Pflege:Ganz schön blauäugig

Das Gesundheitssystem hat den dreisten Betrug erst möglich gemacht.

Von Kim Björn Becker

Das Vertrauen vieler Menschen ins deutsche Sozialsystem ist vielleicht nicht zerstört worden, doch es ist angeschlagen. Es sind eben nicht nur einige wenige Pflegedienste, die im Verdacht stehen, die Kassen um eine Milliarde Euro betrogen zu haben. Ganze 230 ambulante Dienste sollen sich auf Kosten der Gemeinschaft bereichert haben, wie ein neuer Ermittlungsbericht zeigt. Noch dazu wurden offenbar Methoden angewandt, die an Perfidie nicht zu überbieten sind - eigens Senioren aus Osteuropa einzufliegen, damit sie sich hier als Hilfsbedürftige ausgeben, ist schlicht schamlos.

Dabei konnten die mutmaßlichen Betrüger aus Osteuropa und Russland lange genug auf die Blauäugigkeit der Manager im Gesundheitssystem setzen. Gewiss, mit so viel krimineller Energie muss man erst einmal rechnen. Doch nun haben die Kassen ihre Lektion hoffentlich gelernt und schauen umso genauer hin.

Die Integrität der Pflege wiederherzustellen, ist keine leichte Aufgabe. Zum einen müssen die Täter nun zügig zur Verantwortung gezogen werden - sich auf Kosten der Schwächsten zu bereichern, sollte drastische Konsequenzen haben. Zum anderen zeigt der krude Fall, dass das System viel zu intransparent ist. Da werden Pflegedokumentationen noch immer von Hand ausgefüllt - lägen sie hingegen in elektronischer Form vor, wie viele es fordern, dann könnten betrügerische Muster sehr viel leichter erkannt werden.

© SZ vom 31.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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