Patriotismus, Nationalismus, Deutschlandfahne:Von wegen "unverkrampftes Verhältnis" zum Vaterland

Zur WM sind Deutschlandfahnen wieder allgegenwärtig. Für viele gelten sie als Accessoire eines harmlosen Party-Patriotismus. Manche Sozialwissenschaftler und Psychologen sehen das anders.

Von Markus C. Schulte von Drach

Nun wehen wieder Deutschlandfahnen, gehisst in Vorgärten, beim Public Viewing, auf T-Shirts gedruckt getragen, auf Wangen gemalt, Autos sind mit Fähnchen und schwarz-rot-goldenen Außenspiegelhüllen geschmückt.

Seit 2006, als Deutschland zur Fußballweltmeisterschaft der Männer eingeladen hatte und die Gäste zum ersten Mal seit dem Ende des Krieges mit einem Meer aus Deutschlandfahnen, -flaggen und -bannern begrüßt wurden, gelten sie als Ausdruck eines neuen, harmlosen und weltoffenen Patriotismus.

Wofür sie nicht stehen sollen, ist dagegen Nationalismus. So hieß es jedenfalls damals im Abschlussbericht der Bundesregierung zur WM, und so hieß es noch jedes Mal, wenn bei sportlichen Großereignissen allerorts die nationalen Insignien präsentiert wurden. Alles nur Party-Patriotismus und ein angemessener Stolz aufs Vaterland - so die Überzeugung vieler Politiker.

Selbst für den Vorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Robert Habeck, hat sich 2006 "das Verhältnis zur deutschen Fahne bei Fußballspielen der Nationalmannschaft entkrampft". Sie sei ein Symbol für Fans einer ethnisch vielfältigen deutschen Nationalmannschaft gewesen und "für ein einladendes, freundliches, tolerantes Land, das Respekt und Anerkennung lebt". Journalisten im In- und Ausland betonten damals, die Deutschen hätten endlich ein "unverkrampftes Verhältnis" zu ihrem Vaterland entwickelt. Inzwischen wird mancherorts sogar die Forderung laut, möglichst oft - nicht nur zur WM - Flagge zu zeigen.

Doch nicht alle sind davon überzeugt. Insbesondere die Grüne Jugend ruft immer wieder dazu auf, auf die Fahnen zu verzichten. Dafür wurden die jungen Leute allerdings auch jedes Mal heftig angefeindet.

Vor sechs Jahren hatte die SZ bei einer Reihe von Sozialwissenschaftlern und Psychologen nachgefragt, was es tatsächlich mit dem Verhältnis von Patriotismus, Nationalismus und der neuen Begeisterung für Deutschlandfahnen auf sich hat. Die Antworten waren durchweg kritisch. Hat sich die Einschätzung der Experten inzwischen geändert?

Eine Nachfrage zeigt: Alles, was sie damals gesagt haben, unterschreiben die Fachleute heute immer noch. Die Verhältnisse in der Welt und auch in Deutschland allerdings haben sich seitdem geändert. Zunehmende nationalistische Tendenzen etwa in Ungarn, Polen, Österreich, Frankreich, Großbritannien und den USA bereiten vielen Menschen Sorgen. In Deutschland haben inzwischen Pegida-Demonstranten und die rechtsnationale AfD die Deutschlandfahnen für sich vereinnahmt. Die deutschen Medien dagegen zeigen sich dem Fahnenmeer gegenüber "heutzutage sehr viel kritischer", sagt die Berliner Sozialwissenschaftlerin Dagmar Schediwy.

Was ist Patriotismus?

Grundsätzlich gilt nach wie vor: Der Begriff Patriotismus wird von vielen Menschen falsch verwendet. "Der Kern des Patriotismus ist, genau wie beim Nationalismus, die Identifikation mit seinem Land", sagt Wilhelm Heitmeyer, ehemals Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. "Der Patriot ist außerdem stolz auf die Demokratie und auf die sozialen Errungenschaften in seinem Land, ohne dass er das mit anderen Ländern vergleicht. Der Nationalist dagegen vergleicht sein Land immer mit anderen Nationen. Er ist stolz, Deutscher zu sein, und er ist stolz auf die deutsche Geschichte."

AfD-Demonstration vor dem Brandenburger Tor in Berlin im Mai 2018.

AfD-Demonstration vor dem Brandenburger Tor in Berlin im Mai 2018.

