Dresden:Pegida, die letzte

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Ein Teilnehmer der wohl letzten Pegida-Demo in Dresden trägt eine Mütze in den deutschen und russischen Nationalfarben. (Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Nach zehn Jahren veranstaltet Gründer Lutz Bachmann die vorerst letzte Demonstration in Dresden. Rechtsextreme Szenegrößen bedanken sich und loben die Bewegung als Vorbild.

Von Johannes Bauer, Dresden

Schon nach kurzer Zeit klingeln einem die Ohren. Aber nicht wegen der großen Menschenmasse, die skandiert, die buht oder das wiederholt, was der Mann auf der provisorischen Bühne sagt. Auf gerade mal 500 Personen schätzt die Dresdner Polizei die Menge, die zur letzten Pegida-Demo auf dem Neumarkt gekommen ist. Auf einem zentralen Platz, an einem strahlenden Sonntag, an dem die Veranstalter um Pegida-Gründer Lutz Bachmann auf 3000 bis 5000 Demonstranten gehofft hatten. Dazu reicht es lange nicht.

Größer wirkt die Veranstaltung nur, weil die Boxen zu laut und zu schlecht eingestellt sind. Ständig überschlägt sich die Stimme des Redners. Enttäuschung ist Bachmann an diesem Sonntag aber nicht anzumerken, als er ans Mikro tritt. Vielmehr Stolz auf das, was er und Pegida geschafft haben, wie sie den politischen Diskurs in Deutschland nach rechts verschoben haben. Darüber, dass er Redebeiträge der bekannten Rechtsextremisten Götz Kubitschek, Jürgen Elsässer und Martin Sellner ankündigen kann, die sich bei Pegida und Bachmann bedanken für ihre Vorreiterrolle. Die knappen Grußworte laufen allerdings vom Band.

Pegida hatte Einfluss auf mehrere rechte und rechtsextreme Parteien und Bewegungen

Bachmann moderiert die knapp einstündige Veranstaltung nur. „Viele sind von uns inspiriert worden“, sagt er Richtung Publikum. Viele hätten sich nur dank Pegida wieder für Politik interessiert und engagiert. Seit der Gründung von Pegida vor genau zehn Jahren hätten mehr als 2,7 Millionen Menschen Demonstrationen besucht, die die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ abgehalten haben. Überprüfen lässt sich die Zahl nicht.

Unbestreitbar ist jedoch der Einfluss, den Pegida hatte. Das zeigt sich nicht zuletzt an den grün-weißen Flaggen der Freien Sachsen, der rechtsextremen Kleinstpartei, der Pegida Zulauf beschert hat und die sich die Protestform der Spaziergänge angeeignet hat. Zu den Profiteuren zählt auch die AfD, die auf dem Neumarkt ebenfalls mit ein paar Flaggen vertreten ist. Doch vorne auf der Bühne bedankt sich nicht der sächsische AfD-Vorsitzende Jörg Urban bei Pegida, auch nicht sein Thüringer Kollege Björn Höcke. Beide waren in der Vergangenheit „mitspaziert“. Immerhin Hans-Christoph Berndt, der Fraktionsvorsitzende der AfD Brandenburg ist nach Dresden gereist, um ein paar warme Worte an Bachmann zu richten – und was für welche: Er sagt, ohne Pegida hätte er diesen Posten nie bekommen.

„Dresden hat uns gezeigt, wie’s geht“, sagt Berndt, bevor er Punkte bemüht, die von Pegida, über Freie Sachsen bis zur AfD verbreitet wurden und werden: dass Deutschland in Trümmern liege und nur durch Patrioten wieder aufgebaut werden könne. Diese stünden denen gegenüber, die von einer „Krankheit der Selbstverachtung“ befallen seien. Bei diesen Worten zeigt Berndt in Richtung der nach Polizeiangaben ebenfalls etwa 500 Gegendemonstranten, in deren Reihen einige schwarz-rote Antifa-Flaggen wehen.

Die Wahlen hätten gezeigt, dass die AfD bei jungen Menschen die stärkste Kraft sei und „wer die Jugend auf seiner Seite hat, dem gehört die Zukunft“, sagt Berndt. Dort hinten krakeele die Vergangenheit, vor der Bühne stehe die Zukunft. Zu sehen ist das allerdings an diesem Sonntag nicht: Die Gegendemonstranten mit den Trillerpfeifen und Trommeln sind vorwiegend 20 bis 30 Jahre alt. Für Pegida, Freie Sachsen und AfD demonstrieren vor allem Rentner.

Gründer Bachmann ist ein mehrfach verurteilter Straftäter

Einen Lacher erntet Bachmann, als er davon spricht, sein Rednerpult befinde sich auf dem blauen „Asi-LKW“, der zu Pegida so viel besser passe als eine Bühne, die man deshalb wieder abbestellt habe. Zu Beginn hatte er bereits erklärt, warum er sich an diesem Tag selbst nicht politisch äußern wolle. Es ist auch einer der Gründe, warum es mit den Demonstrationen von Pegida zu Ende geht.

Vor gut einem Monat hatte das Amtsgericht Dresden Bachmann zu einer 17-monatigen Haftstrafe verurteilt, die wegen seines schlechten Gesundheitszustands zur Bewährung ausgesetzt wurde. Verurteilt hatte das Gericht Bachmann auch wegen Beihilfe zur Volksverhetzung, weil auf seinem Telegram-Kanal während der Coronakrise 2021 ein Foto veröffentlicht wurde, das zur Hälfte einen SS-Offizier und zur Hälfte einen Polizisten zeigt. Samt SS-Rune, Totenkopf und der Unterschrift: „Ich führe nur Befehle aus.“ Auf dem Kanal erschien außerdem ein Beitrag, in dem gegen Ukraine-Flüchtlinge gehetzt wurde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Bachmann wiederholte am Sonntag, die Inhalte stammten nicht von ihm, er betreibe den Kanal, „auf dem die Wahrheit gesagt wurde“, schon lange nicht mehr. Eine Distanzierung sieht anders aus.

Vor gut einer Woche hatte Bachmann das Ende der Demonstrationen von Pegida angekündigt, aus gesundheitlichen und finanziellen Gründen. Seine Verteidigung dürfte den 51-Jährigen, dessen Strafregister 22 Einträge zählt - neben Volksverhetzung auch Drogenhandel, Diebstahl und Steuerhinterziehung – viel Geld gekostet haben. Doch die angeblich 250. Demonstration sei nicht das Ende von Pegida. Bald wolle man mit Podcasts, sowie Beiträgen im TV und Radio an den Start gehen.

Allerdings ist fraglich, ob Pegida ohne die Präsenz auf der Straße in der Öffentlichkeit noch so viel Durchschlagskraft entfalten wird. Vielleicht hat der Verein seine Funktion aber schon erfüllt. Dafür spricht der Beitrag von AfD-Vordenker Götz Kubitschek, der Pegida historische Verdienste zuschreibt: „Man wird in Geschichtsbüchern über euch schreiben.“ Jürgen Elässer, der Verleger des rechtsextremen Compact-Magazins, spricht von Pegida als „Leuchtturm“, einem Verein, „der uns allen den Weg gebahnt hat“. Gleiches gilt für Matin Sellner, der schon auf Pegida-Veranstaltungen gesprochen hatte. Für den Vordenker der „Identitären Bewegung“ war Pegida einst „der Herzschlag des politischen Widerstands“. Die Demonstration war für Pegida freilich nur der Schlusspunkt, das Ende hat sich schon lange angebahnt.

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