Pflege:Warme Worte werden nicht ausreichen

Zwei ältere Frauen 78 Jahre und 88 Jahre und Pflegeschwester 31 Freizeitbeschäftigung im Altersh

Ausreichen werden warme Worte und ein gesteigertes politisches Interesse an der Situation von Pflegekräften nicht.

(Foto: Imago)

Wie hart nach wie vor gerungen wird, sobald es ums Geld geht, zeigt das wenig schmeichelhafte Hin und Her beim geplanten Pflegebonus. Die Kosten der Pflege werden aber in der Zukunft auch ohne Corona steigen.

Kommentar von Henrike Roßbach

Weil die Welt derzeit ist, wie das Coronavirus sie gemacht hat, stand der Welttag der Pflege am Dienstag ähnlich schräg im Kalender wie der Tag der Kinderbetreuung einen Tag zuvor. Beides sind Arbeitsgebiete im Ausnahmezustand; streng genommen zwar ohnehin und immer, gegenwärtig aber mehr denn je.

Nun kann man natürlich sagen, so ein Tag der Pflege sei doch nur ein weiterer Tag des Irgendwas, wie der Tag der verlorenen Socke oder der Tag des deutschen Butterbrotes. Das aber wäre ein bisschen wie Versteckenspielen mit Kleinkindern, die sagen "Such mich" und sich die Augen zuhalten. Vom Nichthingucken verschwindet kein Problem.

Dass hingeguckt wird, wollen auch jene, die am Dienstag demonstriert haben für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen in der Alten- und Krankenpflege. An freundlichen Worten für sie herrscht gerade kein Mangel. Der Papst betet für Krankenschwestern und Pfleger, der Street-Art-Künstler Banksy widmet ihnen ein Kunstwerk, es wird weltweit geklatscht, und der Bundespräsident lobt ihre Arbeit als gelebte Solidarität.

Diese Aufmerksamkeit ist richtig und wichtig, und man sollte den neuen Platz der Pflege im Rampenlicht auch nicht gering schätzen: Es besteht durchaus Anlass zur Hoffnung, dass die neue Wertschätzung genug Strahlkraft hat, um auch nach der Krise Wirkung zu zeigen. Denn schon vor Corona hatte die Politik zumindest begonnen, den ein oder anderen Hebel in Sachen Pflege umzulegen.

Die Großbaustelle der Pflegegehälter

Klar ist aber: Ausreichen werden warme Worte und ein gesteigertes politisches Interesse nicht. Wie hart nach wie vor gerungen wird, sobald es ums Geld geht, zeigt das wenig schmeichelhafte Hin und Her beim geplanten Pflegebonus von bis zu 1500 Euro. Zwei Drittel übernehmen nun die Pflegekassen, ein Drittel sollen Länder und Arbeitgeber zuschießen.

Aber: Werden sie das überall tun? Und: Wer füllt die finanziellen Lücken bei der Pflegeversicherung, die sich durch die Krise im Allgemeinen und den Bonus im Besonderen auftun? Die Beitragszahler, also die sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber? Die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen durch höhere Eigenanteile? Oder, wie es eigentlich geboten wäre, die Steuerzahler, weil diese Krise eine nationale Aufgabe ist?

Und dann ist da noch die Großbaustelle der Pflegegehälter. Der Mindestlohn wurde gerade angehoben, erstmals gibt es in der Altenpflege nun unterschiedliche Lohnuntergrenzen je nach Ausbildung und Erfahrung. Einen Tarifvertrag aber, der vom Arbeitsminister für allgemein verbindlich erklärt werden könnte, gibt es immer noch nicht. Dafür steht die Abwehrmauer der privaten Pflegeheimbetreiber weiterhin wie eine Eins.

Die Kosten der Pflege werden in der Zukunft auch ohne Corona steigen, dafür sorgen alleine schon die Alterung der Gesellschaft und der medizinische Fortschritt. Das System, wie es jetzt ist, krankt daran, dass die Refinanzierung dieser Kosten für die Heimbetreiber oft schwierig ist, weil auch die Belastung der Betroffenen und der Beitragszahler nicht über Gebühr steigen soll. Höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen müssten deshalb von Strukturreformen begleitet werden. Sonst wirkt es künftig nicht mehr nur wie ein skurriler Zufall, dass am Tag der Pflege auch der Tag des chronischen Erschöpfungssyndroms ist.

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