Das Video hat etwas von einer Seifenoper. Man sieht die Tochter, eng an den betagten Vater geschmiegt, es ertönen sanfte Klavierklänge. Und dann sagt sie: „Schau mal, Papa, wenn du das wirklich willst, dann werde ich dich unterstützen.“
Nein, es handelt sich nicht um eine Szene aus dem Vorabendprogramm eines Privatsenders, sondern um ein Video, das in Peru große Aufregung hervorruft. In den sozialen Netzwerken verbreitet hat es die Rechtsaußen-Politikerin Keiko Fujimori, sie ist darin selbst mit ihrem Vater zu sehen, und sie erzählt aus einem Gespräch, das die beiden neulich geführt haben wollen. Dazu schreibt sie, damit es auch jeder kapiert: „Mein Vater und ich haben uns unterhalten und zusammen entschieden, dass er der Kandidat bei den nächsten Präsidentschaftswahlen sein wird.“
In den Neunzigerjahren unterzog er das Land einer neoliberalen Schocktherapie
Der Andenstaat Peru hat damit einen Interessenten für das oberste Staatsamt, der noch ein gutes Stück älter ist als der 81 Jahre alte US-Präsident Joe Biden – Alberto Fujimori feiert in knapp zwei Wochen seinen 86. Geburtstag, bei der für 2026 geplanten Wahl geht er auf die 88 Jahre zu. Zudem hat das ohnehin politisch unruhige Land nun die nächste aufgeregte Debatte am Hals, denn einen umstritteneren, stärker polarisierenden Kandidaten als Alberto Fujimori könnte es kaum geben.
Fujimori hat Peru schon einmal regiert, von 1990 bis 2000, er hat in dieser Zeit den Kongress und die Gerichte entmachtet und das Land einer neoliberalen Schocktherapie unterzogen. Letzteres löste zwar einen Wirtschaftsaufschwung aus, trieb andererseits aber weite Teile der Bevölkerung in die Armut. Vor allem führte Fujimori einen regelrechten Krieg gegen die marxistische Guerilla-Organisation des Leuchtenden Pfads, die damals das Land terrorisierte. Mit seinem Gegenterror gelang es Fujimori, weite Teile der Guerilla zu entwaffnen. Allerdings mit drastischen Nebenwirkungen: Todesschwadronen von Armee und Polizei verübten mehrere Massaker an der Bevölkerung. Außerdem wurden unter Fujimoris Regierung Schätzungen zufolge etwa 300 000 meist arme und indigene Frauen zwangssterilisiert.
Unter anderem wegen des Einsatzes der Todesschwadronen verurteilte ein Gericht Fujimori 2009 zu 25 Jahren Haft, im Dezember 2023 wurde er jedoch nach einigen politischen Wirren begnadigt. Das Gesuch stützten seine Anwälte vor allem auf seinen schlechten Gesundheitszustand, Fujimori galt als herzkrank. Das Gefängnis verließ er mit einem Beatmungsgerät und einem Schlauch unter der Nase. Inzwischen aber scheint sich Fujimori erholt zu haben; zumindest macht er in dem Video, das seine Tochter Keiko nun im Netz verbreitet, einen deutlich besseren Eindruck.
Das letzte Wort in der Frage der Kandidatur ist allerdings noch nicht gesprochen. Verurteilte Straftäter dürfen in Peru nicht in politische Ämter gewählt werden, und Fujimoris Begnadigung bedeutet keineswegs, dass das Urteil gegen ihn aufgehoben worden wäre. Zwei Szenarien sind deshalb denkbar: Entweder könnte die Wahlkommission die Kandidatur Fujimoris kippen – oder sie doch zulassen, nach diversen Winkelzügen, wie sie in der peruanischen Politik alles andere als selten sind.
Selbst wenn Fujimori nicht zugelassen werden sollte, für seine Tochter Keiko könnte sich das Manöver trotzdem auszahlen. Dreimal ist sie bisher selbst bei Präsidentschaftswahlen angetreten, dreimal ist sie, mitunter knapp, gescheitert. Bei weit rechts stehenden Peruanern ist ihr Vater eine Art Heiligenfigur, sie sehen über dessen Verbrechen hinweg und sehnen sich nach Stabilität, die es in den vergangenen Jahren nicht gab. Sechs Präsidenten hat das Land in sechs Jahren verschlissen, es gibt immer wieder politische Proteste, die Gewaltraten sind in die Höhe geklettert. Keikos Kalkül könnte deshalb sein, ihren Vater in ihrer Wahlkampagne nach vorn zu schieben, der wie kein anderer eine Politik der „eisernen Hand“ in Peru verkörpert. Und wenn seine Kandidatur am Ende verhindert werden sollte – dann tritt sie eben noch einmal selbst an.