Süddeutsche Zeitung

Petraeus gestürzt, Ermittlungen gegen Allen:Anatomie einer Affäre

Es ist ein Skandal, dessen Folgen Amerikas Sicherheitsbehörden noch lange beschäftigen werden. Nach dem zurückgetretenen CIA-Chef Petraeus gerät nun auch Afghanistan-Kommandeur John R. Allen in den Sog der Affäre um geheime E-Mails, Eifersucht und verräterische Fotos. Wie eine geheime Liebschaft eine Kettenreaktion auslöste.

Johannes Kuhn

Immer neue, verwirrende Einzelheiten tauchen zum Fall Petraeus auf. Die Abdankung des Volkshelden, die andauernden FBI-Ermittlungen und nun auch die Verstrickung von Isaf-General John R. Allen ziehen die Amerikaner in den Bann.

Doch die Vorgänge bieten nicht nur Stoff, der als Vorlage für Fernseh- und Kinofilme taugt. Sie dürften auch eine breite Debatte in den USA auslösen, welchen moralischen Ansprüchen die Führung von Militär und Geheimdiensten genügen muss. Schließlich wurden weder Petraeus noch Allen strafbare Handlungen nachgesagt oder nachgewiesen.

Wie konnte es so weit kommen, dass nicht nur der einstige Muster-General über eine Affäre stürzt, sondern darüber womöglich ein ganzes System in eine Krise gerät? Süddeutsche.de stellt die Protagonisten vor und fasst die Chronologie der Ereignisse zusammen.

Die Personen:

David Petraeus: Ehemaliger Befehlshaber der US-Streitkräfte im Irak und in Afghanistan, Vier-Sterne-General (US Army), Ko-Autor einer dort praktizierten Strategie für Aufstandsbekämpfung, CIA-Chef ab September 2011. Verheiratet.

Paula Broadwell: Autorin, Harvard-Absolventin, Anti-Terror-Expertin und ehemalige Soldatin. Petraeus-Biografin und zwischenzeitliche Geliebte. Verheiratet, zwei Kinder.

Jill Kelley: Ehrenamtliche Verbindungsperson auf der MacDill Air Force Base in Tampa, Florida, wo sich auch das Hauptquartier von USCENTCOM befindet; nach eigenen Angaben platonische Freundin Petraeus'. Verheiratet, drei Kinder.

Ein FBI-Agent (Name bislang nicht genannt): Bekannter von Jill Kelley.

Eric Cantor: Republikanischer Mehrheitsführer (House Majority Leader) im Repräsentantenhaus.

John R. Allen: Vier-Sterne-General (US Marine Corps) und Kommandeur der Isaf-Truppen in Afghanistan. Führte bereits im Irak als Nachfolger von Petraeus die US-Truppen.

Die Ereignisse

[] Frühjahr 2006 Petraeus hält eine Rede an der Kennedy School of Government in Harvard, einer Graduiertenschule. Dort lernt er die Master-Studentin Paula Broadwell kennen, die sich mit Aspekten der Militärpolitik beschäftigt. Er sagt ihr zu, ihr Kontakte zu Forschern mit ähnlichen Schwerpunktgebieten zu vermitteln.

[] 2008 Broadwell beschließt, ihre Doktorarbeit über Petraeus' Führungsstil zu schreiben, der gerade als Beispiel für moderne Militärführung gilt. Die Interviews hierfür finden in der Regel per E-Mail statt, bei einer Gelegenheit sprechen sie aber auch während eines gemeinsamen Jogginglaufs in Washington.

[] 2010 Petraeus wird Oberkommandierender der US-Streitkräfte in Afghanistan. Broadwell, die inzwischen in North Carolina lebt, beschließt, das bereits vorhandene Material zu einer Biografie auszubauen. Sie reist mehrere Male nach Afghanistan, um mit Petraeus und seinen Untergebenen zu sprechen."Ich weiß nicht, ob er mich ernst nahm, aber ich tauchte in Afghanistan auf", erzählt sie später.

[] Herbst 2011 Petraeus wird Chef des Auslandsgeheimdienstes CIA und zieht nach Washington. Kurz nach seiner Rückkehr soll Medienberichten zufolge die Affäre zwischen ihm und Broadwell begonnen haben.

[] Januar 2012 Broadwells Petraeus-Biografie "All In: The Education of General David Petraeus" erscheint. Dort heißt es in der Einleitung: "Seine Kritiker werfen ihm seinen Ehrgeiz und Selbstdarstellung vor. Auf den folgenden Seiten werde ich zeigen, dass er zielstrebig ist, ein Getriebener. Aber seine Energie, sein Optimismus und Siegeswille werden im Vergleich zu den Eigenschaften, die seine Kritiker bemängeln, für mich immer hervorstechen."

