Paulis Kandidatur als Sylter Bürgermeisterin:Bayerische Zugereiste auf der Schickimicki-Insel

Bürgermeisterwahl auf Sylt

Eine Bayerin auf Sylt - Gabriele Pauli posiert in einem Strandkorb in Westerland.

(Foto: dpa)
  • Die ehemalige CSU-Politikerin und Fürther Landrätin Gabriele Pauli will Bürgermeisterin von Sylt werden. Sie hat fünf Konkurrenten - drei stammen von der Ferieninsel.
  • Pauli verschafft dem Wahlkampf überregionale Aufmerksamkeit, die ganze Republik schaut auf die Medienfigur.
  • Die Sylter Bevölkerung hat jedoch ganz andere Probleme: Platznot, überteuerter Wohnraum und Abwanderung.

Von Thomas Hahn, Sylt

Gabriele Pauli steckt nun wieder in diesem Kampf um Sympathie, in dem man gerne die Herrschaft über die Wahrnehmung der anderen hätte. Und da kann es schon mal vorkommen, dass sie den Eindruck erweckt, sie wolle sich die Wahrheit mit ein paar geschwungenen Handbewegungen zurecht zaubern.

Die Zitate jedenfalls, welche Gabriele Pauli zur Autorisierung bekommen hat, sind viel länger zurückgekommen, als sie es vorher waren. Gabriele Pauli fehlten da offensichtlich noch ein paar Punkte, die es den Leuten leichter machen könnten, sie gern zu haben bei ihrem Bemühen, Bürgermeisterin von Sylt zu werden. Sie hat ein paar Sätze dazugeschrieben, die sie im Gespräch einige Tage zuvor im Kaminzimmer eines Westerländer Hotels auf diese Art gar nicht gesagt hat. Zum Beispiel den: "Aber die Führung einer Verwaltung ist meine Kernkompetenz, dafür habe ich das Bundesverdienstkreuz erhalten." Oder: "Ich war gut beschäftigt, hatte immer wieder Angebote aus der Wirtschaft. Starke Frauen mit Wirtschaftskompetenz sind gefragt."

Der Bürgermeister-Wahlkampf auf Sylt steckt in seiner letzten Phase. An diesem Sonntag sind die Wahlberechtigten der größten Gemeinde auf der wohl berühmtesten deutschen Ferieninsel aufgerufen, die Nachfolge der parteilosen Amtsinhaberin Petra Reiber zu klären, die nach 24 Jahren im Rathaus von Westerland Abschied nehmen will. Die sechs Kandidaten versuchen die letzten Gelegenheiten wahrzunehmen, mit ihren Argumenten und Sichtweisen in die Köpfe der Leute zu kommen.

Pauli kandidiert auf Sylt

Lesen Sie Thomas Hahns Seite-3-Reportage über Sylt in der Süddeutschen Zeitung vom 9. Dezember oder in der digitalen Ausgabe.

Und wie immer auf Sylt gibt es dabei zweierlei Draufsichten aufs Geschehen. Die Sylter selbst betrachten jeden Kandidaten streng und aufmerksam, weil sie mit der Wahl die Zukunft im Kampf gegen Platznot, überteuerten Wohnraum und Abwanderungen verbinden; auch wenn der Sylter Bürgermeister eher eine Art Geschäftsführer-Posten bekleidet, der vor den Beschlüssen des Gemeinde-Parlaments mehr Pflichten als Einflussmöglichkeiten hat.

Der ganze große Rest der Republik aber schaut vor allem auf Gabriele Pauli, 57, die Medienfigur aus Bayern, die seit ein paar Jahren immer wieder mit mehr oder weniger schrägen Kampagnen auf sich aufmerksam macht.

Es ist eine seltsame Prominenz, die Gabriele Pauli da vor sich herträgt. Man weiß gar nicht so genau, wo diese Berühmtheit herkommt, denn so richtig groß ist Gabriele Pauli in der Politik nie gewesen. Sie wäre wohl kaum 18 Jahre lang ab 1990 Landrätin in Fürth gewesen, wenn sie in dieser Zeit nicht auch was geschafft hätte, aber damit hat ihre Bekanntheit ja im Grunde wenig zu tun. Vor bald zehn Jahren hat sie mal den Mut gefasst, in einer Partei gegen den Strom zu schwimmen, die sich mit Querdenkern traditionell schwertut. Sie war vor acht Jahren die schöne Landrätin, die gegen den damaligen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Edmund Stoiber aufmuckte. Sie stand im Gegenwind der christsozialen Männerwelt.

Kompromittierende Details aus dem Privatleben

Stoibers Bürochef Michael Höhenberger soll damals kompromittierende Details aus ihrem Privatleben gesammelt haben. Sie nutzte damals die Medien, die Medien sprangen dankbar auf. Aus dieser Zeit heraus hat sich dann so etwas wie die Marke Pauli entwickelt: eine etwas unstete Öffentlichkeitsfigur, die fürs Hochglanz-Gewerbe posierte und sich gleichzeitig im seriösen Fach versuchte, als Landtagsabgeordnete der Freien Wähler, als Kandidatin der Freien Wähler fürs Europaparlament, als Gründerin der Partei Freie Union.

