Pflegereform:Altersgerecht duschen

Bürgerdialog 'Gut leben in Deutschland - Was uns wichtig ist'

"Die Reform nutzt allen", sagt Gesundheitsminister Hermann Gröhe.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Alle Bedürftigen seien gleichberechtigt, alle bekämen schnelle Hilfe: Gesundheitsminister Gröhe verteidigt seine Pflegereform gegen Kritik.

Von Kim Björn Becker, Berlin

Nachdem das Bundeskabinett am Mittwoch den von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorgelegten Gesetzentwurf für die zweite Stufe der Pflegereform beschlossen hatte, äußerten sich Vertreter der Opposition verhalten bis kritisch zu den Plänen. Die Bundesregierung will bis 2017 ein neues Begutachtungsverfahren einführen und die Zahl der Pflegestufen von drei auf fünf erhöhen.

Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Elisabeth Scharfenberg, nannte die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs "überfällig". Mehr Geld bedeute aber nicht automatisch bessere Qualität, gab Scharfenberg zu bedenken. "Ob die zusätzlichen Mittel wirklich in Form besserer Leistungen bei den Pflegebedürftigen ankommen, wird sehr genau zu prüfen sein."

Pia Zimmermann (Die Linke) ging mit ihrer Kritik noch etwas weiter, sie attestierte dem Gesetzentwurf "eklatante Gerechtigkeitslücken". Zwar gehe es "in die richtige Richtung", dass Demenzkranke in Zukunft durch ein verändertes Begutachtungsverfahren bessergestellt werden sollen. Ein "echter Paradigmenwechsel in der Pflege" müsse aber mehr beinhalten als eine Ausweitung der Leistungsbezieher, so Zimmermann. Vor allem wendet sich die Sozialpolitikerin dagegen, dass die Pflegeversicherung in Deutschland nach wie vor nur einen Teil der Kosten für die Versorgung im Heim und durch ambulante Dienste trägt, aber nicht alle. Das sogenannte Teilleistungsprinzip "scheint in Stein gemeißelt zu sein. Damit bleibt Pflege weiterhin abhängig vom Geldbeutel und oft notgedrungen eine Familienangelegenheit". Zugleich forciere die Koalition durch den Gesetzentwurf "die Ausbreitung von prekären Arbeitsverhältnissen und Niedriglöhnen in der Pflege".

Gröhe warb nach der Sitzung des Bundeskabinetts für seinen Entwurf. Die Reform "nutzt allen", sagte er. "Alle Pflegebedürftigen erhalten damit gleichberechtigt Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung. Und wir beginnen mit der Unterstützung deutlich früher, zum Beispiel, wenn eine Dusche altersgerecht umgebaut werden muss oder Hilfe im Haushalt benötigt wird." Etwa eine halbe Million Menschen werde nach dem Inkrafttreten der Reform mittelfristig erstmals zum Kreis derer gehören, die Leistungen der Pflegeversicherung erhalten können. "Außerdem entlasten wir pflegende Angehörige und sorgen dafür, dass sie in der Renten- und Arbeitslosenversicherung besser abgesichert sind", so Gröhe. Die Kosten der Reform - von 2017 an wird sie jedes Jahr voraussichtlich fünf Milliarden Euro kosten - wird in weiten Teilen über eine Erhöhung der Beitragssätze finanziert. "Die finanzielle Situation der Pflegeversicherung macht es möglich, die Beitragssätze bis in das Jahr 2022 stabil zu halten. Das sind zwei Jahre mehr als bislang angenommen", sagte Gröhe.

Der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte diesen Zeitraum als zu niedrig. "Schon in sieben Jahren geht das Geld aus", sagte er. Gleichzeitig rügte Brysch, dass mit der Reform nicht genug getan werde. "Weder gibt es mehr Personal für die pflegebedürftigen Menschen, noch ist die Zukunftssicherheit garantiert." Andere Verbände äußerten sich positiv über den Entwurf des Pflegestärkungsgesetzes II. Der Sozialverband VdK zum Beispiel sieht darin deutliche Fortschritte, da Demenzkranke nun "endlich bessergestellt" würden, sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher. Ihr Verband fordere dies schon lange. "Vor allem der mit fünf statt drei Pflegestufen differenziertere Pflegebegriff wird eine besser auf den einzelnen Menschen und seine Bedürfnisse angepasste Versorgung mit sich bringen", sagte Winfried Hardinghaus, Vorsitzender des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands (DHPV).

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