Süddeutsche Zeitung

Pkw-Maut:Neue schwere Vorwürfe gegen Scheuer

  • Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer gerät wegen der Pkw-Maut immer mehr unter Druck.
  • Der Bundesrechnungshof wirft ihm und seinem Ministerium vor, die Klage Österreichs bei der internen Risikobewertung des Projektes ignoriert zu haben.
  • Auch das Vergaberecht sei verletzt worden.

Von Markus Balser und Clara Lipkowski, Berlin

In der Affäre um die Pkw-Maut belasten neue Vorwürfe Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Laut Bundesrechnungshof ignorierte das Ministerium das drohende Scheitern der Maut vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) bei der internen Risikobewertung. Nach der Klage Österreichs gegen die Maut im Jahr 2017 habe es keine Neubewertung des Projekts gegeben, sagte ein führender Mitarbeiter der Bonner Behörde am Donnerstag als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags. "Solche Bewertungen liegen uns nicht vor und wir bezweifeln, dass es sie gegeben hat."

Der Vorwurf wiegt schwer, denn es geht um ein Milliardenprojekt, bei dem die Risiken für ein Scheitern ständig überwacht werden müssen. Scheuer steht seit einigen Wochen in der Kritik, weil er schon vor dem erwarteten Urteil des EuGH einen kostspieligen zwölfjährigen Betreibervertrag über zwei Milliarden Euro abschloss, um die Maut schnell einzuführen. Der EuGH kippte das Projekt jedoch im Juni 2019 nach der Klage aus Österreich. Inzwischen haben die Betreiber deshalb Schadenersatzforderungen von mehr als einer halben Milliarde Euro angemeldet.

Die Vertreter des Rechnungshofs erneuerten auch die Kritik am Vergabeverfahren für die Maut. Nach dem finalen Angebot habe es Leistungsänderungen gegeben, sagte eine Abteilungsleiterin der Behörde, darüber hätte das Verkehrsministerium die ursprünglichen Mitbieter informieren und das Vergabeverfahren stoppen müssen. Dass dies nicht passiert sei, sei unzulässig. Sie bemängelte auch die Zusammenarbeit seitens des Ministeriums. "Wir kommen nicht unangemeldet", sagte sie. Dann sei es ärgerlich, wenn noch kein Rechner im Büro stehe oder der Zugriff zu den Laufwerken noch nicht gewährt sei. Die Zusammenarbeit sei nicht immer konfliktfrei gewesen, betonte auch ein weiterer Prüfer. "Die Leichen im Keller werden uns nicht serviert. Wir müssen immer wieder nachfragen", sagte er.

In schriftlichen Analysen wird die Behörde mit ihrer Kritik an Scheuers Haus noch deutlicher. So soll das Ministerium den Bundestag hintergangen haben und sich nicht an die vom Bundestag vorgegebenen Höchstkosten von zwei Milliarden Euro gehalten haben, um das CSU-Prestigeprojekt zu retten. Zwar habe das nachgebesserte Angebot der Bieter diese Höchstgrenzen eingehalten - aber nur formal. Der Vertrag habe "weitere Vergütungsbestandteile" enthalten, die "in künftigen Jahren zu Ausgaben in dreistelliger Millionenhöhe" geführt hätten. Damit wäre die Maut wohl deutlich teurer geworden, als vom Parlament erlaubt.

Dem Bundesrechnungshof widersprach ein Abteilungsleiter aus dem Verkehrsministerium. Er war ebenfalls als Zeuge vor dem Ausschuss geladen. Für das finale Angebot habe es keine unzulässigen Nachverhandlungen gegeben, lediglich "Aufklärungsgespräche", sagte er. Dass es zu solchen Gesprächen keine Vermerke in Akten gegeben hatte, sei durchaus üblich. Er wiederholte die Kritik an einem Bericht des Rechnungshofs zur PKW-Maut. Darin sei auf viele Aussagen und Argumente des Ministeriums nicht ausreichend eingegangen worden. Der CSU-Politiker Ulrich Lange warnte davor, den Rechnungshof zum "Kronzeugen" gegen Scheuer zu machen. Der Bericht sei in sich nicht schlüssig.

Politiker der Oppositionsfraktionen indes sehen den kritischen Bericht als schwere Belastung für Scheuer. Der FDP-Politiker Christian Jung sagte, der Bericht sei die "schlimmste anzunehmende Ohrfeige" für Scheuer. Auch der Koalitionspartner macht sich inzwischen Gedanken darüber, wie lange Scheuer zu halten ist. Die SPD-Politikerin Kirsten Lühmann sagte auf die Frage, wann der Minister nicht mehr im Amt zu halten wäre, es gehe im Ausschuss um zwei wichtige Fragen: ob Scheuer das Parlament belogen habe und ob er gegen Haushaltsrecht verstoßen habe. Wenn eine dieser beiden Fragen definitiv mit Ja beantwortet werden könne, würde es schwierig.

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SZ vom 31.01.2020/bix
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