Jetzt also Sylt. Die nächste Station auf dem Weg einer Image-Kanone. Klischee kommt zu Klischee: die fotogene Regenbogenpolitikerin zur Schicki-Micki-Insel. Und dass die Mischung unter PR-Gesichtspunkten nicht funktioniert hätte, kann keiner sagen. Als der Name Pauli im Zusammenhang mit der Sylter Bürgermeister-Wahl aufkam, merkten die Leute auf. Ihre Kandidatur hat die überregionalen Medien gelockt. Gabriele Pauli ist der Hingucker des lokalen Wahlkampfs. Im Grunde kann man sagen, dass durch die Personalie Pauli die Probleme Sylts noch einmal so richtig rumgegangen sind im ganzen Land.

Drohender Ausverkauf der lokalen Identität

Allerdings ist die Lage auf Sylt ernst, und mit diesem Ernst ist die Frage verknüpft, ob Sylt gerade eine bayerische Ex-Landrätin braucht oder vielleicht doch jemand aus der eigenen Nachbarschaft. Seit Monaten bereist Gabriele Pauli die Insel. Sie hat mit den Leuten gesprochen. Sie weiß vom drohenden Ausverkauf der lokalen Identität. Sie hat die Dimensionen der Platznot erfasst. Sie kann davon erzählen, dass es auf Sylt 17-jährige Auszubildende gibt, die bei 500 Euro Gehalt 300 Euro Miete für ein Zimmerchen zahlen und dafür zwölf bis 14 Stunden arbeiten. Sie hat einen Zehn-Punkte-Plan aufgelegt, wie sich das gehört für eine Politikerin, die ein Talent zum Aufbruch zeigen will. Und wenn man mit ihr über Sylt am Kaminfeuer spricht, wirkt sie so leise, wie man das von einer Politikerin auf PR-Tour nicht erwarten würde.

Trotzdem kann es sein, dass es nicht reicht für sie. Ein paar oberflächliche Eindrücke bei den Wanderungen über die Insel deuten an, dass der Leidensdruck der Normal-Sylter im Spannungsfeld von Viel-Sterne-Tourismus, Immobiliengeschäft und Inselalltag doch etwas zu groß sein könnte, um das Bürgermeisteramt einer Zugereisten zu überlassen, die man vor allem aus der Illustrierten kennt.

Gabriele Pauli selbst verweist gerne auf ihre Erfahrung als Landrätin, die sie den anderen Kandidaten voraus habe. Sie wirkt vorsichtig siegessicher, allerdings bei aller Nachdenklichkeit auch ein bisschen fahrig. Wie es überhaupt zu der Kandidatur kam? Das wollen eigentlich alle wissen, und in der autorisierten Fassung wirkt ihre Antwort darauf auch klar und fest: "Sylt ist sehr besonders. Die Insel ist ein Paradies, dem der Ausverkauf droht. Engagierte Sylter Bürger fragten mich, hierher zu kommen, weil einiges im Argen liegt. Ich traue mir das zu. Meine Kandidatur war dann die logische Konsequenz. Ich hatte schnell Unterstützer, an nur einem Tag erhielt ich die notwendigen 135 Unterschriften. Viele stehen von Anfang an hinter mir." Im aufgezeichneten Gespräch schien sie selbst darüber zu staunen, dass sie nach Sylt in den Wahlkampf gekommen ist.

Parteigründung ging im Chaos unter

Die Geschichte von Gabriele Pauli ist am Ende eben doch in erster Linie eine Geschichte von den Medien, die auf Inhalte ganz gut verzichten können, wenn die Fassade stimmt. Gabriele Pauli funktioniert als Figur und Klischee für die Öffentlichkeit, weniger als politisches Wesen. Sie kann durchaus auch einen selbstkritischen Blick werfen auf ihre Zeit als schöne Gabi auf allen Bühnen. Sie kann auch sehr anschaulich erklären, wie ihre Parteigründung Freie Union in einem Chaos aus Anschauungen und Profilneurosen unterging. Aber will das wirklich jemand von ihr wissen?

Es gibt keine Wahlprognosen auf Sylt. Keiner weiß, wie es steht im Kampf ums Westerländer Rathaus. Nur die groben Linien sind klar. Drei Sylter, Lars Schmidt, Bernd Reinartz und Nikolas Häckel, stehen im Wettbewerb mit einem Trio aus Zugereisten, aus dem die B-Prominente Gabriele Pauli heraussticht. Es geht bei dieser Wahl auch um die Frage, ob die Sylter ihren eigenen Kräften vertrauen. Oder ob sie eine Hilfe wollen, die aus einer anderen Welt kommt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: