Süddeutsche Zeitung

Pflegeversicherung:Fahnder gesucht

Ermittlerteams, eine Spezial-Staatsanwaltschaft, digitale Dokumentation von Leistungen - Experten fordern Maßnahmen gegen Abrechnungsbetrug.

Von Kim Björn Becker, München

Nach den jüngsten Berichten über das Ausmaß des Abrechnungsbetrugs in der Pflege durch russische Pflegedienste wird der Ruf nach weiteren Konsequenzen laut. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Karl Lauterbach, sagte der Süddeutschen Zeitung, es gebe noch immer zu wenige "spezialisierte Ermittlerteams" in der Justiz, um den systematischen Betrug aufzuklären. Der Gesundheitsexperte Lauterbach forderte, dass eine Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft eingerichtet wird, die sich vor allem mit Delikten im Zusammenhang mit der gesetzlichen Pflegeversicherung kümmert. Der vor gut einem Jahr erstmals bekannt gewordene Betrug trage "Kennzeichen der organisierten Kriminalität", sagte Lauterbach.

Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Elisabeth Scharfenberg, sagte, es müsse "noch mehr passieren, um Sozialbetrug konsequent zu entdecken und zu verhindern". So müssten Aufsichtsbehörden, Pflegekassen, Strafverfolger und Sozialhilfeträger besser als bislang zusammenarbeiten. Zudem solle die Branche "zur digitalen Dokumentation verpflichtet werden", sagte Scharfenberg der SZ. "Nur mit Quittungen können Pflegebedürftige die abgerechneten Leistungen nachvollziehen."

Am Montag wurden Details aus dem Abschlussbericht "Curafair" des Landeskriminalamts in Nordrhein-Westfalen bekannt; die SZ hatte darüber berichtet. Dem Bericht zufolge haben die Ermittler bundesweit 230 Pflegedienste ausgemacht, die sich vorwiegend um russischsprachige Pflegebedürftige kümmern und Personal mit einem entsprechenden Migrationshintergrund einsetzen. Diese sollen - teils unter Mitwirkung von Ärzten und vermeintlich Hilfebedürftigen - Leistungen mit den Pflegekassen abgerechnet haben, die nie erbracht wurden. Dazu sollen Pflegedokumentationen manipuliert worden sein. In dem Bericht ist sogar die Rede davon, dass alte Menschen gezielt dafür angeworben worden seien, gegen eine Geldzahlung eine Pflegebedürftigkeit vorzutäuschen.

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Quelle:
SZ vom 31.05.2017
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