Süddeutsche Zeitung

Philipp Amthor:Empfindliche Grauzone

Laut Bundestagsverwaltung hat der CDU-Abgeordnete mit seinem Einsatz für ein US-Start-up keine Regeln gebrochen. Doch ein Makel bleibt - weil die Regeln lax sind.

Von Robert Roßmann, Berlin

Dass dieser Freispruch kein Anlass zum Triumphieren ist, weiß auch Philipp Amthor. Der CDU-Bundestagsabgeordnete war wegen seines Einsatzes für das New Yorker Start-up Augustus Intelligence heftig in die Kritik geraten. Im Juni hatte er deshalb seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz in Mecklenburg-Vorpommern zurückziehen müssen. Amthors Wahl galt bis dahin als sicher, er wäre der jüngste Landesvorsitzende seiner Partei in ganz Deutschland geworden und hätte vermutlich bei der nächsten Landtagswahl Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) herausgefordert. Jetzt hat die Bundestagsverwaltung ihre Prüfung des Falls Amthor abgeschlossen. "Auf Grundlage der geltenden Bestimmungen haben sich keine Hinweise auf Rechtsverstöße ergeben", sagte die Sprecherin des Parlaments am Donnerstag.

Doch in dem Fall ging es weniger um die Frage, was rechtlich zulässig ist, sondern vielmehr darum, was für einen Abgeordneten opportun ist. Das ist inzwischen auch Amthor klar. In der schriftlichen Erklärung des 27-Jährigen zum Abschluss der Prüfung heißt es, "jenseits des Juristischen" gelte auch: "Nicht alles, was rechtlich möglich ist, ist auch politisch klug. Dass mir das nicht früher bewusster war, bedauere ich sehr."

Die Unionsfraktion kann ein verbindliches Lobbyregister nicht länger abwehren

Über die Details der Prüfung will die Bundestagsverwaltung nicht sprechen. Und Amthors Erklärung dazu besteht nur aus drei allgemeinen Sätzen: "Meine beendeten Nebentätigkeiten habe ich einschließlich aller Reisen mit der Bundestagsverwaltung als zuständiger Stelle erörtert", schreibt der Abgeordnete. Die Verwaltung habe "den Sachverhalt umfangreich geprüft und mir im Ergebnis mitgeteilt, dass sich auf der Grundlage der geltenden Bestimmungen keine Rechtsverstöße ergeben haben. Das Prüfverfahren wurde eingestellt."

Amthor war "Board Member" bei Augustus Intelligence. Er hat von dem Start-up mindestens 2817 Aktienoptionen erhalten und das nicht publik gemacht. Außerdem hat er Reisen zu Treffen mit Vertretern von Augustus Intelligence in New York und St. Moritz unternommen, dabei hat er auch Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen getroffen. Bisher hat Amthor noch nicht öffentlich kundgetan, wer die Reisen bezahlt hat. Im Jahr 2018 lobte er in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Augustus Intelligence und bat den Minister um politische Unterstützung für das Unternehmen. Kurz darauf traf sich einer von Altmaiers Staatssekretären, ebenfalls ein Christdemokrat, zweimal mit Vertretern der Firma.

Amthor hat wegen der Kritik an alldem die Aktienoptionen zurückgegeben und seine Funktion als "Board Member" bei Augustus Intelligence niedergelegt. Er sitzt auch nicht mehr im Amri-Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz. Amthor war stellvertretendes Mitglied des Ausschusses, Maaßen soll in dem Gremium befragt werden. Die Opposition hatte wegen Amthors Treffen mit Maaßen den Rückzug des CDU-Abgeordneten aus dem Ausschuss verlangt.

Dass Amthor nach Ansicht der Parlamentsverwaltung nicht gegen die Verhaltensregeln für Bundestagsabgeordnete verstoßen hat, zeigt, dass diese Regeln relativ lax sind. Das belegt schon ein Blick auf die Aktienoptionen. Der Wert von Aktienoptionen eines Unternehmens steigt mit dem Erfolg des Unternehmens. Wer sich für ein Unternehmen einsetzt, von dem er Aktienoptionen erhalten hat, hilft sich also auch selbst. Doch in den Verhaltensregeln des Bundestags gilt das Zuflussprinzip. Das heißt, dass Abgeordnete den Besitz von Aktienoptionen erst dann transparent machen müssen, wenn sie die Optionen mit Gewinn verkauft und damit auch einen Geldzufluss haben.

Zu der Frage, warum Amthor mit seinem Brief an Altmaier nicht gegen die Verhaltensregeln verstoßen hat, wollten am Donnerstag weder die Bundestagsverwaltung noch Amthor Stellung nehmen. Es hieß jedoch, das liege daran, dass Amthor erst im Mai 2019 "Board Member" bei Augustus Intelligence geworden sei, er den Brief an Altmaier aber bereits 2018 geschrieben habe. Amthor wollte am Donnerstag auch auf Nachfrage dazu nicht Stellung nehmen.

Wegen des Falls Amthor wird im Bundestag inzwischen diskutiert, ob die Verhaltensregeln für Abgeordnete verschärft und zum Beispiel auch Aktienoptionen anzeigepflichtig werden sollten. Außerdem war nach dem Bekanntwerden von Amthors Verhalten der Druck auf die Unionsfraktion derart groß geworden, dass sie ihren jahrelangen Widerstand gegen ein verbindliches Lobbyregister aufgegeben hat - die SPD hatte ein derartiges Register schon lange gefordert. Es soll jetzt im Herbst tatsächlich eingeführt werden.

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SZ vom 07.08.2020
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