Es dauerte fast zwei Stunden, bis sein Name zum ersten Mal fiel: Andreas Scheuer (CSU) war beim öffentlichen Auftakt zur Aufarbeitung seines Mautdebakels gar nicht anwesend. Im dafür eingerichteten Untersuchungsausschuss wurde er am Donnerstagnachmittag lange nicht mal erwähnt. Dabei war allen Beteiligten klar, dass es im großen Sitzungssaal E.200 im Bundestag vor allem um seine Zukunft ging. Erst recht seit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Mittwoch indirekt Scheuers Ablösung als Verkehrsminister angedroht hatte.
Und der Auftakt des Ausschusses machte klar: Der öffentliche Druck auf den Minister wird immer größer. Denn die als Zeugen geladenen Rechtsexperten sahen das Vorgehen von Scheuers Verkehrsministerium in der Maut-Affäre mehrheitlich kritisch. "Verstörend" nannte etwa der Bielefelder Rechtsprofessor Franz Mayer die Entscheidung, die millionenschweren Betreiberverträge noch vor einem drohenden EuGH-Urteil zu unterzeichnen. "Man hätte äußerst vorsichtig sein müssen", sagte Mayer. Die Wahrscheinlichkeit für ein Scheitern der Maut vor dem EuGH bezifferte er auf 95 Prozent. Dass das Ministerium intern das Risiko nur auf 15 Prozent schätzte, nannte Mayer "putzig".
Scheuer steht in der Kritik, weil er schon vor dem erwarteten Urteil des EuGH einen kostspieligen zwölfjährigen Betreibervertrag abschloss, um die Maut schnell einzuführen. Der EuGH kippte das Projekt jedoch im Juni. Inzwischen haben die Betreiber deshalb Schadenersatzforderung von mehr als einer halben Milliarde Euro angemeldet. Auch der Mannheimer Professor Friedemann Kainer, eher zur Entlastung Scheuers geladen, erklärte, er hätte wohl anders entschieden: "Ein Haus hätte ich unter den Umständen nicht gebaut." In einer Stellungnahme von Marco Núñez Müller von der Kanzlei Chatham hieß es zudem, das Verkehrsministerium habe "in mehrfacher Hinsicht gegen das geltende Vergaberecht verstoßen". Andere Juristen warfen Scheuers Ministerium vor, Haushaltsrecht gebrochen zu haben.
Die FDP will das Smartphone des Ministers sichern. Und heikle Akten sollen freigegeben werden
Und so verschärft sich auch die Tonlage zwischen Abgeordneten und Minister. Das Misstrauen wächst. Nachdem die gelöschte SMS-Kommunikation auf den Diensthandys der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Aufklärung der Berateraffäre der Bundeswehr erschwert, wollen die Abgeordneten bei Scheuer auf Nummer sicher gehen. Es sei notwendig, dass das Verkehrsministerium alle relevanten Daten sichere, die Smartphones der Leitungsebene einsammele und den Minister und seine leitenden Mitarbeiter mit neuen Geräten ausstatte, forderte am Donnerstag der FDP-Obmann im Maut-Ausschuss, Christian Jung. "Wenn diese Sicherung nicht durchgeführt wird, werden wir diese durch Beweisanträge herbeiführen", kündigte Jung an.
Das Parlament geht zudem gegen Scheuers Ministerium wegen der Geheimhaltung von Akten vor. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses forderten, dass die im Dezember vorgenommene Einstufung zahlreicher Unterlagen als Verschlusssache zurückgenommen werde, sagte der Ausschuss-Vorsitzende Udo Schiefner (SPD). "Die Arbeit des Ausschusses darf nicht unangemessen erschwert werden." Gibt das Ministerium die Akten nicht bis Mitte Februar frei, werde die FDP den Bundesgerichtshof einschalten, kündigte die Fraktion an. Das Ministerium will die Freigabe nun prüfen.
Beamte des Ministeriums hatten Maut-Akten im Dezember aus dem Bundestag abtransportiert und gut 90 Dokumente nachträglich als vertrauliche Verschlusssachen eingestuft. Zwar bekam der Bundestag die Akten rasch zurück. Viele waren jedoch danach für das Parlament nicht mehr frei verfügbar. Sie durften nur von Abgeordneten und sicherheitsüberprüften Mitarbeitern eingesehen werden. Das drohte, Zeugenbefragungen zu erschweren. Abgeordnete warfen dem Ministerium vor, die Aufklärung massiv zu behindern. Im Ausschuss sollen in den nächsten Monaten Dutzende Zeugen vernommen werden, darunter Scheuer selbst.