Philippinen:Duell an der Staatsspitze

FILE PHOTO - President Rodrigo Duterte talks to Vice-President Leni Robredo during the Philippine National Police Academy graduation ceremony in Camp Castaneda

Sie misstrauen sich: Die philippinische Vizepräsidentin Leni Robredo und ihr Chef Rodgrigo Duterte sind in der Drogenpolitik über Kreuz.

(Foto: Romeo Ranoco/Reuters)

Präsident Duterte ist Widerstand gegen seinen Anti-Drogen-Kurs nicht gewohnt. Nun begehrt seine Stellvertreterin auf.

Von Arne Perras, Singapur

Vermutlich hatte sie mit ihrem Rauswurf aus dem obersten Anti-Drogen-Ausschuss der Philippinen schon gerechnet. Aber das scheint die 54-Jährige jetzt erst recht anzustacheln. "Wenn die denken, das ist schon vorüber, dann kennen sie mich nicht", sagte Leni Robredo. "Ich habe gerade erst angefangen." Gerichtet war die trotzige Drohung an das Lager des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte. Der hatte seine Stellvertreterin gerade erst zur Ko-Leiterin des staatlichen "Komitees gegen illegale Drogen" berufen, aber dann - nur 19 Tage später - auch schon wieder gefeuert. Es ist eine bizarre Episode in einem ungewöhnlich anmutenden Duell: In Manila bekämpfen sich Präsident und Stellvertreterin, als gäbe es eine gemeinsame Regierung gar nicht.

Vizepräsidentin Robredo, von Beruf Menschenrechtsanwältin, gilt mittlerweile als schärfste Kritikerin Dutertes. Sie will die brutalen Menschenjagden nicht mehr dulden, mit denen der Präsident seinen Wählern versprach, das Problem der Drogen in den Griff zu bekommen. Dieser Kurs hat Tausenden Philippinern, zumeist Drogensüchtigen oder Kleindealern in den Elendsvierteln, das Leben gekostet. Eine Chance auf einen Prozess bekamen sie nie, oft wurden sie Opfer von Todesschwadronen, die im Verdacht stehen, im Auftrag der Polizei zu handeln - was Duterte stets bestritten hat.

Der Konflikt zwischen Robredo und Duterte ist nicht neu, allerdings hat er stark an Intensität zugenommen und zeigt, dass der Macho-Präsident, trotz aller Popularität, doch auch Widerstand spürt, wenn es um Menschenrechte und Demokratie im Land geht.

Erst Ausgrenzen, dann Umarmen: Duterte wecchselt im Umgang mit seiner Stellvertreterin die Taktik

Präsidenten und ihre Stellvertreter werden auf den Philippinen getrennt vom Volk gewählt und gehören meist auch unterschiedlichen Parteien an. Nicht immer wird daraus ein eingespieltes Tandem, im Falle Dutertes und Robredos ist das Misstrauen sogar in offene Konfrontation umgeschlagen.

Robredo kann international mit Rückhalt rechnen, weil Dutertes Drogenpolitik in vielen Ländern auf harte Kritik stößt. Im Inland allerdings ist ihre Strategie riskant. Sich gegen einen Präsidenten zu stellen, der sich immer noch auf eine breite Anhängerschaft in der Mittelschicht stützt, kommt nicht überall gut an.

Die Gegner Dutertes sind in den sozialen Medien oft regierungstreuen Troll-Armeen ausgesetzt, so dass es Courage erfordert, öffentlich Kritik zu üben. Duterte war schon zu Beginn seiner Amtszeit auf Distanz zu Robredo gegangen, das ging soweit, dass er sie sogar von Kabinettssitzungen ausschloss. Die 54-Jährige schüchterte das nicht nachhaltig ein, sie forcierte ihre Kritik am Anti-Drogenkrieg: "Wir wissen nicht, wie viele gestorben sind, weil die Regierung nicht transparent ist." Robredo klagt an, dass die Polizei ihre Macht missbraucht habe und Täter straflos davonkämen, sie bringt auch eine mögliche Intervention der Internationalen Strafjustiz ins Gespräch, falls die Philippinen ihre Drogenpolitik nicht in den Griff bekämen.

Dann kam der erstaunliche Moment, als Duterte eine neue Taktik erproben wollte, um seine Rivalin auszuschalten: Dieses Mal versucht er es nicht mit Ausgrenzen, sondern mit Umarmen: er berief sie also in den Ausschuss zur Drogenbekämpfung; Robredo zögerte zunächst, weil es danach aussah, als versuche der Präsident, sie in eine Falle zu locken. Zur Überraschung vieler nahm sie den Job dennoch an.

Lange währte das Experiment nicht, denn Robredo wollt sich nicht einbinden lassen in eine Strategie, die sie vehement ablehnt. Robredo mahnte weiter, prangerte all die "sinnlosen Tötungen" an.

Schließlich erzürnte das den Präsidenten so sehr, dass er sie öffentlich als "Chaotin" abkanzelte und kurz darauf wieder aus dem Ausschuss feuerte. Vor allem hatte ihn geärgert, dass sich die neu berufene Ausschuss-Chefin mit Experten der UN-Drogenbehörde und US-Diplomaten traf. Sie habe damit unangemessen internationale Aufmerksamkeit auf den Anti-Drogen-Krieg gelenkt und das Land vor aller Welt erniedrigt, hieß es aus der Umgebung Dutertes.

Robredo verspricht auch nach dem Rauswurf, sich nicht zu beugen, sie kämpfe weiter für eine drastische Änderung der Drogenpolitik. An Präsident Duterte gerichtet erklärte sie öffentlich: "Als ich diesen Job annahm, fragte ich: Sind sie bereit für mich?" Nun aber wolle sie wissen: "Haben Sie Angst davor, was ich herausfinden werde?" Dutertes Sprecher hatte hingegen nur eine Erklärung für Robredos Rauswurf: Sie habe sich schlicht als inkompetent erwiesen. In Manila warten schon alle darauf, dass das Duell in der Staatsspitze in eine weitere Runde geht.

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