(Foto: AFP)

Wissenschaftlern um Ulrich Wagner und Julia Becker von der Universität Marburg ist es vor einigen Jahren gelungen, empirisch zu belegen, dass sich diese Konzepte tatsächlich trennen lassen. Und was noch wichtiger ist: Sie konnten darüber hinaus zeigen, dass Nationalismus tatsächlich einhergeht mit Fremdenfeindlichkeit, während Patrioten diese Tendenz eher nicht zeigen (European Sociological Review, Bd.28, S.319-332, 2012). Haben sich Politiker wie der damalige Präsident Horst Köhler 2006 also zu Recht über den "Patriotismus" der deutschen Fans gefreut? Hatte sich hier gerade die weltoffene Haltung der Bundesbürger gezeigt?

Leider kann man das so nicht sagen. Die Marburger Forscher stellten nämlich fest, dass es darauf ankommt, wie wichtig einem Patrioten die demokratischen Prinzipien sind. Je stärker er diese betont, desto geringer ist seine Fremdenfeindlichkeit. "Die Identifikation mit dem Land spielt bei diesen Patrioten keine so wichtige Rolle", sagt Wagner. "Wenn sie aber hochgekocht wird, dann kommt es auch bei Patrioten zu dem gleichen negativen Effekt wie beim Nationalisten."

Bereits 2006 veröffentlichten Wagner, Becker und weitere Forscher eine Studie, die zeigte, dass die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland nach der WM nicht geringer war als zuvor. Der Nationalismus hatte sogar leicht zugenommen. "Vielleicht war die Welt während der Weltmeisterschaft tatsächlich zu Gast bei Freunden, wie es hieß", kommentiert Wilhelm Heitmeyer, einer der Ko-Autoren, die Ergebnisse. "Aber danach war es damit wieder vorbei."

Es geht weniger um Sport und mehr um Zugehörigkeit und Nationalstolz

Auch Daten der Sozialwissenschaftlerin Schediwy widerlegen offenbar die Einschätzung der Politiker, das Auftreten der Fans spiegele vor allem Patriotismus wider. Die Berliner Forscherin hatte während der Weltmeisterschaften 2006 und 2010 sowie bei der EM 2008 Anhänger der deutschen Nationalmannschaft auf den Fan-Meilen befragt. "Es geht hauptsächlich um das Erleben und Ausdrücken von Zugehörigkeit, die im Alltag offenbar wenig erfahrbar ist", sagt sie. Motive der Fans seien ausdrücklich Vaterlandsliebe und Nationalstolz, der Sport selbst landete eher auf dem hinteren Platz. Mit der Zeit, so stellte Schediwy in ihrer Studie fest, empfanden die Fans gerade den Nationalstolz zunehmend als natürlich.

Julia Becker, inzwischen an der Universität von Osnabrück, hat mittels Befragungen während der EM 2016 darüber hinaus festgestellt: Die Wahrscheinlichkeit, bei den Fans - insbesondere bei Männern - Hinweise auf Nationalismus zu finden, wächst mit der Zahl der Fahnen, die jemand mit sich trägt oder am Auto befestigt. Die Korrelation ist zwar schwach - aber vorhanden. Das gleiche gilt für Vorurteile gegenüber Migranten.

Klaus Boehnke von der Jacobs University in Bremen vermutet darüber hinaus bei vielen einen Mitläufer-Effekt. Die sehen den Wirbel um sie herum und wollen auch dabei sein. "Dass sie dabei ein bestimmtes Konzept aufgreifen, ist ihnen vermutlich nicht bewusst." Wagner sieht das ähnlich: "Die nehmen einen Trend mit, der auch von außen durch verharmlosende politische Äußerungen weiter gefördert wird. Und dieser Gesamtprozess birgt über längere Zeit eine große Gefahr des Missbrauchs."

Demnach spielt ein Bezug auf die Demokratie und die sozialen Errungenschaften in der deutschen Gesellschaft kaum eine Rolle für die Fahnen schwingenden Fans. Es mag zwar vielen um den Partyspaß und den Sport gehen - dafür aber bräuchte man keine Fahnen. Den meisten scheint es eher um die Identifikation mit einer Gruppe zu gehen, deren Mitglieder man an den nationalen Insignien erkennt.

"Party-Patriotismus" ist nichts anderes als Nationalismus

Aber die deutschen Fans sind doch nicht die Einzigen, die während solcher Großveranstaltungen Fahnen schwingen und singen. Wieso macht man sich also hierzulande einen solchen Kopf darüber?

Das hängt den Forschern zufolge unter anderem mit dem Selbstverständnis von Staatsbürgerschaft zusammen. Und die wird in Deutschland noch immer vor allem über die Abstammung definiert und nicht über den Geburtsort, wie es bei den US-Amerikanern, den Franzosen oder Briten möglich ist. "Wir sind deshalb mit solchen Ländern nicht vergleichbar", erklärt Wagner. "Wenn das alltägliche Staatsverständnis wie bei uns von genetischer Abstammung geprägt ist, wirkt sich der Nationalismus stärker negativ aus."

