Peer Steinbrück und die Kanzlerfrage:Der Selbstläufer

Die mögliche Kanzlerkandidatur von Peer Steinbrück ist derzeit wohl das einzig wirklich Interessante an der SPD. Deshalb wird jedes Treffen, jeder Auftritt und auch jedes Schweigen auf mögliche Hinweise abgeklopft. Der ehemalige Finanzminister hat es geschafft, das Thema Steinbrück in der Öffentlichkeit zu setzen - ohne dass er etwas dafür tun muss.

Nico Fried, Berlin

Der Weg ins Berliner Willy-Brandt-Haus beginnt an einer Pförtnerloge, in der Wachpersonal die Zentrale der Sozialdemokratie beschützt. Um in die oberen Stockwerke zu gelangen, nimmt man in der Regel einen gläsernen Fahrstuhl, in dem man von Mitarbeitern aus Pi mal Daumen drei Dutzend Büros gesehen wird und nicht selten auch von Besuchergruppen im Atrium des Gebäudes, die gerade die steinerne Skulptur des ersten SPD-Kanzlers bewundern.

HRE-Untersuchungsausschuss befragt Peer Steinbrück

Wenn Peer Steinbrück öffentlich auf die Kandidatenfrage angesprochen wird, zeigt er "eine bemerkenswerte Kreativität darin, die Frage nicht zu beantworten", urteilt der Spiegel.

(Foto: dpa)

In der Vorstandsetage führt der Weg in das Büro der Generalsekretärin vorbei an mehreren anderen Zimmern, zu denen nicht alle Türen stets geschlossen sind. Fazit: Das Willy-Brandt-Haus ist für ein Geheimtreffen zweier Sozialdemokraten ein allenfalls mäßig geeigneter Ort.

Am 8. Juni, einem Mittwoch, mithin einem gewöhnlichen Arbeitstag auch im Willy-Brandt-Haus, trafen sich hier Andrea Nahles und Peer Steinbrück. So berichtet es nun die Bild am Sonntag, und niemand widerspricht. Jetzt aber geht's erst richtig los: Was steckt dahinter? Und was nicht? Wenn die beiden wirklich etwas Wichtiges zu besprechen haben, würden sie es dann quasi in aller Öffentlichkeit demonstrieren?

Oder würden sie es gerade deshalb so machen, weil sie dem Treffen den Anstrich völliger Normalität geben wollen, um zu verbergen, worüber sie wirklich sprechen? Trifft sich Steinbrück mit Nahles, weil er am Ende auch ihre Unterstützung braucht? Oder trifft sich Nahles mit Steinbrück, weil sie nicht am Rande stehen will, wenn die Sache zu seinen Gunsten läuft?

Die mögliche Kanzlerkandidatur von Peer Steinbrück ist derzeit wohl das einzig wirklich interessante Thema in und an der SPD. Und deshalb wird jedes Treffen und jeder Auftritt, jedes Interview und auch jedes Schweigen des 64-Jährigen abgeklopft auf Hinweise. Steinbrück darf sich darüber nicht beschweren (tut er auch gar nicht), denn dass die Frage einer Kanzlerkandidatur ihn mittlerweile beschäftigt, streitet er ja nicht mehr ab.

Bei welcher Frage Steinbrück kreativ wird

Peer Steinbrück hat es geschafft, das Thema Steinbrück in der Öffentlichkeit so auszubalancieren, dass er selbst gar nichts mehr dafür tun muss, dass es ein Thema bleibt, außer einen guten Eindruck. In Umfragen steigen seine Werte, in Podiumsdiskussionen attestiert ihm sogar manch ein politischer Gegner, man werde es schwer haben, wenn er als Kanzlerkandidat antrete. In einem Berliner Promi-Restaurant wurde er dieser Tage im fröhlichen Zwiegespräch mit seinem Ex-Minister-Kollegen Michael Glos gesehen, woraus man wieder ganze Zöpfe der Konspiration flechten könnte, wenn man bedenkt, dass Glos 2009 auch aus Verbitterung über Angela Merkel das Wirtschaftsministerium aufgegeben haben soll. Steinbrück versteckt sich nicht, er tritt fortwährend irgendwo im Lande auf und lässt sich auch befragen. Wenn er aber öffentlich auf die Kandidatenfrage angesprochen wird, zeigt er, wie der Spiegel neulich trefflich resümierte, "eine bemerkenswerte Kreativität darin, die Frage nicht zu beantworten".

Mit der Krise um Griechenland und den Euro hat der ehemalige Finanzminister, der zudem noch im Europa-Ausschuss des Bundestages sitzt, zudem ein Spielfeld, das wie gemacht ist für unverfängliche, aber werbewirksame Dauerpräsenz in der Öffentlichkeit. In einer Bundestagsdebatte zum Euro hielt Steinbrück im März seine erste Parlamentsrede seit dem Ende der großen Koalition - nicht ohne sich vorher in gespielter Naivität über die Spekulationen zu mokieren, die daraus entstehen würden. Und wenn die SPD-Spitze an diesem Montag über ein Konzept für die Steuerpolitik befindet, dann steht darin nichts, was Steinbrück überraschen würde, obwohl er seit seinem Ende als stellvertretender Parteichef keinem offiziellen Führungsgremium mehr angehört.

Bemerkenswert an dem Treffen am 8.Juni ist allemal der Zeitpunkt: Immerhin hatte Nahles drei Wochen zuvor ein Interview von Steinbrück kritisiert. Der ehemalige Finanzminister hatte darin angekündigt, dass er sich zu einem geeigneten Zeitpunkt mit "zwei, drei" Führungspersönlichkeiten der SPD über die Frage der Kanzlerkandidatur zusammensetzen werde.

Dies wurde allgemein als grundsätzliche Bereitschaft zu einer Kandidatur verstanden, worauf Nahles kommentierte, "Selbstausrufungen" seien einer modernen Partei nicht angemessen. Sehr unwahrscheinlich ist es nicht, dass Nahles und Steinbrück auch über diesen Vorfall sprachen. Und dass es ein paar Wochen später in der Zeitung steht, schadet keinem von beiden.

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