Süddeutsche Zeitung

Pegasus-Projekt:Französische Behörde bestätigt Einsatz von Spähsoftware

Auf dem Handy eines Radiojournalisten wurden Spuren der Spähsoftware Pegasus gefunden, die 15 Telefone der Minister werden noch untersucht. Paris verhält sich auffällig defensiv.

Von Frederik Obermaier und Nadia Pantel, Paris

Die französische Behörde für Cybersicherheit (Anssi) hat Spuren der Spähsoftware Pegasus auf dem Telefon eines Journalisten des Radiosenders France 24 gefunden. Die Ermittler untersuchten auch die Telefone der Journalisten Edwy Plenel und Lenaïg Bredoux und konnten auch dort einen Kontakt mit Pegasus nachweisen.

Plenel und Bredoux hatten Anzeige erstattet, nachdem ein Netzwerk internationaler Medien, darunter die Süddeutsche Zeitung, in Zusammenarbeit mit Amnesty International im Rahmen des sogenannten Pegasus-Projektes aufgedeckt hatte, dass ihre Telefone von der Spähsoftware ins Visier genommen worden waren. Durch die französische Anssi wurden die forensischen Analysen von Amnesty International erstmals auch von staatlicher Seite offiziell bestätigt.

Damit wächst der Druck auf die NSO Group - und die israelischen Behörden. Die Pegasus-Projekt-Recherchen hatten gezeigt, dass die Spähsoftware des israelischen Herstellers NSO von Regimen wie Saudi-Arabien, Marokko, Aserbaidschan und den Vereinigten Arabischen Emiraten offenbar gegen Journalisten, Dissidenten und Menschenrechtler eingesetzt wird sowie - etwa im Fall von Marokko und Emmanuel Macron - auch gegen Staats- und Regierungschefs.

Die Pariser Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen

Die Pariser Staatsanwaltschaft hat bereits Ermittlungen aufgenommen. In Spanien hat ein mutmaßlich ausgespähter Journalist Anzeige erstattet. Unter anderem die Journalistenorganisation "Reporter ohne Grenzen" hat Klagen in weiteren Ländern angekündigt.

In Israel fuhren am Mittwoch Beamte verschiedener Behörden bei der NSO Group vor. Einige Medien sprachen von einer Durchsuchung, die Firma selbst von einem "freundlichen Besuch". Eine Expertenkommission, zu der Vertreter verschiedener Ministerien, der Armee und des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad zählen sollen, untersucht derzeit die Vorwürfe gegen die NSO Group.

Indirekt geht es dabei auch um das Verhalten früherer israelischer Regierungen. Denn die Erlaubnis zum Export der berüchtigten Spähsoftware Pegasus gab letztlich eine dem israelischen Verteidigungsministerium unterstehende Behörde. So war Pegasus auch beim Besuch von Israels Verteidigungsminister Benny Gantz in Paris Thema. Denn auf der Liste potenzieller Ausspähziele stand nach Recherchen des Pegasus-Projekt-Teams auch eine Nummer Macrons. Er wurde offenbar von marokkanischen Behörden ins Visier genommen.

Präsident Macron hat sein Mobiltelefon ausgetauscht

Nach dem Treffen zwischen Gantz und seiner Amtskollegin Florence Parly erklärte das israelische Verteidigungsministerium, man "nehme die Vorwürfe ernst", die gegen NSO erhoben werden. Die französische Regierung schweigt weiterhin zu dem Verdacht, dass Macron und 15 seiner Minister für Ausspähversuche ins Visier genommen wurden. Die Telefone der 15 Minister werden aktuell von der Cybersicherheit-Behörde Anssi untersucht. Ein Verfahren, das maximal einige Stunden dauert, zu dessen Ergebnis sich die französischen Behörden jedoch bislang nicht äußern.

Der Élysée-Palast bestätigt derweil, dass eines von Macrons Mobiltelefonen ausgetauscht wurde und der Präsident die Nummer, die in den Pegasus-Recherchen auftauchte, nicht mehr verwende. Auch Minister sollen laut Le Monde mit neuen, stärker gesicherten Telefonen ausgestattet worden sein. Zu der Frage, warum Frankreichs Regierung sich gegenüber Israel und Marokko so defensiv verhält, zitiert Le Monde einen Minister: "Es ist nervig, das sind zwei befreundete Staaten, auf die wir angewiesen sind bei der Zusammenarbeit in der Terrorbekämpfung."

Die US-Regierung - immerhin der engste Verbündete von Israel - äußerte laut Medienberichten zuletzt Bedenken, was den Einsatz der Pegasus-Software angeht. Mehrere Kongressabgeordnete hatten zuvor Sanktionen und Ermittlungen gefordert.

"Die autoritären Regierungen, die Spionageprogramme von Privatunternehmen kaufen, machen keinen Unterschied zwischen Terrorismus und friedlichem Dissens", heißt es in einem gemeinsamen Statement der Abgeordneten Tom Malinowski, Katie Porter, Joaquin Castro und Anna G. Eshoo. "Wenn sie sagen, dass sie diese Instrumente nur gegen Terroristen einsetzen, sollte jeder vernünftige Mensch davon ausgehen, dass sie sie auch gegen Journalisten und Aktivisten einsetzen, auch innerhalb der Vereinigten Staaten."

Die Bundesregierung will nicht sagen, welche Behörde Pegasus schon eingesetzt hat

In Deutschland wandte sich das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik mit einer Warnung an Behörden und Unternehmen. Darin ist von einem hohen Bedrohungspotenzial durch Pegasus die Rede. Die Bundesregierung verweigert indes Auskunft darüber, welche deutschen Behörden Pegasus womöglich schon eingesetzt haben oder dies noch immer tun.

Die Frage berühre "derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen", dass sie nicht einmal unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen in der sogenannten Geheimschutzstelle beantwortet werden könne, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz.

Dieser kritisierte die Weigerung der Bundesregierung als "grotesk und parlamentarisch inakzeptabel". Aus politischer Opportunität versuche die Bundesregierung, "die weitgediehene Zusammenarbeit staatlicher Stellen mit dubiosen privaten Sicherheitsfirmen unter den Teppich zu kehren". Nun sollen sich der Innenausschuss des Bundestags sowie das Parlamentarische Kontrollgremium der Sache annehmen.

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