Peru:Fuji-Shock in Lima

Thousands of people protest against ex-president Fujimori's pardon, Lima, Peru - 25 Dec 2017

Spannungen in Lima: Demonstranten und Polizei stehen einander gegenüber.

(Foto: Eduardo Cavero/EPA-EFE/REX/Shutterstock)

Vielen Peruanern fällt es schwer, darin keinen schmutzigen Deal zu sehen: Präsident Kuczynski begnadigt seinen Vorgänger Fujimori - dessen Parteigänger hatten dem Staatschef geholfen, im Amt zu bleiben.

Von Sebastian Schoepp

Für die einen war er der Befreier Perus vom Terrorismus, für die anderen eine Art Diktator, der sich brutal über Menschenrechte hinwegsetzte und Todesschwadronen befehligte. 2009 wurde Expräsident Alberto Fujimori wegen schwerer Menschenrechtsverbrechen zu 25 Jahren Haft verurteilt. Dass er nun begnadigt wird, hat in dem Land wütende Proteste hervorgerufen. In der Hauptstadt Lima gingen an Weihnachten Tausende auf die Straße, um gegen die Entscheidung des Präsidenten Pedro Pablo Kuczynski zu protestieren: Sie schwenkten Bilder von Opfern der Methoden Fujimoris während seiner Amtszeit zwischen 1990 bis 2000. Die Polizei setzte Tränengas ein.

Was die Demonstranten so aufbrachte, war vor allem die Art und Weise, wie die Begnadigung zustande kam. Präsident Kuczynski war Ende der Woche nur haarscharf der Amtsenthebung wegen Korruptionsvorwürfen entgangen. Geholfen bei der Abstimmung im Parlament hatte ihm eine Gruppe von Abgeordneten um Fujimoris Sohn Kenji. Kurz danach wurde die Entscheidung des Präsidenten bekannt, den 79-jährigen Fujimori zu begnadigen. Es ist fast unmöglich, darin keinen Deal zu erkennen, auch wenn Kuczynski die Begnadigung mit humanitären Gründen rechtfertigte. Der Häftling sei krank, es dürfe nicht sein, dass Fujimori im Gefängnis sterbe. "Die Begnadigung war die vielleicht schwerste Entscheidung in meinem Leben", sagte er in einer Fernsehansprache. Fujimori nahm die Nachricht vor seiner baldigen Freilassung im Krankenhaus auf, wo er wegen Herzrhythmusstörungen behandelt wird. Im Internet machte ein Video die Runde, das ihn lachend im Bett zeigt.

Fujimori ist eine der umstrittensten Figuren der jüngeren Geschichte Lateinamerikas. Er gewann 1990 die Wahl mit überwältigender Mehrheit gegen den Schriftsteller Mario Vargas Llosa. Er wurde zunächst von vielen als eine Art Erlöser für das Land gefeiert, das in einer tiefen Krise steckte. Die Inflation galoppierte, die Wirtschaft lag darnieder - Grund war ein brutaler Terrorkrieg in den Anden, der das Land lähmte und Hunderttausende Menschen in die Flucht trieb, die sich zumeist an der Küste niederließen. Um die Hauptstadt Lima wuchsen riesige Armenviertel auf den staubigen Wüstenbergen.

An die 200 000 Menschen sollen in den 1980er- und 90er-Jahren in dem schmutzigen Krieg gegen die Terrororganisation "Leuchtender Pfad" umgekommen sein, die Perú in eine Art maoistischen Steinzeitstaat zurückzwingen wollte - ähnlich wie die Roten Khmer in Kambodscha. Der Krieg wurde auf beiden Seiten mit äußerster Brutalität und Grausamkeit geführt. Fujimoris Sicherheitskräfte besiegten letztlich die Terroristen, der Präsident hatte unterdessen das Parlament entmachtet und sich zu einer Art Diktator aufgeschwungen. Die Wirtschaft versuchte er, mit radikalen neoliberalen Methoden zu sanieren, die als "Fuji-Shock" bekannt wurden. Zehntausende Ureinwohnerinnen wurden auf seinen Befehl hin zwangssterilisiert. Fujimori betrachtete das als ein legitimes Instrument der Armutsbekämpfung. Noch heute leiden die Opfer an den Folgen der grausamen Praktiken und kämpfen für eine Entschädigung.

Der Präsident ist in den Strudel eines Korruptionskandals geraten

Im Jahr 2000 war Fujimori wegen eines Korruptionsskandals aus Perú getürmt - und nach Japan geflüchtet, das Heimatland seiner Eltern. Da "El Chino", wie er wegen seines asiatischen Aussehens auch genannt wird, weiterhin in Perú sehr viele Anhänger hatte, träumte Fujimori stets von der Rückkehr. Er ging ins Nachbarland Chile, von wo aus er sein Comeback plante. 2007 aber wurde er nach Perú ausgeliefert und zu seiner großen Überraschung zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Sein früherer Gegner Vargas Llosa schrieb damals, Peru habe sich dadurch als zivilisierte Nation erwiesen.

Das politische Erbe Fujimoris trat seine Tochter Keiko an, die mehrmals für die Präsidentschaft kandidierte und nur knapp scheiterte - 2016 gegen den Liberalen Pedro Pablo Kuczynski, ebenfalls ein Mann mit bewegter Biografie. Er war Minister in Perú und Wall-Street-Banker sowie Vorstandsmitglied in zahlreichen multinationalen Konzernen. Von der früheren Militärdiktatur wurde er verfolgt und rettete sich schwimmend über einen Urwaldfluss nach Ecuador. Der auch schon 79-Jährige gewann 2016 die Präsidentenwahl - nicht zuletzt mit dem Versprechen, er werde die Fujimoristen im Zaum halten.

Doch dann geriet er in den Strudel des Odebrecht-Skandals, der derzeit ganz Lateinamerika erschüttert. Vor wenigen Tagen räumte der brasilianische Baukonzern Odebrecht ein, dass er in Perú zwischen 2005 und 2014 Schmiergeld in Millionenhöhe gezahlt hatte. Rund vier Millionen Euro entrichtete Odebrecht demnach an zwei Beratungsfirmen, die enge Beziehungen zu Kuczynski unterhielten. Während eines Teils dieser Zeit hatte Kuczynski verschiedene Posten in der Regierung von Alejandro Toledo (2001 bis 2006) inne. Dieser soll von Odebrecht für einen Bauauftrag 20 Millionen Dollar Schmiergeld bekommen haben. Erst Anfang Dezember räumte Kuczynski ein, Geld von dem Konzern erhalten zu haben. Das sei aber legal gewesen.

Das Parlament sah das anders und strengte ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn an. 79 Abgeordnete stimmten dafür, 19 dagegen, 21 enthielten sich. Für eine Amtsenthebung wären weitere acht Stimmen nötig gewesen. Kuczynski twitterte daraufhin: "Peruaner. Morgen beginnt ein neues Kapitel in unserer Geschichte: Versöhnung und Rekonstruktion."

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