Süddeutsche Zeitung

Peru:Alberto Fujimori könnte vorzeitig freikommen

Eigentlich wurde er wegen Menschenrechtsverletzungen und Korruption zu 25 Jahren Haft verurteilt. Jetzt könnte der ehemalige peruanische Präsident mehr als zehn Jahre vor dem Ablauf seiner Haftstrafe das Gefängnis verlassen.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Perus Ex-Präsident Alberto Fujimori könnte aus dem Gefängnis entlassen werden - mehr als zehn Jahre vor dem Ablauf seiner Haftstrafe. Am Donnerstag hat das Verfassungsgericht Perus einem Antrag stattgegeben, der die Aufhebung einer Begnadigung Fujimoris von 2018 nun wieder annulliert.

Nach der Bekanntgabe der Entscheidung trafen sich Anhänger von Fujimori, um spontan vor dessen Gefängniszelle zu feiern. Im Zentrum von Lima dagegen protestierten aufgebrachte Gegner, und auch aus der Regierung gab es scharfe Kritik: Premierminister Aníbal Torres sprach von einem "schrecklichen Fehler" und die Kongressabgeordnete Ruth Luque von einer "Beleidigung für das Gedächtnis und die Würde des peruanischen Volkes".

2009 war Fujimori wegen Menschenrechtsverbrechen und Korruption zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. 2017 aber ließ ihn der damalige Präsident Pedro Pablo Kuczynski überraschend begnadigen, offiziell aus humanitären Gründen. Kritiker aber sagten, in Wahrheit stecke hinter der Begnadigung ein Deal: Präsident Kuczynski hatte gerade erst ein Amtsenthebungsverfahren überstanden, vor allem auch deshalb, weil mehrere Oppositionspolitiker sich enthalten hatten - unter ihnen auch Fujimoris Sohn Kenji. Es kam zu großen Protesten, letztendlich trat Präsident Kuczynski zurück, und ein Gericht hob die Begnadigung Fujimoris im Oktober 2018 wieder auf. Der Ex-Präsident wurde verhaftet und musste wieder ins Gefängnis.

Fujimori leitete nach seinem Amtsantritt eine neoliberale Schocktherapie ein

Dass Fujimori nun doch wieder Aussicht auf vorzeitige Entlassung hat, liegt zum einen daran, dass er in Peru immer noch viele Fans hat - trotz allem. Geboren als Sohn japanischer Einwanderer, begann Fujimori zunächst eine Universitätskarriere, wechselte dann aber in die Politik und trat kurz darauf bei den Präsidentschaftswahlen 1990 als Kandidat an. Fujimori galt zunächst als chancenloser Außenseiter, dann aber zog er in die Stichwahl ein, die er am Ende mit komfortabler Mehrheit gewann. Entgegen allen Versprechen leitete Fujimori nach seinem Amtsantritt eine neoliberale Schocktherapie ein. Staatsunternehmen wurden privatisiert, und die Arbeitslosigkeit explodierte. Die Inflation aber sank, und die Wirtschaft boomte. Bis heute verehren ihn viele Peruaner deswegen.

Gleichzeitig verzeichnete Fujimori auch Erfolge im Kampf gegen die marxistische Guerilla "Leuchtender Pfad", die damals das Land terrorisierte. Dabei kam es allerdings auch zu schweren Menschenrechtsverbrechen, verübt von Armee und Polizei. Fujimoris Führungsstil wurde mit den Jahren immer autoritärer, er schloss kurzzeitig das Parlament, trat entgegen der Verfassung zu einer dritten Amtszeit an, es mehrten sich Vorwürfe wegen Wahlbetrug und Korruption. 2000 wurde der öffentliche Druck so groß, dass Fujimori nach einem Gipfel in Asien nicht mehr zurückkehrte. Von Japan aus, der Heimat seiner Eltern, erklärte er per Fax seinen Rücktritt.

Fujimori blieb aber ein politischer Macht- und Störfaktor. Seine Tochter Keiko versuchte mehrmals, ihrem Vater als Präsidentin nachzufolgen. Ihre Partei ist die zweitstärkste Macht im Parlament und zuletzt verlor sie nur knapp gegen den aktuellen Präsidenten, Pedro Castillo, einen linken ehemaligen Dorfschullehrer, dessen Regierung von Krisen und Skandalen geplagt ist. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts ist ein weiterer Schlag für sie. Aus dem Justizministerium hieß es, man wolle vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte Einspruch einlegen.

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