San Francisco:Hammerangriff auf Nancy Pelosis Ehemann schreckt Amerikaner auf

San Francisco: Polizisten beim Wohnsitz der Familie Pelosi in San Francisco.

Polizisten beim Wohnsitz der Familie Pelosi in San Francisco.

(Foto: Eric Risberg/AP)

Ein Mann bricht in das Haus der bekannten US-Demokratin ein und verletzt ihren Mann. Der Angriff ist nur das jüngste Beispiel für politische Gewaltakte.

Von Fabian Fellmann, Washington

Ist der Angriff auf Nancy Pelosis Ehemann ein weiterer Schritt Richtung Bürgerkrieg? Diese bange Frage diskutieren Historikerinnen und Historiker in den USA, nachdem ein Angreifer am Freitagabend in das Haus der prominenten Demokratin in San Francisco eingebrochen war.

Der 42-jährige Täter suchte laut Polizei Nancy Pelosi, die im fernen Washington war. Mit einem Hammer griff er darauf den 82-Jährigen Paul Pelosi an und verletzte ihn am Kopf, bevor er von der Polizei verhaftet wurde. Pelosi erlitt einen Schädelbruch und Verletzungen am rechten Arm und wurde operiert; ihm wurde eine vollständige Genesung in Aussicht gestellt.

Die Konfliktforscherin Barbara F. Walter schrieb auf Twitter, der Angriff auf Pelosi könne ein weiterer Hinweis darauf sein, dass die USA sich bereits in einer Frühphase eines Bürgerkriegs befänden. Diese Einschätzung stützt sie auf eine Checkliste der CIA, mit welcher der Geheimdienst die Wahrscheinlichkeit von Aufständen in Krisenregionen einzuschätzen versuchte.

Walter hat schon Furore gemacht mit dem Buch "Wie Bürgerkriege beginnen". Sie wandte die für Länder wie Venezuela entwickelten CIA-Checklisten auf die USA an - und führte den Amerikanerinnen und Amerikanern damit eindrücklich vor, in welch fragilem Zustand sich das politische System des Landes gerade befindet. Die politische Gewalt nehme zu, schließt Walter nun nach dem Angriff auf Pelosi.

Einer schweigt auffallend laut zu dem Angriff

Auch Angaben der Capitol Police, die für den Schutz des Kongresses und seiner Mitglieder zuständig ist, deuten auf eine Zunahme von Drohungen und Gewaltakten hin. Die Zahl der registrierten Drohungen etwa hat sich in fünf Jahren verdreifacht. Erst im Juli stand ein Angreifer vor dem Haus der Abgeordneten Pramila Jayapal, einer prominenten Demokratin. Sie veröffentlichte daraufhin einige Beispiele verstörender Sprachnachrichten von ihrem Telefon.

Angegriffen werden sowohl Demokraten als auch Republikaner, von Kongresskandidatinnen in Kalifornien bis zu Gouverneurskandidaten in New York. Nachdem das Oberste Gericht das Recht auf Abtreibung abgeschafft hatte, gerieten die konservativen Richter ins Visier. Das Haus der Trump-Anhängerin Marjorie Taylor Greene wurde nun schon sechsmal von Spezialeinheiten aufgesucht - wegen Drohungen, die wohl einzig dazu da waren, diese Spezialeinheiten aufmarschieren zu lassen. Die Attacke auf Nancy Pelosis Mann löste denn auch in beiden politischen Lagern Bestürzung aus. Der republikanische Minderheitsführer Mitch McConnell schrieb auf Twitter, er sei "erschreckt" und "angeekelt" angesichts der Berichte über den Angriff.

Nur einer schwieg auffallend laut, mindestens ebenso laut, wie er sonst pausenlos gegen Nancy Pelosi hetzt: Donald Trump. "Crazy Nancy" ist eine der Lieblingszielscheiben Trumps und seiner Anhänger, ihr Haus wird regelmäßig in rechten Medien abgebildet. Der Angriff auf ihren Ehemann ist damit als weiterer Teil einer jahrelangen Einschüchterungskampagne zu sehen, die von Donald Trump orchestriert oder zumindest befeuert wird. Trauriger Höhepunkt war am 6. Januar 2021. Trump-Anhänger drangen ins US-Kapitol ein, vor dem sie einen Galgen aufgebaut hatten, und skandierten in den Gängen des ehrwürdigen Gebäudes: "Wo ist Nancy?" Dasselbe rief nun laut Polizeiangaben auch der Angreifer in San Francisco.

Trumps Anhänger weisen jegliche Mitverantwortung für das politische Klima von sich. Über den Angriff auf Pelosi entwickelten sie umgehend eine Verschwörungserzählung: In Wahrheit sei der Angreifer ein Prostituierter, schrieb ein kalifornisches Lokalblatt von zweifelhaftem Ruf. Bei der Verbreitung der Behauptung half ausgerechnet der neue Chef-Twitterer Elon Musk. Am Sonntag antwortete Musk auf einen Tweet von Hillary Clinton, die die Republikaner beschuldigte, Hass zu säen, indem er einen Link zu der Behauptung publizierte und dazu schrieb: "Es gibt die winzige Möglichkeit, dass an der Geschichte mehr dran ist." Einige Zeit später löschte er seinen Tweet wieder.

Trump selbst äußerte dazu kein Wort des Bedauerns, er verurteilte den Angriff nicht einmal. Stattdessen stieß er auf seinem Netzwerk Truth Social eine weitere verklausulierte Todesdrohung aus. Die Justiz betreibe politische Prozesse gegen ihn, dabei sei doch Joe Bidens Sohn Hunter viel schlimmer. Würde gegen ihn, Donald Trump, so viel belastendes Material vorliegen wie gegen Hunter Biden, würden ihn die Demokraten bestimmt auf den elektrischen Stuhl setzen, schrieb Trump. Es ist keineswegs auszuschließen, dass verwirrte Fans daraus lesen, Hunter Biden verdiene den Tod. Der Angreifer auf Nancy Pelosis Mann etwa hatte in den Wochen vor der Tat wirre Texte online veröffentlicht, die von einem rechten und rassistischen Gedankengut zeugen, aber auch von Wahnvorstellungen.

Biden wirft den Republikaner Verrohung vor

Nicht nur Fachleute warnen vor möglicher politischer Gewalt in der gegenwärtig aufgeheizten Stimmung. Auch in Wählerumfragen taucht die Furcht davor regelmäßig auf, seit Donald Trump seine Lügen über Wahlmanipulationen verbreitet. Bei einem Wahlkampfauftritt machte Biden die Republikaner für die Verrohung des politischen Klimas in den USA verantwortlich. "Was lässt uns denken, dass eine Partei über gestohlene Wahlen reden kann, und dass Covid eine Lüge ist - und dass das keinen Einfluss auf Leute haben wird, die vielleicht nicht so ausgewogen sind?", sagte der Präsident. "Es gibt zu viel politische Gewalt, zu viel Hass."

Acht Tage vor den Zwischenwahlen ist die Atmosphäre im Land damit sehr angespannt. Die Polizei des Kapitols prüft nun, den Schutz für die höchsten Politiker des Kongresses auszuweiten. Bisher werden nur sie persönlich beschützt; ihre Familien genießen den Schutz nur in Anwesenheit des Kongressmitglieds. Wieder und wieder haben Politiker offenbar in den vergangenen Monaten vergeblich um mehr Schutz gebeten; einige lassen sich von lokalen Polizeikräften bewachen, andere haben private Sicherheitsdienste engagiert.

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