Sieben lange Jahre haben ihre Qualen gedauert, Leila de Lima saß die meiste Zeit davon im Gefängnis. Und das hatte die frühere Justizministerin und Senatorin der Philippinen wohl vor allem einem Mann zu verdanken: Rodrigo Duterte, von 2016 bis 2022 Präsident der Philippinen.
Duterte gilt als Erfinder des sogenannten Anti-Drogen-Kriegs. Mit den von ihm initiierten Menschenjagden auf Kleindealer und Drogensüchtige in den Slums hat der Staatschef ein äußerst düsteres Kapital philippinischer Geschichte geschrieben. Tausende Menschen kamen durch brutale, oft willkürliche Polizeigewalt und durch vermummte Todesschwadronen ums Leben. Schon vor seiner Präsidentschaft, als Bürgermeister der Stadt Davao, soll Duterte eine ähnlich blutige Politik betrieben haben. Die Juristin de Lima versuchte damals, den Verbrechen auf die Spur zu kommen. 2017, nur wenige Monate nach der Wahl Dutertes zum Präsidenten, wurde sie verhaftet.
Die Anschuldigungen wogen schwer, die Beweise fehlten
Anfang der Woche hat ein Gericht die prominente Duterte-Kritikerin freigesprochen. Bereits zuvor waren weitere Verfahren gegen sie gescheitert, im November kam sie vorübergehend auf freien Fuß. Nun ist sie von allen Prozessen befreit, weil die Beweise fehlten für die schweren Anschuldigungen, die gegen sie unter Duterte erhoben worden waren: Sie soll in den Drogenhandel involviert gewesen sein, hieß es, doch war schon zu einem frühen Zeitpunkt offenkundig, dass es eine starke politische Motivation gab, de Lima kaltzustellen. Duterte wollte an ihr ein Exempel statuieren, zur Einschüchterung aller, die es wagen sollten, ihm nahezukommen.
Im Gespräch mit der News-Plattform Rappler zeigte sich de Lima erleichtert. Die Verfahren hingen all die Zeit „wie ein Damoklesschwert über mir“, sagte sie. Nun ist eine Last von ihr abgefallen: „Es ist ein herrlicher Augenblick, ein befreiendes Gefühl.“ Der deutsche Botschafter in Manila, Andreas Pfaffernoschke, sprach auf X von einem „Sieg für die Gerechtigkeit und die Rechtsstaatlichkeit“. Die Freiheit für de Lima dürfte symbolische Wirkung haben. Der Staat, regiert von Dutertes Nachfolger Ferdinand Marcos, will damit wohl auch signalisieren, dass er sich von den Abgründen der Präsidentschaft Duterte absetzt.
Aber wie entschlossen ist Marcos wirklich, dieses Erbe aufzuarbeiten? Noch ist das Land weit davon entfernt, die Verbrechen des Anti-Drogen-Kriegs juristisch umfassend zu ahnden und Drahtzieher zur Rechenschaft zu ziehen. Nur wenige der Tötungen werden strafrechtlich verfolgt – etwa die Fälle von Luis und Gabriel Bonifacio, die bei einer nächtlichen Polizeirazzia getötet wurden. Die Süddeutsche Zeitung hatte über den juristischen Kampf der Witwe und Mutter, Mary Ann Domingo, ausführlich berichtet. Vor wenigen Tagen hat das Gericht vier der verdächtigen Polizisten wegen Totschlags verurteilt, die Familie war allerdings mit dem Vorwurf des Mordes vor Gericht gezogen. Sie sagt, dass mehr als ein Dutzend Polizisten in jener Nacht involviert gewesen seien. Ihre Anwältin spricht deshalb nur von einem „partiellen Sieg“.
Präsident Marcos will Duterte nicht ausliefern
Wie die Tageszeitung Philippine Star berichtete, hofft Witwe Domingo darauf, dass weitere außergerichtliche Tötungen aufgearbeitet werden. Auch westliche Staaten haben das immer wieder gefordert. Allerdings stehen die Chancen dafür nicht gut. Denn Präsident Marcos scheint eher einen Schlussstrich unter das Kapitel ziehen zu wollen.
Während der Präsidentschaft Dutertes starben bei Polizeirazzien und den Angriffen der Todesschwadronen Tausende Kleindealer und Drogenabhängige in den Slums, es traf vor allem die unteren Schichten. Die Milliardengeschäfte der Kartelle und Großdealer blühten unterdessen weiter. Auf Initiative Dutertes verließen die Philippinen 2019 den Internationalen Strafgerichtshof ICC, damals wurden immer mehr Details über die nächtlichen Menschenjagden und tödlichen Razzien bekannt. Duterte hatte offenbar kalte Füße bekommen.
Im Frühjahr dieses Jahres bekräftigte sein Nachfolger Marcos, dass er Duterte nicht an den ICC ausliefern werde. Sollte es einen Haftbefehl geben, würde er ihn nicht anerkennen. Zwar hatte Präsident Marcos einmal zugesagt, er wolle prüfen, ob sein Land in den ICC zurückkehrt. Allerdings ließ er später erkennen, dass er der internationalen Justiz kaum eine Hilfe sein werde. Im Gegenteil: Die Zeitung Philippine Inquirer zitierte ihn im Januar mit dem Satz: „Die philippinische Regierung wird keinen Finger rühren, um bei Ermittlungen des ICC zu helfen.“
Marcos vertritt die Linie, dass philippinische Gerichte selbst in der Lage seien, Verbrechen zu ahnden, der ICC also nicht gebraucht würde. Auch sei die Drogenpolitik unter seiner Führung eine ganz andere geworden als früher, er konzentriere sich auf die Rehabilitation der Süchtigen. Doch inwieweit Marcos tatsächlich eine Wende vollzogen hat, bleibt umstritten. Die Organisation Human Rights Watch erklärte noch Anfang des Jahres, der blutige Anti-Drogen-Krieg habe immer noch kein Ende gefunden.