Der "Party-Patriotismus" in Deutschland ist demnach nichts anderes als Nationalismus, stellt Heitmeyer deshalb fest. Und Boehnke hält sowieso nur wenig davon, Nationalismus und Patriotismus zu trennen. Das wäre lediglich aus wissenschaftlicher Perspektive sinnvoll, in der Öffentlichkeit dagegen nicht.

Risikofaktor Gruppenidentifikation

Über die Folgen, die es hat, wenn sich Menschen zu Gruppen zusammenschließen, wissen Sozialwissenschaftler genug, um sich über die Entwicklung in Deutschland Sorgen zu machen. "Politiker und manche Wissenschaftler vermuten, dass die Identifikation mit der eigenen Nation eine Voraussetzung dafür ist, dass eine Gesellschaft überhaupt funktioniert", erklärt Wagner. "Aber diese Identifikation bedeutet auch immer, dass man in einer gewissen Form die Landeszugehörigkeit in das eigene Selbstverständnis aufnimmt." Man ist nicht mehr nur ein Mensch, zufällig geboren in einem bestimmten Land. Man definiert sich selbst zu einem Teil über die Nationalität.

Um mit sich selbst zufrieden zu sein - die Wissenschaftler sprechen vom Streben nach einer positiven Selbstbewertung -, neigt man dazu, auch die Gruppe, der man angehört, positiv von anderen Gruppen abzusetzen. Dieses Phänomen ist gut untersucht. Als Gruppe kann man natürlich auch "die Deutschen" betrachten. Und da wird es heikel.

"Eine zu starke Identifikation mit dem eigenen Land birgt die Gefahr, dass sie in Nationalismus umschlägt", so Wagner. "Und das kann zur Ausgrenzung jener führen, die man selbst als nicht dazugehörig wahrnimmt." Je schärfer die Grenzen gezogen werden, und umso weniger kritische Positionen innerhalb der Gruppe existieren, desto größer ist die Gefahr. Innerhalb einer Gesellschaft kann sich die Ausgrenzung zum Beispiel gegen Migranten richten - ein Phänomen, das in Deutschland gut zu beobachten ist und sich etwa in den Wahlerfolgen der AfD widerspiegelt.

Rückwärtsgewandte Orientierungen

Doch auch im internationalen Rahmen befürchten die Fachleute negative Konsequenzen. "Ich halte dieses ungezwungene Zeigen der nationalen Insignien - und zwar gar nicht mit Blick auf den Holocaust und andere deutsche Verbrechen - für problematisch, weil hier eine antimoderne Stimmung entsteht", sagt Boehnke.

"Nationalismus oder Patriotismus sind rückwärtsgewandte Orientierungen, und die Fahnen stehen für ein ebensolches Gesellschaftsverständnis: Jedem sein kleines Königreich, das es gegen alles Fremde zu verteidigen gilt. Wir leben aber in einem Zeitalter, wo es darauf ankommt, mit anderen international zu kooperieren." Im Vordergrund, so Boehnke, stehe doch die Frage, wie unser Gemeinwesen mit zunehmender Vielfalt umgehe, nicht wie es sich dagegen abschottet.

Das Tragen nationaler Insignien aber schafft Distanz zu anderen. "Für die AfD-Vorsitzende Alice Weidel wird ja schon das Mitsingen der Nationalhymne zum Lackmustest, ob jemand ein Mitglied der Gesellschaft ist - und Fahnen flattern zu lassen, noch mehr. Dabei wäre es wichtig zu zeigen, dass wir offen sind für die Welt."

Wann Patriotismus in Nationalismus umschlagen kann

Das Hochspielen der nationalen Symbole unter den Fans hatte Ulrich Wagner zufolge vor einigen Jahren im Einzelnen vielleicht keine spürbaren Folgen. Auch Wilhelm Heitmeyer sah damals vor allem "singuläre Ereignisse, Rauschzustände, die man vom Alltag trennen muss". Aber die Wiederholung und das Ritualisieren könnten langfristig zu einer Normalisierung führen, vermuteten die Fachleute. Und zwar nicht nur, weil wir uns daran gewöhnen.

In einer 2012 veröffentlichten Studie konnten Wagner und sein Team zeigen, dass schon eine kleine deutsche Flagge auf einem Fragebogen dazu führt, dass das Nationalgefühl und die Ablehnung von Fremden wächst - zumindest bei jenen, die bereits eine leichte Tendenz zum Nationalismus haben (Social Psychology, Bd.43, S.3-6, 2012). Welche Effekte dürfte dann das Fahnenmeer beim Public Viewing haben?

