Fall Peng Shuai:"Dann hast du mich in dein Zimmer gebracht"

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Einer der einflussreichsten Männer in China: Zhang Gaoli. (Foto: Ng Han Guan/AP)

Anfang November hatte die Tennisspielerin Peng Shuai Missbrauchsvorwürfe gegen Chinas Ex-Vizepremier Zhang Gaoli erhoben. Dann verschwand sie. Wer ist der Mann, den der Apparat mit aller Macht zu schützen versucht?

Von Christoph Giesen, Peking

"Kangming-Hotel" steht in roten Lettern auf einem gewaltigen Stein am Tor: Es gibt eine Auffahrt für Limousinen, im Foyer stehen die Gepäckwagen bereit, nur betreten darf man die Anlage gleich hinter der Verbotenen Stadt nicht. "Das ist kein gewöhnliches Hotel mehr", zischt der Wächter an der Pforte. "Sie müssen leider wieder gehen." Vor ein paar Jahren hat eine Einheit des Zentralkomitees hier das Sagen übernommen. Übernachten darf man nur noch auf Einladung der Kommunistischen Partei Chinas.

Ein gern gesehener Gast war Zhang Gaoli. Von 2013 bis Anfang 2018 war der 75-Jährige Chinas Vizepremierminister, bis zum Herbst 2017 saß er im Ständigen Ausschuss des Politbüros. Das Gremium von sieben betagten Herren ist die Machtzentrale der Volksrepublik.

Im Kangming-Hotel buchte Zhang die Tennishalle, die in einem oberen Stockwerke des Gebäudes untergebracht ist. Nach seiner Pensionierung meldete er sich bei der Tennisspielern Peng Shuai, gemeinsam mit seiner Frau Kang Jie lud er sie ins Kangming-Hotel ein. Für Peng öffneten sich die Tore. Nach dem Match fuhren sie zu Zhang nach Hause. Was danach passierte beschrieb Peng in einem Text, den sie am zweiten November beim chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo hochlud so: "Dann hast du mich in dein Zimmer gebracht. Wie vor zehn Jahren in Tianjin wolltest du mit mir Sex haben." Vor der Tür habe jemand Wache gestanden. "Ich habe an diesem Nachmittag nicht zugestimmt und die ganze Zeit geweint. Ich habe mit dir und Tante Kang Jie zusammen zu Abend gegessen."

Keine 30 Minuten überlebte der Text im Netz, die Zensur löschte gründlich. Wer seitdem nach ihrem Namen sucht, erhält eine Fehlermeldung, selbst Begriffe wie "Tennis" kann man derzeit nicht eingeben. Niemand soll offenbar in China erfahren, dass einer der einflussreichsten Männer des Landes in einen "Me Too"-Fall verwickelt ist.

Wer also ist dieser Zhang Gaoli, den der Apparat mit aller Macht zu schützen versucht? Geboren wurde er 1946 in der Küstenprovinz Fujian als Sohn einer Bauernfamilie. Er war das jüngste von fünf Kindern. Nach seinem Ökonomiestudium fing er 1970 als Lagerarbeiter bei einer Ölgesellschaft in der südchinesischen Provinz Guangdong an. Nach dem Ende der Kulturrevolution und der wirtschaftlichen Öffnung stieg Zhang in der Bürokratie auf: Anfang der Achtzigerjahre wurde er zum stellvertretenden Parteichef von Maoming ernannt. 1997 bestellte man ihn zum Parteisekretär von Shenzhen, der größten Stadt in Guangdong. Vor 40 Jahren war Shenzhen noch eine Ansammlung von Fischerdörfern an der Grenze zu Hongkong, heute ist es eine Metropole mit mehr als zehn Millionen Einwohnern.

Xi Jinpings Vater war einer seiner Förderer

Während seiner Zeit in Guangdong traf sich Zhang immer wieder mit dem damaligen Gouverneur, um sich Rat zu holen. Xi Zhongxun hieß der Mann, er war der Vater von Xi Jinping. 2001 wurde Zhang selbst Gouverneur und zwar in der ostchinesischen Provinz Shandong. 2007 wechselte er als Parteichef nach Tianjin, einer Hafenmetropole, etwa eine Autostunde östlich von Peking gelegen. Tianjin ist die Heimatstadt von Peng Shuai. In ihrem Weibo-Post beschrieb Peng, wie sie während seiner Zeit in Tianjin jahrelang Zhangs Geliebte war. "Unsere Zuneigung hatte nichts mit Geld oder Macht zu tun", notierte Peng. Als Zhang 2012 in den obersten Machtzirkel Chinas aufstieg, beendete er die Beziehung abrupt.

Die wenigsten KP-Kenner und Politinterpreten hatten ihn damals auf dem Zettel. Zhang führte in Tianjin eher unauffällig. "Mehr tun, weniger sprechen", lautete sein Wahlspruch. Wahrscheinlicher als eine Beförderung des blassen Zhang erschien den meisten damals ein Aufstieg von Bo Xilai, der als Parteichef von Chongqing seine Bevölkerung Mao-Hymen schmettern ließ. Als dessen Frau Gu Kailai jedoch im Frühjahr 2012 überführt worden war, einen britischen Geschäftsmann ermordet zu haben, endete Bos Karriere. Er sitzt seitdem im Gefängnis.

Aus nächster Nähe erlebte Zhang den Anti-Korruptionskampf von Xi Jinping. Hunderttausende Kader verloren ihre Jobs. Xi ging gegen die niedrigen Ränge vor - von der Propaganda "Fliegen" genannt -, genauso wie gegen die Großen, die Millionen zur Seite gebracht hatten, die "Tiger", wie Xi sie schimpfte. Wie inkonsequent dieser Kampf jedoch war, zeigten 2016 die Panama Papers. Xis eigener Schwager, Deng Jiagui, hatte etliche Offshore-Firmen gegründet und Millionen verdient. Aber nicht nur er: Auch ein Mann namens Lee Shing Put findet sich in den Daten. Er ist Teilhaber von drei Gesellschaften auf den Britischen Jungferninseln. Vor allem aber ist er der Schwiegersohn von Zhang Gaoli, dem mächtigen Vizepremier. Eine Information, die damals in China genauso rigoros zensiert wurde wie Peng Shuais Name heute.

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