Süddeutsche Zeitung

Personalkarussell der Hessen-SPD:Scheer wird kein Minister

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Hermann Scheer, der enge Vertraute von Hessens SPD-Chefin Ypsilanti, soll der Mannschaft von Spitzenkandidat Schäfer-Gümbel nicht mehr angehören.

Christoph Hickmann

Im Schattenkabinett des hessischen SPD-Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel wird eine Schlüsselfigur aus dem Landtagswahlkampf seiner Vorgängerin Andrea Ypsilanti fehlen. Wie Schäfer-Gümbel der Süddeutschen Zeitung bestätigte, ist der Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer darin nicht mehr als Minister für Wirtschaft und Umwelt vorgesehen. In einem Gespräch am Mittwoch hätten Scheer und er "gemeinsam die Frage besprochen, wie es weitergeht" und seien "zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen".

Scheer werde ihm als "Berater" zur Verfügung stehen und als solcher "auch im Wahlkampf auftreten". Zur Frage, ob er Scheer den Rückzug nahegelegt habe, wollte Schäfer-Gümbel sich nicht äußern. Hessische SPD-Kreise waren bereits in den vergangenen Tagen davon ausgegangen, dass er seine Kernmannschaft für den bevorstehenden Wahlkampf ohne Scheer plant. Am 18. Januar soll der Landtag neu gewählt werden.

Scheer ist Träger des alternativen Nobelpreises und stand für das Konzept einer Wende hin zu erneuerbaren Energien, eines der Kernelemente in Ypsilantis Wahlkampf. Bei den Grünen hatte sowohl dieser thematische Schwerpunkt als auch die Tatsache, dass Ypsilanti bis zuletzt auf einem Ministerposten für Scheer bestand, beträchtliche Verärgerung erzeugt.

Ypsilanti hatte ihren Vertrauten kurz vor dem Ende der rot-grünen Koalitionsverhandlungen als Wirtschaftsminister durchgesetzt; er sollte die landesplanerischen Kompetenzen für die Umsetzung der sogenannten Energiewende erhalten.

Der hessische Grünen-Vorsitzende Tarek Al-Wazir hatte dafür Umweltminister mit Teilkompetenzen für Energie werden sollen. Ypsilantis Rivale Jürgen Walter, der ihr später als einer von vier Abgeordneten die Stimme verweigerte, hatte ebenfalls Wirtschaftsminister werden wollen. Das ihm im Gegenzug angebotene Ministerium für Verkehr und Europa hatte er abgelehnt.

Scheer: "Nur noch peinlich"

Scheer sagte der SZ: "Ich will auch nicht mehr in einem Schattenkabinett vertreten sein." Er bestätigte das Gespräch mit Schäfer-Gümbel am Mittwoch und sagte weiter: "Die verzerrende und entstellende Diskussion, als wolle ich unbedingt zur Verwirklichung eines Lebenstraums noch einmal Minister werden, habe ich satt. Ich empfinde sie nur noch als peinlich."

Wenn die Hessen-SPD von ihm noch "einen Beitrag" wolle, werde sie ihn bekommen - "aber nicht mehr in einer Rolle, mit der ich den Leuten Gelegenheit gebe, ein Zerrbild von meiner Person zu zeichnen". Scheer war vor allem bei den Parteirechten und Netzwerkern in der Hessen-SPD umstritten. Überwiegende Teile des linken Flügels, zu dem auch Schäfer-Gümbel zählt, betonten hingegen stets, Scheer stehe für die Überwindung des Gegensatzes zwischen Umwelt- und Wirtschaftspolitik.

"Weg für personellen Neuanfang freimachen"

Unterdessen wurde bekannt, dass der Vorstand des SPD-Unterbezirks Main-Kinzig den Landesvorstand bereits unmittelbar nach dem Scheitern des Regierungswechsels aufgefordert hat, "die Konsequenzen aus dem Debakel zu ziehen und den Weg für einen personellen Neuanfang frei zu machen". Diese Formulierung findet sich in einem der SZ vorliegenden "vertraulichen" Brief des Unterbezirksvorsitzenden André Kavai an Ypsilanti und die weiteren Mitglieder des Landesvorstands.

"Ein 'Weiter so' kann es nach unserer Auffassung nicht geben", heißt es darin. Der Unterbezirksvorstand habe ihn am Dienstag vergangener Woche nach einer "über zweieinhalbstündigen Diskussion" einstimmig beauftragt, diesen Brief zu verfassen, schreibt Kavai. Der Brief war bereits vor der Nominierung Schäfer-Gümbels abgeschickt worden. Kavai wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Schreiben äußern.

Der SPD-Landesvorstand soll im Februar neu gewählt werden. Während Schäfer-Gümbel als Spitzenkandidat antreten wird, bleibt Ypsilanti Landesvorsitzende und behält den Chefposten in der Fraktion. Der Landtag soll sich in der nächsten Woche auflösen.

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SZ vom 13.11.2008/ihe
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