Das Bundesministerium der Verteidigung speist eher selten Gesetzesentwürfe ein, es beschäftigt meist den Haushaltsausschuss des Bundestages mit Vorlagen für die Anschaffung neuer Panzer, Kampfflugzeuge, Fregatten oder Luftverteidigungssysteme. Zwar meidet Minister Boris Pistorius neuerdings lieber den Begriff „kriegstüchtig“, doch sieht er gerade beim Personal und bei den Reservisten große Defizite. Weshalb er nun auch ein dafür passendes Gesetz will, das noch zu einigen Debatten führen wird.
Besonders eine Frage ist dabei brisant: Wie soll die Bundeswehr mit Frauen im von Pistorius geplanten neuen Wehrdienstmodell umgehen? Der SPD-Politiker hatte bereits am 12. Juni seinen Plan vorgestellt, wonach künftig alle Männer, die 18 Jahre alt werden, einen Musterungsbogen ausfüllen müssen. Nun hat sein Haus dafür einen „Gesetzentwurf zur Modernisierung wehrersatzrechtlicher Vorschriften und zur Einführung eines neuen Wehrdienstes“ vorgelegt, der vom Kabinett und dann vom Bundestag beschlossen werden soll. Der Entwurf liegt der Süddeutschen Zeitung vor; er sieht vor, dass „nur diejenigen Wehrpflichtigen erfasst werden und einer Verpflichtung zur Abgabe einer Bereitschaftserklärung unterworfen werden, die nach dem 31. Dezember 2006 geboren wurden“.

Zunächst sollen also künftig alle ab 2007 geborenen männlichen Bürger Fragen zur Fitness, zum Bildungsabschluss und sonstigen Qualifikationen beantworten; und auch, ob sie einen sogenannten Basiswehrdienst mit einer Länge von sechs bis maximal 23 Monaten absolvieren wollen. Erst dann würden sie zu einer persönlichen Musterung eingeladen. Es werde „dafür die Möglichkeit einer elektronischen Erklärungsabgabe geschaffen“, das Ausfüllen des Fragebogens soll 15 Minuten dauern.
Strukturen für die Wehrerfassung sind verloren
Pistorius hatte immer wieder geklagt, dass mit der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 auch sämtliche Strukturen einer Wehrerfassung verschwunden seien, er also gar nicht wisse, wen man im Verteidigungsfall einziehen könne.
Und hier wird es auch für alle ernst, die keinen Basiswehrdienst leisten wollen. Kommt es zum Verteidigungs- und Spannungsfall, kann der Bundestag jederzeit die Wehrpflicht wieder einsetzen – dann könnten alle ab 2007 geborenen, geeigneten Männer gezogen werden, die man dank des Fragebogens in der Datenbank hat.
Warum die Grenze beim Datum 31.12.2006 gesetzt wird, erklärt das Ministerium in dem Entwurf so: „Anderenfalls wären alle Jahrgänge zu erfassen, die seit Inkrafttreten des Wehrrechtsänderungsgesetzes 2011 nicht mehr erfasst wurden. Dies ginge bis in den Geburtsjahrgang 1993 zurück.“ Ein derartiger Umfang wäre kaum zu bewältigen und stünde auch nicht im Verhältnis zum verfolgten Zweck, ein möglichst aktuelles Lagebild zu erreichen.

Bundeswehr:Pistorius setzt auf Freiwilligen-Modell statt Wehrpflicht
Der Kanzler hat ihn ausgebremst, nun will der Verteidigungsminister mit Fragebögen und Anreizen mehr Leute für die Bundeswehr gewinnen. Die CDU sieht eine Kapitulation vor der eigenen Partei.
Für Frauen wäre das Ausfüllen freiwillig
Wer den Fragebogen nicht ausfüllt, muss ein Bußgeld bezahlen, dessen Höhe steht noch nicht fest. Auch Frauen bekommen ihn. Aber für sie bleibt das Ausfüllen freiwillig. Und das dürfte noch für Debatten sorgen.
Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marcus Faber (FDP), hält es für falsch, die Antwortpflicht auf Männer zu beschränken. „Ich finde, man müsste den Fragebogen auch für Frauen verpflichtend machen“, sagt er der SZ. Das Grundgesetz müsse dafür nicht geändert werden, „weil das erst einmal nichts mit der ausgesetzten Wehrpflicht zu tun hat“. Diese gilt bisher nur für Männer. Experten glauben, dass sie heute auch für Frauen gelten müsste. Dafür aber bräuchte es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag – und Gespräche mit der Union.
Man rechnet mit rund 300 000 Rückläufern jedes Jahr. Pistorius hatte eigentlich mehr gewollt, etwa auch ein Pflichtelement wie bei dem Vorbild-Modell in Schweden, wenn es nicht genug Freiwillige gibt, aber schon Kanzler Olaf Scholz bremste ihn aus. Zunächst ist geplant, wahrscheinlich erstmals von Mitte 2025 an, dass 5000 Personen pro Jahr zusätzlich aufgenommen und ausgebildet werden. Später soll das auf 10 000 pro Jahr ansteigen. Viel mehr geht bisher nicht, da mit Aussetzung der Wehrpflicht auch die 52 Kreiswehrersatzämter abgeschafft worden waren und es nicht genug Unterkünfte gibt.
Von aktuell 181 000 Soldaten soll die Truppe auf 203 000 aufwachsen. Ein Teil der Wehrdienstleistenden verpflichtet sich in der Regel als Zeit- oder Berufssoldaten. Allerdings erfordert der deutsche Beitrag zur Nato-Bündnisverteidigung einen Umfang zwischen 370 000 und 460 000 Soldatinnen und Soldaten. „Eine qualitativ wie quantitativ starke Reserve“ sei daher unerlässlich, wird im Entwurf betont. Aber ob dieser Reserveaufbau mit dem neuen Modell gelingen kann, wird nun die spannende Frage sein.