[] Mai 2012: Die Petraeus-Bekannte Jill Kelley erhält erste anonyme E-Mails. In diesen wird ihr unter anderem vorgeworfen, den damaligen CIA-Chef unsittlich unter dem Tisch berührt zu haben. Kelley lernte Petraeus während dessen Zeit beim Zentralkommando (CENTCOM) in Florida zwischen 2008 und 2010 kennen, ihr Bruder spricht später von einer platonischen Freundschaft der beiden. Kelley fühlt sich von den Aussagen in der E-Mail bedroht und verständigt einen Bekannten, der FBI-Agent ist.

[] Sommer 2012 Broadwell und Petraeus beenden ihre Affäre, wie die New York Times später unter Berufung auf Freunde des damaligen CIA-Chefs berichtet. Das FBI findet heraus, dass die anonymen E-Mails an Kelley von Paula Broadwell stammen. Der von Kelley eingeschaltete FBI-Agent muss sich inzwischen von den Ermittlungen fernhalten - seine Vorgesetzten fürchten, er sei "besessen" von dem Fall, enthüllt später das Wall Street Journal. Zudem ist offenbar eine weitere romantische Komponente im Spiel: Der Mann soll vor der Cybermobbing-Affäre Oben-ohne-Bilder von sich an Kelley geschickt haben.

[] 11. September 2012: Bei einem Anschlag auf das US-Konsulat in Bengasi kommt der amerikanische Botschafter ums Leben. In den kommenden Wochen werden die Sicherheitsvorkehrungen, aber auch die Rolle des Auslandsgeheimdienstes CIA kritisch hinterfragt. Die Behörde steht unter Druck.

[] Um den 21. Oktober 2012: FBI-Agenten sprechen mit Broadwell, die den Beamten Zugriff auf ihren Computer gewährt. Dort finden sich auch die Mails von CIA-Chef Petraeus. Beide hatten Nachrichten über den Entwürfe-Ordner eines gemeinsamen E-Mail-Kontos ausgetauscht, um keine Kommunikationsspuren zu hinterlassen. Auf dem Rechner finden sich auch einige Geheimdokumente, die aber nicht von Petraeus stammen sollen.

[] Um den 28. Oktober 2012: Das FBI spricht mit Petraeus und kommt zu dem Schluss, dass dieser offenbar keinen Geheimnisverrat begangen hat. Zu diesem Zeitpunkt weiß aber bereits Eric Cantor, republikanischer Mehrheitsführer im Kongress, von der Angelegenheit: Der FBI-Agent aus Kelleys Umfeld hatte sich an ihn gewandt. Offenbar fürchtete er, die Behörde würde die Angelegenheit vertuschen. Cantor benachrichtigt wiederum FBI-Chef Robert Mueller, "um auf die möglichen Risiken für die nationale Sicherheit hinzuweisen".

[] 6. November 2012: Am Tag der Wiederwahl Obamas berichtet das FBI dem Nationalen Geheimdienstdirektor James Clapper von der Affäre des CIA-Chefs. Nach mehreren Gesprächen zwischen Clapper und Petraeus in den folgenden 24 Stunden empfiehlt der Direktor dem CIA-Mann den Rücktritt und informiert den Präsidenten.

[] 8./9. November 2012: Petraeus spricht mit Obama und bietet seinen Rücktritt an. Dieser lehnt zunächst ab, stimmt dann nach einer Nacht Bedenkzeit jedoch zu. Am frühen Freitagabend bestätigen CIA und Weißes Haus den Rückzug des ehemaligen Vorzeige-Generals.

[] 10./11. November 2012: Amerikanische Medien bringen erste Details der Affäre ans Licht.

[] 12. November 2012: FBI-Beamte durchsuchen Paula Broadwells Haus.

[] 13. November 2012: Das Pentagon ermittelt nun auch gegen den amerikanischen Afghanistan-General John R. Allen. Das FBI soll zwischen 20.000 und 30.000 Dokumente entdeckt haben, die meisten davon E-Mails, die "möglicherweise unangemessene" Kommunikation mit einer Frau nahelegen. Bei ihr handelt es sich um niemand anderen als um Jill Kelley - die Person also, die mit ihrem Hinweis an das FBI den Stein ins Rollen brachte. Kelley und Allen sollen sich aus dessen Zeit bei CENTCOM in Florida kennen. Sowohl Petraeus, als auch Allen unterstützten Kelleys Schwester in einem Sorgerechtsverfahren.

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