Peter Ramsauer:"Wer Globalisierung will, braucht Verkehrswege"

Peter Ramsauer über den nötigen Ausbau des Schienennetzes und die Chancen einer Pkw-Maut.

M. Bauchmüller und C. Hulverscheidt

Deutschland braucht neue Schienentrassen, findet Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Nur so ließen sich die riesigen Gütermengen transportieren, die in den nächsten Jahrzehnten auf das Land zurollen. Doch Bauvorhaben stießen zu oft auf Widerstände, klagt der Minister.

Peter Ramsauer: Verkehrsminister Peter Ramsauer bei der Arbeit: Der CSU-Politiker posiert in der Nähe von  Breitenworbis kurz vor der feierlichen Freigabe der A38 vor dem Höllbergtunnel.

Verkehrsminister Peter Ramsauer bei der Arbeit: Der CSU-Politiker posiert in der Nähe von Breitenworbis kurz vor der feierlichen Freigabe der A38 vor dem Höllbergtunnel.

(Foto: Foto: ddp)

SZ: Herr Ramsauer, wie kommen Sie in den Weihnachtsurlaub?

Ramsauer: Auf dem schnellsten Wege hoffentlich - per Flugzeug, und zwar nach Hause.

SZ: Viel Spaß. Es gab ja in den vergangenen Tagen einiges Chaos auf den Flughäfen. Da hilft es auch nicht, wenn man Verkehrsminister ist, oder?

Ramsauer: Nein, ich habe das diese Woche erlebt, als ich von Bayern nach Hamburg musste. Bei mir daheim war der Weg zum Salzburger Flughafen wegen des Schnees fast unpassierbar, und Hamburg schien eher auf eine Springflut vorbereitet zu sein als auf den Winter.

SZ: Und die Bahn zieht jetzt eben mal jeden zweiten Zug zwischen Berlin und München aus dem Verkehr.

Ramsauer: Das ist für Tausende Reisende mehr als ärgerlich, gerade in der Weihnachtszeit. Ich hoffe, dass die Bahn die technischen Probleme schnellstmöglich in den Griff bekommt. Für die Herstellerfirmen des ICE ist dieses technische Versagen blamabel.

SZ: Geht es in Deutschland bald auch im Sommer so chaotisch zu? Schließlich soll allein das Güterverkehrsaufkommen bis 2050 um 50 Prozent steigen.

Ramsauer: Das Aufkommen wird gewaltig zunehmen. Und richtig ist auch, dass unser Straßennetz diesen Zuwachs nicht wird verkraften können. Wir müssen ihn deshalb möglichst vollständig auf die Schiene bringen. Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Das heißt nämlich, dass wir unser Schienennetz effizienter nutzen und massiv ausbauen müssen. Zudem brauchen wir völlig neue Strecken.

SZ: Die Grünen werden Sie noch zum Ehrenmitglied ernennen.

Ramsauer: Das glauben Sie! Es schreien zwar alle nach mehr Schiene. Wenn es aber konkret wird, gibt es vor Ort genau die gleichen intensiven Widerstände wie beim Bau einer Autobahn oder eines Kraftwerks. Dieses Akzeptanzproblem wird uns langfristig mehr Schwierigkeiten bereiten als alle Finanznöte.

SZ: Wie gehen Sie damit um: Wollen Sie weniger Mitspracherechte für Bürger, um Projekte zu beschleunigen?

Ramsauer: Im Gegenteil. Wir müssen aus Betroffenen Beteiligte machen. Wenn man die Menschen vor Ort an einen Tisch holt, erspart man sich Unmut, Prozesse und letztlich auch Kosten.

SZ: Das zweite Problem, das Sie eben angesprochen haben, ist das Geld. Wer soll all die Projekte bezahlen?

Ramsauer: Ausgangspunkt ist, dass sich jede Investition selbst rechnen muss. Nehmen wir die Straße: Wir haben bei den Fernstraßen einen Nutzen-Kosten-Faktor von 4,7. Das heißt: Jeder Euro, den wir investieren, bringt mehr als vier Euro an volkswirtschaftlichem Nutzen. Dieses Geld ist also gut angelegt.

SZ: Das sehen viele Menschen anders: Sie sagen, dass der Staat seine knappen Mittel lieber in die Köpfe seiner Bürger als in Beton investieren sollte.

Ramsauer: Natürlich muss man in Bildung investieren, aber das kann doch nicht bedeuten, die Infrastruktur zu vernachlässigen. Die gleichen Experten kaufen doch ganz selbstverständlich Mineralwasser aus Fernost und wollen ihre Produkte auf einen anderen Kontinent transportieren. Wer die Globalisierung will, braucht dafür auch Verkehrswege.

SZ: Finanziert über eine Pkw-Maut?

Ramsauer: Das nächste Reizthema. Bei der Lkw-Maut war genau das die Philosophie. Da sollten die Einnahmen auch die Wege finanzieren. Aber man muss auch sehen, dass der Güterkraftverkehr mit dieser Maut rasch an die Grenzen der Belastbarkeit geraten ist. Es gibt kein Denkverbot, aber: Der Koalitionsvertrag sieht eine Pkw-Maut nicht vor. Und deshalb steht das Thema nicht auf der Tagesordnung.

SZ: Die Holländer führen jetzt eine Maut ein, mit Satelliten-Erfassung aller Autos. Ein Vorbild?

Ramsauer: Da läuft es mir kalt den ganzen oberbayerischen Rücken runter. Dass Big Brother mitfährt, jeden erfasst, der aus der Garage fährt - da mache ich nicht mit. Das ist höchst grenzwertig und übrigens auch technisch schwierig.

SZ: Immerhin bringt es Geld. Es gibt doch massenhaft Ausbau-Wünsche für Straße und Bahn.

