Süddeutsche Zeitung

Persischer Golf:Tanker-Besatzung sah "fliegendes Objekt" vor Angriff

Lesezeit: 3 min

Die USA machen Iran für die mutmaßlichen Angriffe auf zwei Tanker im Golf von Oman verantwortlich. "Es ist die Einschätzung der US-Regierung, dass die Islamische Republik Iran verantwortlich für die Angriffe ist, zu denen es heute im Golf von Oman kam", sagte US-Außenminister Mike Pompeo am Donnerstag in Washington bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Diese Einschätzung basiere unter anderem auf Geheimdienstinformationen, auf den eingesetzten Waffen und auf ähnlichen Angriffen in jüngster Vergangenheit. Später legte das US-Militär ein angebliches Beweisvideo vor.

Die USA veröffentlichten ein Video, das die iranischen Revolutionsgarden belasten soll. Das US-Zentralkommando Centcom, das die amerikanischen Truppen im Nahen Osten führt, teilte mit, das Video zeige, wie ein Boot der Revolutionsgarden auf den Tanker Kokuka Courageous zufahre. Die Menschen an Bord des iranischen Schnellbootes vom Typ Gaschti seien dabei "beobachtet und aufgenommen" worden, wie sie eine nicht explodierte Haftmine wieder vom Schiffskörper entfernten. Damit suggerierten die USA, Iran versuche, Beweise zu vernichten.

Auf dem Video ist zu erkennen, wie sich Personen an Bord eines Schnellbootes an der Wand eines Tankers zu schaffen machen und von dort etwas zu entfernen scheinen. Das Boot fährt danach wieder weg von dem Tanker. Centcom sprach von einem "Haftminenangriff" im Golf von Oman.

Der japanische Betreiber der Kokuka Courageous sagte, die Besatzungsmitglieder hätten noch vor der zweiten Explosion ein "fliegendes Objekt" gesehen, das auf sie zugesteuert sei. Am Donnerstag hatte er gesagt: "Der Tanker wurde von einer Art Granate angegriffen."

Iran dementiert jegliche Verantwortung für die Angriffe. "Iran weist die haltlose Behauptung der USA mit Bezug auf die Öltanker-Vorfälle vom 13. Juni kategorisch zurück und verurteilt sie auf das Schärfste", hieß es in einer Mitteilung der Vertretung Irans bei den Vereinten Nationen. "Der ökonomische Krieg und Terrorismus der USA gegen das iranische Volk sowie ihre massive Militärpräsenz in der Region sind weiterhin die Hauptursachen für Unsicherheit und Instabilität in der weiteren Persischen-Golf-Region."

Nach dem mutmaßlichen Angriff sind die 21 Seeleute wieder an Bord des Frachters einer deutschen Reederei. Wie die Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) am Freitag in Singapur weiter mitteilte, besteht keine Gefahr, dass der Tanker Kokuka Courageous sinkt. Er verliere auch keine Ladung. Das Schiff, das unter der Flagge Panamas fährt, soll nun in den Hafen Khor Fakkan in den Vereinigten Arabischen Emiraten geschleppt werden.

Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif warf den USA vor, die Öltanker-Vorfälle als Vorwand zu nehmen und eine "Sabotage-Diplomatie" gegen Iran zu führen. "Mit einem Fetzen an Indizien haben die USA sofort Iran beschuldigt ... damit ist klar, dass das amerikanische B-Team auf Plan B und auf Sabotage-Diplomatie umgeschaltet hat", schrieb Sarif auf Twitter.

Auf Twitter hatte Pompeo geschrieben, die Angriffe seien eine Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit und eine "nicht hinnehmbare Eskalation der Spannung durch Iran". In New York wollte sich der UN-Sicherheitsrat mit dem Vorfall befassen. Mehrere Diplomaten bestätigten der Deutschen Presse-Agentur, dass die USA die Gespräche hinter verschlossenen Türen beantragt haben.

Zuvor hatte UN-Generalsekretär António Guterres vor einer "großen Konfrontation" gewarnt. "Ich nehme den Vorfall in der Straße von Hormus mit tiefer Besorgnis zur Kenntnis. Ich verurteile jeden Angriff auf zivile Schiffe scharf", sagte Guterres vor dem UN-Sicherheitsrat. Es müsse festgestellt werden, wer für die Taten verantwortlich sei. "Und wenn es etwas gibt, was die Welt sich nicht leisten kann, ist es eine große Konfrontation in der Golf-Region."

Ein Besatzungsmitglied auf deutschem Schiff leicht verletzt

Die schweren Zwischenfälle mit Tankern am Golf haben die Spannungen zwischen Iran und seinen arabischen Erzrivalen weiter erhöht. Auch Saudi-Arabien macht Iran für die mutmaßlichen Angriffe verantwortlich. Man haben keinen Grund, an den Angaben von US-Außenminister Pompeo zu zweifeln, sagte dessen saudischer Kollege Adel al-Dschubeir dem US-Sender CNN. Iran habe bereits in der Vergangenheit Derartiges getan.

Energieminister Chalid al-Falih sagte, Saudi-Arabien verfolge die Nachrichten mit großer Sorge, wie die staatliche Nachrichtenagentur SPA am Donnerstagabend meldete. Das Land werde die nötigen Maßnahmen ergreifen, um seine Häfen zu schützen. Das Energieministerium in Riad und der saudische Ölriese Aramco hätten ihre Bereitschaft erhöht, um solchen feindlichen Akten zu begegnen.

Vor dem Hintergrund der Spannungen sieht US-Präsident Donald Trump derzeit keine Chancen für neue Verhandlungen mit Iran. Er persönlich denke, "dass es zu früh ist, auch nur darüber nachzudenken, einen Deal zu machen", schrieb Trump bei Twitter. Mit Blick auf die Regierung in Teheran fügte er hinzu: "Sie sind nicht bereit, und wir sind es auch nicht." Trump hatte das Atomabkommen mit Iran im vergangenen Jahr einseitig aufgekündigt. Danach traten harte Wirtschaftssanktionen gegen Iran in Kraft.

Betroffen von den Zwischenfällen im Golf von Oman waren am Donnerstag ein von einem deutschen Unternehmen gemanagter Frachter sowie ein Schiff einer norwegischen Reederei. Die norwegische Seefahrtsbehörde bestätigte einen Angriff auf den Öltanker Front Altair. Das norwegische Unternehmen Frontline meldete eine Explosion und einen Brand an Bord.

Die deutsche Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) teilte mit, auch der mit Methanol beladene Tanker Kokuka Courageous sei im hinteren Teil beschädigt und ein Besatzungsmitglied sei leicht verletzt worden. Die 21 Seeleute an Bord wurden von einem US-Marineschiff aufgenommen, wie ein Londoner Sprecher des in Singapur ansässigen Schiffsmanagement-Unternehmens sagte. Die Ladung sei intakt, der Frachter drohe nicht zu sinken.

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