme vor, dass entgegen des Geständnisses des Angeklagten Carsten S. und entgegen der Darstellung der Bundesanwaltschaft nicht Wohlleben und Carsten S. den mutmaßlichen NSU-Terroristen die Mordwaffe beschafft hätten, sondern zwei andere Männer. Diese Männer, Sven R. und Juri P., gehörten zur rechten Szene Thüringens und seien nun im Prozess als Zeugen zu laden. Der Haftbefehl und der Anklagevorwurf gegen den Angeklagten Wohlleben würden nach der beantragten Beweiserhebung "keinen Bestand mehr haben", behaupteten die Juristen. Ihr Mandant Wohlleben befindet sich seit November 2011 in Untersuchungshaft.
Die Bundesanwaltschaft warf den Verteidigern vor, den Prozess mit ihrem Antrag mutwillig verzögern zu wollen. Es handele sich geradezu um den "Prototyp eines ins Blaue hinein gestellten Antrags". Die vorgebrachten Überlegungen zum Weg der Mordwaffe aus der Schweiz über Sven R. und Juri P. zum NSU seien reine Spekulation. Der Antrag solle "allein der Verschleppung des Verfahrens dienen", so Oberstaatsanwältin Anette Greger. Auch Nebenklagevertreter Hardy Langer bezeichnete die Beweisbehauptungen als "ins Blaue hinein aufgestellte Vermutungen", die eine Verschleppungsabsicht nahelägen. Detailliert führte er aus, warum der nun von der Verteidigung vermutete Weg der Ceska nicht stimmen könne. Er kommt zu dem Schluss: "Da ein sinnvoller Anhaltspunkt für die Zeugenvernehmung fehlt, ist diese nicht durchzuführen."
Der Vorsitzende Richter brach den Verhandlungstag nach nicht einmal zwei Stunden ab. Am Mittwoch wollen Wohllebens Verteidiger auf die Stellungnahmen reagieren. Eine Entscheidung des Senats über den Antrag steht noch aus.