PKK-Aufruf zum Waffenstillstand:Was Öcalans Friedensangebot bedeutet

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"Es ist Zeit, die Waffen schweigen zu lassen": Kurdenführer Abdullah Öcalan demonstriert mit seinem Aufruf, dass er im Friedensprozess zwischen der militanten Kurdenpartei PKK und der Türkei noch immer eine Schlüsselrolle spielt. Sein Appell liegt aber auch im Interesse der türkischen Regierung.

Von Nakissa Salavati

Auch wenn es hierzulande nicht danach aussieht: Es ist Frühlingsanfang. Und den begehen die Kurden, wie viele Millionen Menschen aus dem Nahen Osten, dem Balkan und Zentralasien, mit dem traditionellen Neujahrsfest Newroz. Es ist ein Fest, an dem Altes zurückgelassen und Neues begonnen werden soll.

Und so passen die Worte von Abdullah Öcalan, Gründer und Führer der militanten kurdischen Arbeiterpartei PKK (Partîya Karkerén Kurdîstan): "Das ist nicht das Ende, das ist der Beginn einer neuen Ära. Es ist Zeit, um der Politik den Vorrang zu geben. Es ist Zeit, die Waffen schweigen zu lassen. Wir sind in einem Stadium angekommen, in dem sich unsere bewaffneten Elemente aus der Türkei zurückziehen sollten", heißt es in seinem Aufruf an seine Anhänger, den Kurdenvertreter am heutigen Donnerstag in der südanatolischen Provinz Diyarbakir verlasen. Die Forderung zum Waffenstillstand ist ein Schritt, der das Ende des jahrzehntelangen Konflikts zwischen der PKK und der türkischen Regierung einleiten könnte.

Zu Friedfertigkeit, wie sie nun Öcalan fordert, hat das Newroz-Fest die PKK bisher allerdings nicht immer inspiriert, im Gegenteil. Die Kurden-Partei organisierte in den vergangenen Jahrzehnten an diesem Tag Massendemonstrationen in Europa, oft kam es zu massiven Ausschreitungen. Und kurz vor Öcalans Friedensaufruf detonierten in der türkischen Hauptstadt Ankara am Dienstagabend zwei Sprengsätze. Noch hat sich niemand zu der Tat bekannt, doch die türkische Regierungspartei AKP des Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan beteuerte: "Solche Turbulenzen können uns von unserem Weg nicht abbringen."

Mögliche Gegenleistung: politische und soziale Rechte

Seit einigen Monaten befinden sich die türkische Regierung und Öcalan, der seit 1999 auf der Insel Imrali eine lebenslange Haftstrafe verbüßt, in direkten Gesprächen. Bereits Ende Februar ging bei der legalen Kurdenpartei BDP ein Schreiben des 65-Jährigen ein, in dem er türkischen Medienberichten zufolge einen "mehrstufigen Friedensfahrplan" vorgeschlagen haben soll. Als Gegenleistung zum heutigen Aufruf wäre es möglich, dass die Kurden eine verfassungsrechtlich verankerte Garantie politischer und sozialer Rechte in der Türkei erhalten.

PKK-Führer Öcalan
:Vom Staatsfeind zum Hoffnungsträger

Abdullah Öcalan organisierte den Kampf der Kurden gegen den türkischen Staat - Tausende Menschen kamen in dem Konflikt ums Leben. Seit 15 Jahren sitzt der PKK-Führer in einem türkischen Gefängnis. Der Krieg in Syrien verschafft ihm neue Aufmerksamkeit.

Welchen Erfolg könnte diese Waffenruhe haben? Friedenspläne gab es in den vergangenen Jahrzehnten bereits, selten wurden sie von beiden Seiten wirklich beachtet. Seit 1984 führt die PKK den bewaffneten Kampf für einen eigenen Kurdenstaat oder zumindest ein politisches und kulturelles Autonomiegebiet im Osten der Türkei. Mehr als 40.000 Menschen haben dabei ihr Leben verloren. Nicht nur die Türkei, auch Deutschland sowie die USA stufen die PKK als terroristische Organisation ein.

Nötig für eine erfolgreiche Waffenruhe wäre, dass Öcalans Aufruf bei seinen Anhängern Gehör findet. Trotz der Haftstrafe hat er gezeigt, dass er innerhalb der PKK immer noch die Fäden zieht. Im November 2012 beendeten etwa 1700 kurdische Gefangene und Politiker ihren Hungerstreik - nachdem Öcalan sie dazu aufgerufen hatte.

Anzeichen für eine Entspannung jedenfalls gibt es: Vor einer Woche berichteten türkische Fernsehsender, die PKK habe acht verschleppte Türken, darunter Soldaten und Regierungsbeamte frei gelassen.

Auch die türkische Regierung schien besonders in den vergangenen Monaten bemüht, den Friedensprozess voranzubringen: Im Januar 2013 durften erstmals Abgeordnete der legalen Kurden-Partei BDP Öcalan besuchen, das Treffen organisierte der Geheimdienst im Auftrag der Regierung. Wenige Wochen später verabschiedete das türkische Parlament ein Gesetz, das einem Angeklagten vor Gericht einräumt, sich in der Sprache seiner Wahl zu verteidigen - auch in einer kurdischen. Diese zögerlichen Zugeständnisse soll auch die EU bemerken, bei der sich die Türkei um Aufnahme bemüht.

Kurdenstaat im syrischen Grenzgebiet?

Im Januar 2013 wurden die Friedensbemühungen allerdings vor eine harte Probe gestellt: Drei kurdische Aktivistinnen wurden in Paris ermordet, unter ihnen befand sich auch die 54-jährige Sakine Cansiz, Mitgründerin der PKK und eine alte Weggefährtin Öcalans. Erdogan rief zur Ruhe auf, und auch die PKK, die den türkischen Staat hinter der Tat vermutete, reagierte relativ ruhig.

Eine außenpolitische Komponente hat der Kurdenkonflikt mit dem syrischen Bürgerkrieg erhalten. Zwar unterstützt die türkische Regierung die syrischen Rebellen und stellt sich damit gegen Syriens Machthaber Baschar al-Assad. Im syrischen Grenzgebiet zur Türkei halten sich aber Kurden auf, die mit der PKK sympathisieren. Ein Sturz des Machthabers könnte also auch eine Art Kurdenstaat im syrischen Grenzgebiet begünstigen - und die PKK möglicherweise stärken. Noch ein Grund für Erdogan, den Friedensprozess voranzutreiben.

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