"People Analytics":Die Vermessung des Menschen

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„Datengetriebenes Personalmanagement": Manche Firmen wollen die Arbeitsschritte - und die Leistung - ihrer Mitarbeiter digital genau vermessen.

(Foto: Zeljko Dangubic/imago images)

Digitale Technik soll die Mitarbeiter-Leistung steigern.

Von Michael Kläsgen und Alexander Hagelüken

Wie Unternehmen die Leistung ihrer Mitarbeiter am besten messen können, beschäftigt Firmen seit jeher. Je mehr der einzelne leistet, desto erfolgreicher ist das Unternehmen. Und noch eine zweite Frage stellt sich: Können am Ende doch Maschinen die Arbeit schneller und gründlicher erledigen als der Mensch? Spätestens seit der Erfindung des mechanischen Webstuhls wird da nach Antworten gesucht. Ende des 19. Jahrhunderts versuchte man in den USA erstmals, Arbeitsprozesse und -geschwindigkeit Einzelner wissenschaftlich fundiert zu erforschen. Später in der Praxis fiel dann schnell auf, wenn das Förderband etwa in den Werken des Autokonzerns Ford zu schnell lief - und für wen.

Mit der digitalen Revolution kommt alles wieder, vor allem aber der Versuch, die Arbeitsleistung des Einzelnen mathematisch genau, scheinbar objektiv zu belegen. Denn im Internet ist jede Bewegung dank Tracking rückverfolgbar. "Datengetriebenes Personalmanagement" heißt das Stichwort, das immer mehr Personalabteilungen aufgreifen. "People Analytics" ist ein Unterfach dieser Disziplin. "Schöne neue Welt - ein Trend wird Wirklichkeit", schreibt etwa die Deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP) ganz ironiefrei in einem "Diskussionsimpuls".

Aldous Huxleys 1932 erschienener Roman "Schöne neue Welt" hatte eine Gesellschaft zum Gegenstand, die nach den Prinzipien einer optimalen Steuerung von Arbeitsabläufen organisiert war - oder jedenfalls so, wie sie der Schriftsteller sah. Es ist eine finstere Dystopie, und bezeichnenderweise ist das Wort "dystopisch" heute wieder en vogue. Kein Wunder, in Anbetracht mancher Szenarien. "People Analytics ist die Zukunft", prophezeit die DGFP. Die Personaler verstehen darunter "die systematische Analyse und Auswertung von Human-Ressources-Daten". Also der Daten der Mitarbeiter. Dank People Analytics wüssten die Personalabteilungen ihre Arbeit "in einer nie dagewesenen Tiefe mit Zahlen, Daten, Fakten zu untermauern". People Analytics sei "der Schlüssel, um Denk- und Wahrnehmungsfehler auszuradieren".

Auch Kooperationsbereitschaft sollen Algorithmen inzwischen messen können

Joachim Hasebrook, Professor an der Steinbeis-Hochschule in Berlin, sagt, die Personalabteilungen hofften, dank der Datenanalyse in der Hierarchie der Unternehmen aufgewertet zu werden. Deswegen befürworteten viele datengetriebenes Personalmanagement. Hasebrook ist selber kein grundsätzlicher Gegner von Big Data, sieht aber Gefahren. "Wer Leistungsbewertung und -belohnung einfach ausrechnen will", sagt er, "sieht Menschen als Rädchen im System und ignoriert, dass Leistung aus Kooperation und Identifikation mit Unternehmenszielen entsteht."

Wenn hingegen nicht Leistung bewertet, sondern Kooperation belohnt werde, befürwortet er den Ansatz. Auch Kooperationsbereitschaft sollen Algorithmen inzwischen messen. Inwieweit sie das wirklich können, ist nicht klar. Im Idealfall jedenfalls, sagt der Professor, trage Software dazu bei, "den eigentlichen Grund für Erfolg und Überlebensfähigkeit von Unternehmen zu verbessern: den sozialen Zusammenhalt und den möglichst freien Fluss von Ideen und Informationen". Das wäre dann der Übergang von People Analytics hin zu Social Analytics, einer humanisierten, sozialeren Variante der Vermessung von Mitarbeitern.

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