Philippinen:Autonomie für den Frieden

Lesezeit: 3 min

Eine wegweisende Abstimmung: Muslimische Frauen in Mindanao suchen ihre Namen auf der Wählerliste. (Foto: Noel Celis/AFP)

Islamistische Milizen und die philippinische Regierung haben sich jahrzehntelang auf der Insel Mindanao erbittert bekämpft. Mehr Selbstverwaltung soll nun der Gewalt ein Ende setzen.

Von Arne Perras, Singapur

Mohamad Ali hat lange auf diesen Moment hingearbeitet. "Unser Tag ist gekommen, ich bin glücklich", sagte der 74-Jährige am Montagmorgen dem Nachrichtenportal Rappler auf den Philippinen. Ali lebt im Westen der Insel Mindanao, mit der Boxlegende von der anderen Seite des Pazifiks hat der einstige muslimische Rebell nur den Namen gemein. Ali gehört zur Moro Islamic Liberation Front (Milf) und will nun seinen Frieden mit der verhassten Staatsmacht in Manila machen, wie so viele andere Ex-Rebellen auch.

Einst herrschten muslimische Sultanate über Teile der Insel, sie widersetzten sich schon den spanischen Eroberern, die ihre Gegner "Moros" nannten. Später wurden die muslimischen Gemeinden in den postkolonialen philippinischen Staat eingegliedert, der nun zu 80 Prozent von Katholiken bewohnt ist. Auf Mindanao hängt jeder Vierte dem islamischen Glauben an, die meisten der sechs Millionen Muslime leben ganz im Westen der Insel und ersehnen Eigenständigkeit.

Ex-Rebell Ali will an diesem Morgen nicht mehr für die Unabhängigkeit kämpfen, er will nur seine Stimme beim Referendum abgeben. Das gemäßigte Ziel lautet: Autonomie. Das Votum gilt als bedeutende Chance auf Frieden, nachdem die Gewalt die Region jahrzehntelang zerrüttet hat. Die Wähler waren aufgerufen, über ein Gesetz abzustimmen, das die muslimisch dominierten Gebiete in die "Autonome Region Bangsamoro" verwandeln soll.

Mehr als 100 000 Todesopfer hat der Konflikt zwischen Aufständischen und der Zentralmacht in Manila gefordert, die Gewalt hat viele Gesichter. Banditen, Kidnapper, Piraten, Terroristen, Separatisten, ein schwer beherrschbarer Mix aus Milizen hat sich auf Mindanao herausgebildet, und der Staat war trotz starker Militärpräsenz niemals fähig, die Lage zu beherrschen, am wenigsten in der Stadt Marawi, in der sich im Jahr 2017 einige Hundert Anhänger des "Islamischen Staates" (IS) monatelang verschanzten und die philippinischen Streitkräfte unter ihrem Oberkommandierenden, dem Präsidenten Rodrigo Duterte, an ihre Grenzen brachten.

Es gibt auch einheimische Kräfte, die den Friedenspakt mit großem Argwohn betrachten

Befürworter der Autonomie sind überzeugt, dass viele Missstände und die Korruption gemindert werden können, wenn sich die Region dauerhaft selbst verwaltet. Mindanao ist eine sehr ressourcenreiche Insel, weshalb es in den Konflikten auch immer darum geht, wer an den Bodenschätzen mitverdient. Nach Schätzungen verfügt der Süden der Philippinen über Erzlager im Wert von mehr als 300 Milliarden Dollar, die nun nach und nach ausgebeutet werden sollen.

Das Ergebnis des Referendums wird in einigen Tagen erwartet, Analysten rechnen mit einer breiten Zustimmung zum sogenannten Bangsamoro Organic Law, das die Basis für die autonome Zone bilden soll. Allerdings gibt es auch einheimische Kräfte, die den Friedenspakt mit großem Argwohn betrachten oder versuchen, ihn zu untergraben. Zu den Splittergruppen, die sich einem Frieden verweigern, gehören islamistische Extremisten, zum Beispiel Kämpfer der Abu Sayyaf, die berüchtigt sind für Geiselnahmen und Lösegelderpressungen. Manche Milizen haben sich längst dem "Islamischen Staat" angeschlossen, der keinen Frieden gebrauchen kann, weil damit die Chancen auf einen dauerhaften Brückenkopf der Terroristen in Südostasien schwinden.

Diese Kräfte werden den Friedensplan für Mindanao torpedieren, der auch einen Schutz von Minderheiten vorsieht, Christen sollen in eine künftige autonome Regionalregierung eingebunden werden. Obgleich die große Mehrheit der Philippiner katholisch ist, bilden Christen in jenen Gebieten, die Autonomie anstreben, eine Minderheit unter den ansässigen Muslimen. Als islamistische Extremisten die Stadt Marawi in ihre Gewalt brachten, verfolgten deren Kämpfer die christlichen Bewohner. Manche überlebten nur deshalb, weil muslimische Nachbarn sie vor den fanatischen Verfolgern versteckten.

Obgleich die traditionellen Führer der Milf als gemäßigte Muslime auftreten, gibt es Sorgen in den Ländern Südostasiens, dass extremistische Strömungen weiter an Einfluss gewinnen und Mindanao als Stützpunkt nutzen, um Terroranschläge jenseits der Grenzen vorzubereiten. Die Milf argumentiert allerdings, dass eine Autonomie das beste Mittel sei, um extremistischen Zirkeln den Nährboden zu entziehen.

Falls die knapp drei Millionen Wähler das Gesetz per Referendum billigen sollten, wird die Regierung der Autonomen Region Bangsamoro auch eine bessere Kontrolle über ihre Bodenschätze haben. Nur noch ein Viertel der Steuereinnahmen soll dann künftig an die Zentralmacht fließen, drei Viertel bleiben den Bürgern im Westen Mindanaos - wenn der Plan aufgeht.

© SZ vom 22.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: