Personalnot:Dem Auswärtigen Amt fehlen Ersatzkräfte

Außenminister Maas in Litauen

Heiko Maas will sich in den Haushaltsverhandlungen um zusätzliche Stellen für das Auswärtige Amt bemühen.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Die Konflikte in der Welt werden zahlreicher - doch ausgerechnet in diesen Zeiten wird im Auswärtigen Amt am Personal gespart. Vor allem im Reservepool für Krisenfälle müssten eine Menge Stellen besetzt werden.

Von Mike Szymanski, Berlin

Außenminister Heiko Maas (SPD) betonte es in seiner ersten Regierungserklärung. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) lässt die Botschaft bei keinem Truppenbesuch aus. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) trägt es auch im Bierzelt vor: Deutschland müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Die Zeiten sind, wie sie sind. Gerade erst ist US-Präsident Donald Trump aus dem Atomabkommen mit Iran ausgestiegen und hat damit die europäischen Partner vor den Kopf gestoßen. Über vieles wird diskutiert, über manches auch gestritten. Was muss die Bundeswehr künftig leisten? Wie viel Geld bekommt die Entwicklungshilfe? Wie wird die EU in ein paar Jahren aussehen, und was wird sie zusammenhalten?

Nur, wie steht es eigentlich in Zeiten von Krieg und Frieden um die Diplomatie?

Das Auswärtige Amt am Werderschen Markt in Berlin ächzt unter der Last all der Krisen und Konflikte in der Welt. Die Probleme werden mehr, das Personal aber nicht. Auf Anfrage des Grünen-Außenpolitikers Omid Nouripour hat das Außenministerium Einblicke in die Personalsituation gegeben - mit einem ernüchternden Befund: Die Diplomaten schaffen ihre Arbeit kaum noch, jedenfalls während ihrer Dienstzeit. Das Auswärtig Amt rechnet vor, dass es allein im vergangenen Jahr fast 700 Mitarbeiter zur vorübergehenden Verstärkung an seine Auslandsvertretungen habe schicken müssen. Im dafür vorgesehenen Stellenpool, der Personalreserve, sind aber nur 129 Stellen vorgesehen.

500 Diplomaten müssten im Reservepool für Krisenfälle sein - es sind aber nur 129

Das heißt, Arbeit musste von anderen Kollegen mitgemacht werden, Freizeit und Urlaubstage für den Job hergenommen werden. Im Vergleich zu 1990 ist die Zahl der Mitarbeiter im Auswärtigen Amt insgesamt geringfügig zurückgegangen, auf 6864. Das Auswärtige Amt braucht aber einen satten Pool an Reservekräften: Das liegt zum einen daran, dass Diplomaten alle paar Jahre versetzt werden. Jedes Jahr rotieren allein 1400 Männer und Frauen. Es geht dann darum, neue Sprachen zu lernen, sich in neuen Ländern einzuleben. Andere Arbeit bleibt dann zwangsläufig liegen. Andererseits muss das Ministerium auch schnell auf Krisen reagieren können.

Seit 2006 ist der Stellenpool dafür aber nur mit jenen 129 Stellen ausgestattet. Das war damals schon zu wenig. Gebraucht hätte das Haus 500 Stellen. Und heute sieht die Lage gleich noch mal ganz anders aus: Flüchtlingskrise, Ukraine-Konflikt, Brexit, Krieg in Syrien, die Kandidatur für einen nicht ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, die sich insgesamt verschärfende Lage in Nahost. Vor wenigen Jahren noch als eher ruhig geltende Dienstposten wie in der Türkei machen heute viel Arbeit: Der deutsche Botschafter Martin Erdmann etwa ist in nur zweieinhalb Jahren bereits mehr als 20 Mal ins türkische Außenministerium gebeten worden, weil es Streit gab. Trotzdem möchte Merkel die Drähte hinaus in die Welt pflegen und nutzen. "Die Aufgaben des Auswärtigen Dienstes haben in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen", schreibt das Ministerium an den Abgeordneten Nouripour. Man bemühe sich in den laufenden Haushaltsberatungen um zusätzliche Stellen.

Für Nouripour jedoch bleibt "das Gerede von mehr deutscher Verantwortung" auf internationaler Bühne "bloße Ankündigungspolitik". "Die Mittel für echte Diplomatie, für Diplomatinnen und Diplomaten, die sich um die berühmten politischen Lösungen kümmern sollen, die kümmern kaum." Die Zahlen der Bundesregierung zeigten, dass das Auswärtige Amt auf Krisen in der Welt "gar nicht angemessen reagieren" könne. Dabei wäre doch genau jetzt der Zeitpunkt für die Diplomatie gekommen.

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