Pjöngjang:Nordkoreas Armeechef entlassen

Nordkoreas Regime hat überraschend seinen Armeechef Ri Yong Ho abgesetzt. Ri hatte eine zentrale Rolle beim Machttransfer auf den jungen Kim Jong Un. Offiziell wurde die Absetzung des eng mit der Herrscherfamilie verbundenen Spitzenmilitärs mit dessen Gesundheit begründet - nach Ansicht von Experten ein "äußerst ungewöhnlicher" Vorgang.

Etwa ein halbes Jahr nach dem Machtwechsel in Nordkorea hat das Regime des kommunistischen Landes überraschend Armeechef Ri Yong Ho entlassen. Ri sei wegen "Krankheit" aller Ämter enthoben worden, hieß es in einer knappen Mitteilung in den Staatsmedien. Ri galt bisher als einflussreiches Mitglied des inneren Führungszirkels in Pjöngjang, der eine zentrale Rolle beim Machttransfer auf den jungen Kim Jong Un gespielt hatte.

Die südkoreanische Regierung bezeichnete die Amtsenthebung Ris als "äußerst ungewöhnlich", Experten deuteten sie als mögliche Folge von Machtkämpfen innerhalb der nordkoreanischen Führung.

Der Beschluss, Ri seiner Ämter zu entheben, sei bei einer Sitzung des Politbüros der nordkoreanischen Arbeiterpartei gefallen, berichtete die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA. Grund sei dessen nicht näher genannte "Krankheit". Wer Ri ersetzen soll, lässt die Meldung offen.

Der 69 oder 70 Jahre alte Ri - zu seinem Alter kursieren unterschiedliche Angaben - war seit 2009 Chef des Generalstabs der nordkoreanischen Streitkräfte. Er war zudem Vize-Vorsitzender der einflussreichen zentralen Militärkommission der Arbeiterpartei und Mitglied des Präsidiums des Politbüros der Partei, wie diese Übersicht zeigt.

Der Vizemarschall galt als Vertrauter des verstorbenen Machthabers Kim Jong Il und begleitete diesen auf vielen seiner Reisen. Als Kim Jong Il im Dezember starb, war er einer von sieben ranghohen Vertretern aus Partei und Militär, die zusammen mit dem Sohn des Machthabers, Kim Jong Un, bei dem Trauerzug direkt neben dem Wagen mit dem Sarg liefen.

Ist Ri in Ungnade gefallen?

Der 69 Jahre alte Ri galt als eines der Mitglieder des engsten Führungszirkels in Pjöngjang, die Kim Jong Un bei der Übernahme der Macht begleiten und unterstützen sollten. In den vergangenen Monaten wurde Ri immer wieder an der Seite von Kim Jong Un gesehen, etwa bei Besuchen der Streitkräfte. Er begleitete Kim Jong Un auch auch bei einer Gedenkzeremonie zum Todestag von dessen Großvater Kim Il Sung am 8. Juli.

File photo of North Korean leader Kim Jong-Un exchanging smiles with chief of general staff of the Korean People's Army Ri Yong-ho during a military parade in Pyongyang

Im Februar lächelten sie noch gemeinsam in die Kameras des Staatsfernsehens: Kim Jong Un (re.) mit dem nun entlassenen Armeechef Ri Yong Ho bei einer Militärparade in Pjöngjang. 

(Foto: REUTERS)

Ein Sprecher des südkoreanischen Verteidigungsministeriums in Seoul sagte, die Situation in Nordkorea werde "mit Interesse" verfolgt. Weitere Angaben wollte er nicht machen.

Yang Moo Jin von der Universität für Nordkorea-Studien in Seoul sagte, womöglich sei Ri bei Kim Jong Un in Ungnade gefallen oder habe einen Machtkampf innerhalb des Militärs verloren. Aus gesundheitlichen Gründen würden Partei- oder Militärführer in Nordkorea selten entlassen.

Paik Hak Soon vom Sejong Institute sagte, mit der Entlassung Ris wolle Kim Jong Un die Macht der Arbeiterpartei über das einflussreiche Militär stärken. "Jong Un wird sicherstellen, dass jetzt die Partei die übergroße Armee kontrolliert - damit hatte sein Vater Ende 2010 vor seinem Tod begonnen." Vermutlich werde Kim nun einen jüngeren Offizier einsetzen, der engere Verbindungen zur Arbeiterpartei habe und sich leichter kontrollieren lasse, sagte der Nordkorea-Experte.

Die nordkoreanische Armee ist mit 1,2 Millionen Soldaten eine der größten der Welt. Sie gewann in den neunziger Jahren basierend auf der sogenannten Songun-Doktrin, was übersetzt "Die Armee zuerst" bedeutet, an Einfluss. Die Doktrin räumt der Armee eine maßgebliche Stellung im Land ein und rechtfertigt, dass Unsummen für Verteidigung ausgegeben werden, während Millionen Nordkoreaner Hunger leiden. Doch auch die Soldaten haben kaum genug zu essen, berichten Menschenrechtsorganisationen. Die Armee sei angehalten, Nutztiere zu züchten. Die Soldaten hätten aber Probleme, Futter für die Hasen und Ziegen aufzutreiben.

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