Ramsauer: Und wie! Da hinten liegen 1500 Schreiben vieler Bürger und Politiker, die mir zum neuen Amt gratulieren. Und in jedem wird mir nach zwei Glückwunschzeilen irgendein Verkehrsprojekt von nationaler oder transkontinentaler Bedeutung angedient: "Bitte kommen Sie zu uns nach Soundso, schauen Sie sich mal unseren Bahnhof an", und so weiter. Oder sie wünschen neue Straßendecken, Ortsumfahrungen und Autobahnen. Und ich muss die Frage beantworten: Woher kommt das Geld?

SZ: Das fragen wir uns auch.

Ramsauer: Ich verspreche mir viel von öffentlich-privaten Partnerschaften. Da bauen wir zusammen mit privaten Firmen und beteiligen die zum Beispiel an den Einnahmen aus der Lkw-Maut. Dafür betreiben diese Firmen die Autobahn für einen bestimmten Zeitraum. Wir haben jetzt vier solche Projekte ausprobiert und gute Erfahrungen damit. Das ist günstiger, da wird staufreier und schneller gebaut. Demnächst starten wir die nächste Tranche von acht Projekten. Da ist noch mehr drin.

SZ: Gleichzeitig muss der Bund sparen. Das geht doch an Ihrem Ressort auch nicht vorbei.

Ramsauer: Mir ist natürlich daran gelegen, dass mein Haushalt stabil bleibt. Ich muss mich aber auch den Regeln der Schuldenbremse unterwerfen, die habe ich ja mitbeschlossen. Es ist logisch, dass es den Minister mit dem größten Investitionshaushalt ebenfalls erwischt. Darauf muss ich mich einstellen. Aber man muss auch abwägen, was man dafür aufgibt. Wenn wir weniger in den Bau investieren, dann hat das auch eine Bremswirkung auf die Wirtschaft. Wenn man bei meinem Haushalt spart, dann spart man an der falschen Stelle.

SZ: Das sagen alle.

Ramsauer: Aber ich sag' es mit guten Gründen. Und gleichzeitig müssen wir auch deshalb mehr öffentlich-private Partnerschaften eingehen. Dann wird gebaut, dass es eine wahre Freude ist.

SZ: Ihnen wird der Satz nachgesagt, das schönste Naturschutzgebiet nutze nichts, wenn man nicht im Auto hinkommt.

Ramsauer: Das soll ich gesagt haben? Kann ich mich nicht erinnern. Aber stimmen tut's trotzdem. Könnte von mir sein.

SZ: Daraus spricht einige Verliebtheit in das Auto.

Ramsauer: Jeder Mensch soll frei entscheiden, wie er sich von A nach B bewegt. Das ist ein Stück persönlicher Freiheit, und das erfordert möglichst reibungslose Mobilität. Dazu muss auch der Staat die Voraussetzungen schaffen. Das gilt dann auch für Nationalparks. Nehmen Sie doch mal den Alpennationalpark in Berchtesgaden. Dieses Kleinod nutzt nur etwas, wenn man über vernünftige Verkehrswege zu Lande und in der Luft, Schiene, Straße, Flugzeug dorthin gelangen kann. Die Bürgermeister dort sind wie ich garantiert naturverwurzelte Menschen. Aber sie müssen auch wirtschaften können, und dafür brauchen sie gute Verbindungen. Unsere schönen Naturschutzgebiete wollen erreicht werden, um dann mit hohem Erholungswert genossen zu werden.

SZ: Umweltschützer sehen das anders, denen wird zu viel gebaut.

Ramsauer: Aber man muss auch an den Menschen denken! Ein Beispiel: Diese Woche war ich in Halle. Dort wird die Westumfahrung derzeit nicht weitergebaut, weil ein Prozess anhängig ist. Dieser soll klären, ob die Belange schwangerer Fledermäuse ausreichend berücksichtigt werden. Jetzt sollen millionenteure Fledermaus-Überflughilfen gebaut werden. Das ist wirklich grenzwertig.

SZ: Die Fledermaus ist Ihnen egal?

Ramsauer: Nein, die ist mir nicht egal. Aber der Mensch ist mir auch nicht egal. Es muss eine vernünftige Balance zwischen den verkehrswirtschaftlichen Erfordernissen und berechtigten Naturschutzinteressen hergestellt werden.

SZ: Es gibt da neuerdings etwas, das Umwelt und individuelle Mobilität vereinen könnte, das Elektroauto. Tut die Bundesregierung genug dafür?

Ramsauer: Ich habe dieses Thema bereits angepackt. Wir planen bisher eine Million Elektroautos bis 2020. Aber das ist mir zu wenig. In zehn Jahren haben wir schätzungsweise 45 Millionen Pkw auf deutschen Straßen. Dann ist eine Million ein viel zu geringer Anteil. So gesehen müssen wir mehr wollen. Und wenn ich mir die Dynamik ansehe, die da reingekommen ist, dann schaffen wir auch mehr. Wir müssen da schneller werden.

SZ: Hat denn der Ottomotor im Jahr 2050 überhaupt noch eine Bedeutung?

Ramsauer: Das sind 40 Jahre, von jetzt an gerechnet. Die herkömmlichen Motoren nutzen wir jetzt schon seit 100 Jahren. Es wäre vermessen zu glauben, dass Otto- und Dieselmotoren völlig verschwunden sein werden. Diese werden ihre Nischen haben. Aber dominant sollten sie dann nicht mehr sein. Die Autos der Zukunft sollten überwiegend mit Strom oder Wasserstoff fahren. Aber unter der elementaren Voraussetzung, dass der zusätzliche Strom aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen wird. Sonst hat das Ganze ja keinen Sinn.

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