Süddeutsche Zeitung

Personaldebatten nach der NRW-Wahl:Seehofer stellt Röttgens Eignung als Bundesminister in Frage

Scharfe Kritik aus den eigenen Reihen: Nach dem historisch schlechten Wahlergebnis der NRW-CDU gehen mehrere Unionspolitiker mit Norbert Röttgen hart ins Gericht. Von einem Desaster mit Ansage spricht CSU-Chef Horst Seehofer - und stellt nun auch Röttgens Entscheidungskraft als Umweltminister bei der Energiewende in Frage. Sondierungsgespräche gibt es auch bei den übrigen Parteien.

Nach der Niederlage der CDU in Nordrhein-Westfalen hat CSU-Chef Horst Seehofer Spitzenkandidat Norbert Röttgen scharf angegriffen und ein entschiedeneres Vorgehen des Bundesumweltministers bei der Energiewende angemahnt. Der CSU-Politiker liefert damit Zündstoff für die Personaldebatten in den Unionsparteien, die am Montag in Berlin und Düsseldorf über das Ergebnis der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen debattieren werden. Aber auch bei den anderen Parteien geht es um Sondierungen nach der Wahl.

"Der Wahlausgang ist für die Union eine politische Katastrophe, die mich wirklich aufwühlt. Es ist ein Desaster mit Ansage", sagte Seehofer der Bild-Zeitung. Der Wahlausgang sei für die Union eine politische Katastrophe. Nun müsse der Minister sich bei der Energiepolitik beweisen. "Die Menschen wollen endlich Antworten hören, wie es mit der Energiewende weitergehen soll, und sie wollen sehen, dass wir aufs Tempo drücken. Ich hoffe, dass der Bundesumweltminister mit dieser Herausforderung anders umgeht als mit dem Wahlkampf in NRW", sagte Seehofer.

Die CDU hatte bei der Landtagswahl mit rund 26 Prozent ihr bislang schlechtestes Ergebnis eingefahren. Röttgen trat daher als Landesvorsitzender der Partei zurück.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und er hätten am Rande der Bundesversammlung Mitte März Röttgen klargemacht, dass diese Wahl für die gesamte Union von Bedeutung sei und dass man sich "mit Haut und Haaren und jeder Pore" in den Wahlkampf stürzen müsse. "Seitdem habe ich geschwiegen, weil ich den Erfolg dieser schwarz-gelben Regierung will", sagte der bayerische Ministerpräsident.

Verägert über Seehofers Äußerungen zeigte sich der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Hintze im ZDF-"Morgenmagazin": "Ich wünsche ihm von Herzen, dass er nie so einen Wahltag erlebt, wie wir es erlebt haben. Aber falls er mal in seinem Leben einen so bösen Wahltag erlebt, dann wünsche ich ihm, dass er nicht solche Kommentare anhören muss von außen, wie er sie uns jetzt gestern und heute gegeben hat."

Kritik an Röttgen äußert jedoch auch der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Fuchs: "Unser Ergebnis ist eine Katastrophe", sagte der CDU-Politiker dem Kölner Stadt-Anzeiger. Mit Blick auf Röttgen und sein Wanken zwischen Berlin und Düsseldorf fügte er hinzu: "Das ist der Denkzettel dafür, wenn ich mich nicht entscheiden kann. Dann entscheidet sich der Wähler gegen mich."

SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil forderte gar Röttgens Rücktritt vom Kabinettsposten. "Röttgen war nicht nur als Spitzenkandidat überfordert. Er ist es auch als Minister bei der Energiewende. Auch hier sollte er Konsequenzen ziehen", sagte Heil der Rheinischen Post aus Düsseldorf.

CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier sagte der Leipziger Volkszeitung, nun werde man sich "damit beschäftigen, wie die Arbeit auf Bundesebene weitergeht". Spekulationen über Posten und Personen seien "dabei nicht hilfreich". Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), beklagte im Kölner Stadt-Anzeiger vor allem "eine Addition von Debatten, mit denen wir die Wähler verunsichern". So gäben CDU und CSU beim Streit um das Betreuungsgeld "ein völlig diffuses Bild" ab. In der Auseinandersetzung um die Kürzung der Solarförderung hätten selbst CDU-Ministerpräsidenten dem eigenen Minister und Spitzenkandidaten zwei Tage vor der Wahl im Bundesrat ein Bein gestellt und die Kürzung abgelehnt.

Bei der FDP richtet sich das Augenmerk auf den angeschlagenen Vorsitzenden Philipp Rösler, dem der Wahlsieg zwar eine Verschnaufpause verschafft - zugleich aber den NRW-Spitzenkandidaten Christian Lindner stärkt, der bereits als ein potentieller Nachfolger gehandelt wird.

Bei den Linken verschärfte der erneute Misserfolg den internen Machtkampf. Bereits für diesen Montag wurde eine Erklärung des früheren Parteichefs Oskar Lafontaine erwartet, ob er wieder antritt. Sein Gegner, Fraktionsvize Dietmar Bartsch, hatte am Wahlabend bekräftigt, für die neue Doppelspitze aus einem Mann und einer Frau zu kandidieren. Die Wahl der Parteispitze steht Anfang Juni an.

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