Süddeutsche Zeitung

"Pegida"-Initiator Lutz Bachmann:Wortführer und Wutbürger

  • Lutz Bachmann gilt als Gesicht der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", kurz Pegida.
  • Bei Bachmann und den anderen elf Organisatoren des Marsches lassen sich direkte Bezüge zum organisierten Rechtsextremismus nicht nachweisen.
  • Mit Verbrechen hat Bachmann Erfahrung: Einbrüche und andere Taten brachten ihm ein Hafturteil über drei Jahre und acht Monate ein.

Von Jan Bielicki

Bachmanns Publikum in Dresden wird immer größer

Lutz Bachmann mag es offenbar, sich mitzuteilen. Auf Facebook hat er unter seinem Namen gleich drei Konten angemeldet. Spaziergänge mit Bärbl, dem Jack-Russell-Terrier, die prächtige Hochzeit vor der Kulisse von Schloss Wackerbarth, die Flitterwochen in der Dominikanischen Republik - der 41-Jährige dokumentiert sein Privatleben im Netz ausführlich, auch wenn sich das Interesse daran in Grenzen hält: Auf Twitter folgen gerade mal 34 Leute dem, was er zu sagen hat.

Ein sehr großes Publikum findet Bachmann dagegen jede Woche in der Dresdner Innenstadt. Mehr als 10 000 Demonstranten haben dem Mann im Parka und mit Siebentagebart am Montag begeistert zugejubelt. Bachmann, der eine Foto- und PR-Agentur betreibt und früher Bratwürste aus der elterlichen Metzgerei auf dem Striezelmarkt verkaufte, ist das Gesicht einer Bewegung, die sich "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", kurz: Pegida, nennt. Chef des Ganzen will er nicht sein: "Ich bin nur ein ganz kleines Zahnrad in etwas viel Größerem", sagt er der Süddeutschen Zeitung.

Neonazis und bekannte Hooligans marschieren mit

Wer also steckt hinter dieser Bewegung aus Sachsen, zu deren erstem "Abendspaziergang" im Oktober nur 200 Anhänger kamen und die nun auch in anderen Städten und vor allem im Netz Nachahmer findet? In Dresden marschierten Neonazis mit und einschlägig bekannte Hooligans, doch sie sind eine Minderheit unter den Demonstranten, wenn die ihre Parole "Wir sind das Volk" in den Nachthimmel brüllen.

Auch bei Bachmann und den anderen elf Organisatoren des Marsches lassen sich direkte Bezüge zum organisierten Rechtsextremismus nicht nachweisen. Sicher: Bachmann selbst macht mit weichem sächsischem Akzent harte Stimmung gegen die angebliche "Vollversorgung" von Flüchtlingen, während sich deutsche Senioren "nicht mal ein Stück Stollen leisten" könnten. Aber "echte" Flüchtlinge will er damit nicht gemeint haben. "Wir sind für Asyl und gegen jede Art von Radikalismus", hat er gar gesagt - und gleich darauf über "verfehlte Asylpolitik" geklagt.

Zorn, Wut, Hass im Netz

Wenn Bachmann früher twitterte, klang das nicht so harmlos, sondern nach Zorn, Wut, ja Hass: der linke Fraktionschef Gregor Gysi - ein "Stasischwein"; die Grünen gar - "gehören standrechtlich erschossen diese Öko-Terroristen! Allen voran Claudia Fatima Roth"; die SPD - eine "Verbrechertruppe".

Mit Verbrechen hat Bachmann Erfahrung: Einbrüche und andere Taten brachten ihm ein Hafturteil über drei Jahre und acht Monate ein. Er floh nach Südafrika, flog nach zwei Jahren auf und wurde abgeschoben - "schnell und unbürokratisch", wie er heute bewundernd feststellt. Er saß zwei Jahre seiner Strafe ab, wurde danach noch einmal mit Kokain erwischt, kam in U-Haft und steht bis Februar immer noch unter Bewährung. "Dazu muss ich stehen", sagt er. Doch Pegida-Anhänger fürchten Kriminalität offenbar nur, wenn sie aus der Fremde kommt. Lutz Bachmanns Geständnis beklatschten sie.

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Quelle:
SZ vom 10.12.2014
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