Pistolen- und Gewehrbesitzer in Deutschland:Habt Ihr noch alle Waffen im Schrank?

Hunderttausende Menschen in Deutschland dürfen Waffen besitzen und benutzen: Polizisten, Sportschützen, Jäger, Soldaten. Vier von ihnen erzählen von ihrem Leben mit der Waffe.

von Antonie Rietzschel und Jannis Brühl

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Pistolen- und Gewehrbesitzer in Deutschland:Die Jägerin

SZW Volo Ausgabe

Quelle: Carmen Wolf, Illustration: Christina Dawid

Hunderttausende Menschen in Deutschland dürfen Waffen besitzen und benutzen: Polizisten, Sportschützen, Jäger, Soldaten. Vier von ihnen erzählen von ihrem Leben mit der Waffe.

Dieser Artikel ist Teil des Schwerpunktes Waffen in Deutschland der angehenden Redakteure der Süddeutschen Zeitung.

Susanne Schmid, 23: Bisher hat Susanne Schmid mit jedem Schuss getötet. Dafür übt sie. "Ich stelle an mich den Anspruch, das Tier gleich tödlich zu treffen", sagt sie. Die 23-jährige Lehramtsstudentin aus Kehlheim jagt - wie Vater, Mutter und Bruder. Als Kind läuft sie bei Treibjagden mit, mit 16 hat sie den Jagdschein, erlegt ihr erstes Reh vom Hochsitz aus. Die Beute landet meist im Kochtopf: "Spaghettisoße, Fleischpflanzerl, so was."

Größere Tiere schießt sie mit ihrer Ferlacher, benannt nach dem Büchsenmacherdorf in Österreich. Zwei Läufe hat die Bockbüchsflinte: Der obere feuert Schrot, der kleinere darunter Kugeln, 6,5 Millimeter. Im Waffenschrank liegen außerdem Schrotflinte und Repetiergewehr. Schmid sagt: "Ich habe kein Verhältnis zu meiner Waffe, nur eines zu meinen Freunden."

Lange hat sie gezögert, sich mit der Ferlacher vor weißer Wand fotografieren zu lassen, außerhalb des Arbeitsplatzes Wald. Jäger wollen auf keinen Fall wie Waffennarren wirken. Nur ja kein Sportschützen-Image! Deshalb macht Schmid PR für den Jagdverband. Der Sinn des Tötens? "Wir müssen das Wild regulieren. Es hat keine natürlichen Feinde mehr." Außer den Jägern.

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Pistolen- und Gewehrbesitzer in Deutschland:Der Polizist

SZW Volo Ausgabe

Quelle: Carmen Wolf, Illustration: Christina Dawid

Werner Kraus, 43: Als Werner Kraus 1988 im Alter von 19 Jahren seine Polizeiausbildung beginnt, wünscht er sich vor allem eines: niemals schießen zu müssen. Eine Verkehrskontrolle einige Jahre später macht ihm beinahe einen Strich durch die Rechnung: Er und sein Kollege fragen einen Fahrer nach den Fahrzeugpapieren. Der öffnet das Handschuhfach. Darin liegt jedoch nicht der Fahrzeugschein, sondern eine Schusswaffe.

Die beiden Polizisten ziehen ihre Pistolen. "Du weißt ja nicht, was die Person als Nächstes tut, ob sie schießt oder nicht", sagt Kraus. In diesem Fall hebt der Fahrer aber schnell die Hände und steigt aus dem Auto aus. Denn wie sich herausstellt, gehört das Fahrzeug nicht ihm, sondern einem Freund. Die Waffe im Handschuhfach - eine Gaspistole - hat ihn genauso überrascht wie die Polizisten. Es war bisher das einzige Mal, dass Kraus seine Waffe ziehen musste.

Mit seiner Pistole, einer P7 der Firma Heckler & Koch, trainiert er zweimal im Jahr am Schießstand. Er findet das ausreichend: "Im Ernstfall ist sowieso alles anders als am Schießstand - da kommt das Adrenalin, und man muss auf eine bestimmte Situation reagieren."

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Pistolen- und Gewehrbesitzer in Deutschland:Die Sportlerin

SZW Volo Ausgabe

Quelle: Carmen Wolf, Illustration: Christina Dawid

Gudrun Wittmann, 38: Nach dem Schießen fühlt sich Gudrun Wittmann leer: "Da geht man raus wie aus einem Marathon." Ihr Mann brachte die heute 38-jährige Chemielaborantin zum Sportschießen. Vor 16 Jahren feuerte sie das erste Mal: "Ungewohnte Körperhaltung, koordinationslos wie das erste Mal auf Skiern."

Sie leitet den Betriebsrat eines bayerischen Konzerns. In ihrer Freizeit schießt sie, auch Sechs-Millimeter-Großkaliber. Stolz ist sie auf ihre amerikanische Bürgerkriegswaffe: einen Remington-Vorderlader von 1863. Vorderlader-Schützen haben ein Do-it-yourself-Ethos: Wittmanns Mann gießt die Kugel im Keller selbst. Wie sie die Waffen aufbewahrt? "Nach Gesetzeslage", sagt Wittmann. Sie lägen im Safe, der Schlüssel dazu in einem weiteren Safe.

Lange wägt sie vor jeder Antwort ihre Worte ab. Wie keine andere Waffenbesitzergruppe sind Schützen sensibilisiert für den Umgang mit Medien. Sie sagt: "Nach jedem Amoklauf sprechen mich Kollegen und Bekannte an. Dabei sind meine Waffen legale Sportgeräte." Geräte, die manche verführen: "Menschen, die einen Schlag weghaben, verbinden damit Machtgefühle. Die fühlen sich mehrwertig mit Waffe in der Hand."

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Pistolen- und Gewehrbesitzer in Deutschland:Der Soldat

SZW Volo Ausgabe

Quelle: Carmen Wolf, Illustration: Christina Dawid

Peter-Wilhelm Fuss, 53: Schießen oder nicht - wie alleingelassen man sich bei dieser Entscheidung fühlt, spürt Peter-Wilhelm Fuss 1998, während seiner Zeit in Bosnien. Mit seinem Auto passiert er eine Bushaltestelle, an der Jugendliche herumlungern. Als er genau auf ihrer Höhe ist, richtet ein Junge eine Waffe auf Fuss. Dessen Finger schließen sich blitzschnell um den Griff seiner Pistole. Doch bevor er sie aus dem Holster ziehen kann, ist er an der Bushaltestelle vorbei. Später stellt sich heraus, dass die Waffe eine Attrappe war. "Stellen Sie sich vor, was passiert wäre, wenn ich geschossen hätte", sagt Fuss.

Heute, in einem Sitzungsraum der Fürst-Wrede-Kaserne in München, denkt er darüber nach, dass er fast einen unbewaffneten Jungen getötet hätte. Als er in Bosnien die Waffe auf sich gerichtet sah, dachte er erst mal nur an sich: "So schnell geht Sterben, schoss es mir durch den Kopf."

Fuss ging 1978, in Friedenszeiten, zur Bundeswehr. Doch wie jeder Soldat lernte auch er den Umgang mit der Waffe. Sein Schießbuch beweist: Er kann mit dem Gewehr, aber auch mit einer Panzerfaust umgehen. Als Offizier benutzt er vorrangig seine Pistole von Heckler & Koch.

© SZ vom 30.Juni/1.Juli 2012/jab
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