Annalena Baerbock will trotz der „unnormalen Zeiten“ nicht zu pessimistisch sein. Auf dem Petersberger Klimadialog in Berlin, einem wichtigen Treffpunkt der internationalen Klimapolitik, wurde nun zwei Tage lang auch darüber gesprochen, wie es weitergehen soll ohne die USA. Die Regierung von Donald Trump ist aus dem Pariser Abkommen ausgetreten und will künftig den Kampf gegen die Erderwärmung offenbar weitgehend ignorieren. Das könne für den Rest auch eine Chance sein, alte Gräben zu überwinden, neue Lösungen zu finden, sagte die Grünen-Politikerin Baerbock, die bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung geschäftsführende Außenministerin ist.
Der Petersberger Dialog wurde einst von Angela Merkel gegründet, nachdem 2009 in Kopenhagen die Weltklimakonferenz gescheitert war. Er soll eine Brücke schlagen zur jeweils nächsten Konferenz. Angesichts der geopolitischen Turbulenzen fungierte der Dialog diesmal auch als Selbstvergewisserung: Es gibt sie noch, jene Entscheider, die den Klimawandel aufhalten wollen.
Die jüngste Verschärfung der Erderwärmung macht Wissenschaftlern Sorgen
Diplomaten und Minister aus 40 Ländern kamen nach Berlin, sie repräsentierten über verschiedene Verhandlungsgruppen im Klimaprozess etwa 190 Staaten. „Es herrschte insgesamt eine sehr gute Stimmung“, berichtet Christoph Bals, Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch, der als Beobachter teilnahm. Es seien neue Wege gesucht worden, aufeinander zuzugehen und Handlungsfähigkeit auch ohne die USA herzustellen. Einige Teilnehmer hätten das Wort „Togetherness“ verwendet, eine englische Wortschöpfung, die Zusammenhalt bekunden soll, sagte Bals. Die Delegation Brasiliens, Gastgeber der Weltklimakonferenz im November, wählte als Motto das Wort „Mutirão“, ein Ausdruck für eine gemeinschaftliche Anstrengung, um ein großes Ziel zu erreichen.
Wie gewaltig diese Aufgabe ist, verdeutlichte Johan Rockström, Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Er schilderte, wie sehr sich die Erwärmung der Erde beschleunigt hat, im vergangenen Jahr überschritt der Temperaturanstieg erstmals die Grenze von 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Laut dem Pariser Abkommen von 2015 sollte dieser Anstieg eigentlich die Obergrenze sein. Doch die weltweiten Treibhausgasemissionen vor allem durch Nutzung von Kohle, Öl und Gas stiegen zuletzt sogar weiter an. Auch die Ozeane erlebten eine ungewöhnliche Hitzewelle.
Olaf Scholz richtet deutliche Kritik an die USA
Diese Verschärfung könne sich die Wissenschaft bislang kaum erklären, sagte Rockström, „es stellt sich die Frage, ob der Planet an Widerstandsfähigkeit verliert“. Bislang nahmen Ozeane und Böden viel Kohlendioxid und Methan auf und verhinderten einen stärkeren Anstieg der Lufttemperatur. Sollte sich das nun ändern, müsse sich die Menschheit noch schneller von fossilen Brennstoffen verabschieden, so Rockström.
Laut Vorabergebnissen einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) behindere mehr Klimaschutz das Wachstum nicht, sondern bringe bereits auf kurze Sicht wirtschaftliche Vorteile. Langfristig würde dieser Effekt noch stärker, schreiben die Autoren, insbesondere wenn man die dadurch vermiedenen Schäden als Folge des Temperaturanstiegs einberechne.
Bei allen Mutmachern, die bei diesem Klimadialog zu Wort kamen, konnten die Politiker die Welt aber nicht ganz aussperren. Noch vor der nächsten Klimakonferenz stellen sich ihnen einige Herausforderungen: Bis September sollen alle Länder neue Ziele für die Reduktion von Treibhausgasen bei den UN einreichen. Auch in der EU ist nun eine Debatte darüber entbrannt, ob die Mitgliedsstaaten bis 2040 wie bislang geplant 90 Prozent im Vergleich zu 1990 einsparen wollen.
Die Frage, die sich nach diesem Treffen stellt, ist aber diese: Wie reagiert man auf die Wucht, mit der die US-Regierung nun die Klimapolitik bekämpft? Öffentlich äußerte sich dazu in Berlin niemand, hieß es von Beobachtern. Hinter vorgehaltener Hand aber hätten manche Teilnehmer auch Unsicherheiten geäußert, ob jene Unternehmen oder Organisationen, die stark von den USA abhängig sind, diesem Druck standhalten. Deutlicher wurde nur der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz: „Durch Bestreiten und Ignorieren der Fakten verschwinden weder die Folgen des Klimawandels noch die Verantwortung der USA als historisch größter Emittent von Treibhausgasen.“