Pingpong der Positionen:Schluss mit Stückwerk - was ein Integrationsministerium leisten könnte

Flüchtlinge in Deutschland - Integrationskurs

Wie kann Integration gelingen? Und könnte ein eigenes Ministerium die Sache befördern? Ein Schritt ist jedenfalls die Sprache.

(Foto: dpa (M))

Leser Max Kuhlmann findet - anders als SZ-Autor Stefan Braun: Integration kann man nicht verordnen, ein Ministerium dafür ist unnötig. Im "Pingpong der Positionen" widerspricht unser Kollege.

Ist es sinnvoll, in Deutschland ein Integrationsministerium zu schaffen? Ja, meinte unser Berliner Online-Chef Stefan Braun in seinem Kommentar. Leser Max Kuhlmann entgegnete, er halte ein solches Ministerium für unnötig und plädierte stattdessen für eine Stärkung des beziehungsweise der Integrationsbeauftragten. In unserem "Pingpong der Positionen", einem Dialog-Format, mit dem wir im Rahmen unseres Projekts "Democracy Lab" experimentieren, antwortet nun Stefan Braun auf die Einwände des Lesers. Dieser hat dann - wenn er will - das letzte Wort.

Stefan Brauns Entgegnung

Zuallererst das Wichtigste: Max Kuhlmann hat gute Argumente gegen mein Plädoyer für ein neues Ministerium für Integration und Einwanderung vorgebracht. Das gilt für die Sorge vor mehr Bürokratie. Es gilt für die Angst, dass ein solches Haus durch unpräzise Definition keine klar umrissene Aufgabe hätte, am Ende also tatsächlich wie eine etwas vergrößerte Abteilung der jetzigen Staatsministerien im Kanzleramt daherkäme.

Es gilt zudem für die Gefahr, dass andere Ministerien alle Kompetenzen, die wirklich wichtig sind, nie hergeben würden. Und es gilt - vielleicht zuallererst - für Herrn Kuhlmanns Mahnung, dass Integration eigentlich eine Aufgabe für alle sein muss. Für den Staat, aber auch für die Kommunen, die Vereine, die Gesellschaft, am Ende für jeden Einzelnen. Kurz gesagt: Er hat die wichtigen Punkte getroffen.

Dennoch bleibe ich dabei: Es ist an der Zeit, ein solches Ministerium einzurichten. Und das aus mehreren Gründen. So ist das, was Herr Kuhlmann als Sorge für die Zukunft formuliert, leider während der Flüchtlingskrise exakt geschehen. Alle möglichen Ministerien, ob Familie, Wirtschaft, Arbeit oder Außen haben sich sehr lange sehr vornehm zurückgehalten. Sie haben eben gerade nicht gemeinsame Sache gemacht, um wirklich an den vielen verschiedenen Baustellen schnell und kollegial anzupacken.

Das ist erst geschehen, als die Regierung mangels Organisation, Geschlossenheit und Entschlossenheit dramatisch in die Kritik geriet. Die Eitelkeiten der einzelnen Ministerien sind deshalb kein Grund, auf ein Integrationsministerium zu verzichten. Es ist die Begründung, ein neues Ressort zu schaffen. Nur wenn ein Minister umfassend für Integrations- und Migrationsfragen verantwortlich ist, wird er sehr schnell und konkret darauf achten, dass die anderen Kollegen nicht bremsen und nicht einschlafen.

Richtig ist, dass dieses Ressort wenig zu sagen hätte, wenn bei steuerlichen Begünstigungen für Ehrenamtliche, bei der Formulierung von Lehrplänen für Einwandererkurse oder auch bei der Anerkennung von Zeugnissen wahlweise das eine oder andere Ministerium auf seinen Pfründen sitzen bliebe. Diese Art von Eigensinn geht aber nur, solange es eine Regierung im Ganzen zulässt.

Wenn sie es ernst meint mit einer neuen Schwerpunktsetzung, dann ist sie jederzeit in der Lage, die jeweiligen Experten der verschiedenen Ministerien in einem neuen Haus zusammenzuführen. Das ist nicht unmöglich und auch nicht verboten. Es hat in der Vergangenheit immer wieder solche Schritte gegeben. Jüngstes Beispiel: Das Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz; auch hier mussten Abteilungen aus verschiedenen Häusern unter einem Dach zusammengefügt werden.

Integration kann man nicht beschließen oder erzwingen

Das führt mich zu meinem nächsten Punkt: Ein solches Ministerium wäre kein Sandkasten für ein paar Exoten. Wenn man es wirklich ernst nimmt, dann geht es in diesem Haus um mehr. Es geht um den Zusammenhalt in der Gesellschaft, also um die Frage, wie man Integration gut fördert. Es geht also um Konzepte und deren Umsetzung.

Integration kann man nicht einfach beschließen oder verordnen oder erzwingen. Also muss man sich gebündelt und unabgelenkt durch andere Aufgaben fragen: Was ist dafür wichtig? Rechtlich? Sozial? Kulturell? Was muss es den Zuwanderern abverlangen? Was muss die Gesellschaft leisten? Wie kann man aus Zuwanderung einen ethischen wie wirtschaftlichen Gewinn erschaffen? Und wie kann man das alles besser organisieren?

Wer ehrlich ist in der Regierung, der müsste einräumen, dass diese Fragen noch nie wirklich auf Dauer konzipiert und beantwortet wurden. Da können noch so viele Staatssekretärsrunden stattfinden - ohne einen Ort konzentriert sich alles auf das dringlichste nächste Problem, der Rest bleibt Stückwerk.

Die Besten anlocken, ohne anderen zu schaden

Hinzu kommt eine Frage, die mit der vorherigen eng verbunden ist: Wie schafft es dieses Land, in einem großen internationalen Wettbewerb um die klügsten Köpfe erstens ein modernes, nicht abstoßendes Einwanderungssystem zu schaffen? Und wie gelingt es in der gleichen Zeit, klug und nachhaltig Fluchtursachen zu bekämpfen? Man will die Besten anlocken, ohne dass diese Länder alle guten Leute verlieren. Was heißt das also, wenn man es zu Ende denkt?

In Teilen werden diese Fragen im Entwicklungsministerium behandelt. Aber die Brücke zum Wettbewerb um die besten Köpfe und gar die Brücke, wo hier die Grenzen liegen könnten oder müssten, ist in diesem Haus bisher wenn überhaupt nur sporadisch und vorübergehend hergestellt worden.

Keine Frage, man kann die Schaffung eines neuen Ministeriums scheuen. Aber wenn man es als bewusste Entscheidung einer neuen Koalition gründet und wenn man es mit einem prominenten Minister und mit gutem Geld ausstattet, könnte es die bis heute oft nur erratischen Debatten über die Frage, wie wir uns die Zukunft dieses Landes vorstellen, ganz anders prägen. Eines Landes, das Zuwanderung braucht und mit Fluchtbewegungen konfrontiert ist, das kluge Köpfe benötigt, für wirklich Verfolgte Zufluchtsort sein möchte und bei all dem gleichwohl seinen kulturellen, politischen, weltoffenen und demokratischen Charakter nicht aufgeben möchte.

Das ist eine der großen Zukunftsaufgaben; es geht hier um den sozialen Zusammenhalt, um die Sicherheit und den wirtschaftlichen Erfolg. Deshalb braucht es mehr als ein Referat in jedem Ministerium. Es braucht ein eigenes Haus.

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