Wohin sich der Patriotismus in Deutschland, der laut Forschern eigentlich gar keiner ist, tatsächlich entwickeln würde, ließ sich vor sechs Jahren nicht sagen. Denn eine wichtige Rolle in Bezug auf nationalistische Tendenzen spielen den Sozialwissenschaftlern zufolge verschiedene Bedingungen in der Gesellschaft. Wer Angst um seinen Arbeitsplatz hat, oder davor, dass die Gesellschaft sich zu stark und zu schnell ändert, und wer befürchtet, dass das vertraute soziale Umfeld zerfällt, besinnt sich leicht auf einen problematischen Identitätsanker. "Das Deutschsein", erklärt Wilhelm Heitmeyer, "kann uns niemand nehmen." Und dafür stehen eben auch die Fahnen. Das bestätigt die Untersuchung von Becker und ihrem Team unter den Fußball-Fans: Wer sich in einer wirtschaftlich prekären Lage befindet, neigt etwas eher zur Fahne.

Besonders wichtig ist hier allerdings das Verhalten von Politikern. Wenn etwa "Fremde" als angebliche Ursache für Probleme dargestellt werden, wird es heikel. Und hier hat sich tatsächlich etwas verändert: Mit der AfD und Pegida ist ein neuer, Fahnen schwenkender Nationalismus, oder, wie Wilhelm Heitmeyer es ausdrückt, "ein neuer, autoritärer Nationalradikalismus zu sehen, den es vor sechs Jahren in den parteipolitischen oder sozialen Bewegungen nicht gab". Gerade die Wahlerfolge der AfD werden aber von Sozialwissenschaftlern zum Teil damit erklärt, dass viele Menschen sich wegen der großen Zahl von Migranten Sorgen machen, und diese Sorgen von der Partei zur Fremdenfeindlichkeit angeheizt werden.

Es sind solche Erkenntnisse, mit der auch die Grüne Jugend ihre Haltung begründet. "Der Gebrauch von nationalen Symbolen trägt in der Masse zu einer gesellschaftlichen Stimmung bei, in der ein besonders positiver Bezug zur eigenen Nation und die Abwertung von denen, die nicht dazugehören, normalisiert und geduldet werden", sagt die Vorsitzende der Organisation, Ricarda Lang. "Diese Stimmung gibt gerade nationalistischen Kräften Rückenwind, da sie sich in ihrem Anliegen bestätigt fühlen und die Situation nutzen, um für ihre furchtbare Ungleichwertigkeitsideologie zu werben."

Fußball braucht keinen Patriotismus

Ob die Entwicklungen im Umgang mit der Fahne sich nun auf das Verhalten der Fußballfans tatsächlich auswirken, ist noch unklar. "Bei der WM im Sommer 2014 gab es zumindest Pegida noch nicht", sagt Dagmar Schediwy, "im Herbst sind sie dann angetreten, auch mit der Parole 'Patriotismus ist kein Verbrechen', die durchaus auch vom Fußball-Patriotismus-Diskurs geprägt war." Weil Pegida und die AfD gern mit schwarz-rot-goldenen Fahnen auftreten, könnten die Fans im Umgang mit nationalen Symbolen in Zukunft vielleicht etwas zurückhaltender sein, vermutet Schediwy. "Aber bei der EM 2016 habe ich davon noch nichts bemerkt."

Auch die politischen Konstellationen innerhalb und außerhalb von Europa sind heute anders als vor sechs Jahren. "Neu ist, dass der Eindruck aufkommt, Europa zerfalle", sagt Wagner. "Dass viele Menschen mehr und mehr die USA unter Donald Trump als äußere Konkurrenz oder sogar Feind ansehen." Vielleicht, so vermutet Wagner, hat der politische Schulterschluss mit Frankreich dazu geführt, dass ein stärkerer Rückzug ins Nationale in Deutschland bislang nicht zu beobachten ist. "Aber die gegenwärtige Verunsicherung birgt aus psychologischer Sicht sehr die Gefahr, dass es einen solchen Rückzug noch geben wird." Ereignisse wie die Fußball-WM, bei der sich Menschen wieder hinter nationalen Symbolen versammeln, könnten ihm zufolge dazu einen Beitrag leisten.

Für Grünen-Chef Habeck ist die Leichtigkeit, die er 2006 beim Anblick der feiernden Fans noch verspürte, zwar dank der AfD-Aufmärsche unter Deutschlandfahnen verschwunden. Allerdings zieht er andere Schlussfolgerungen als die Sozialwissenschaftler: Er will sich die Fahne nicht von Rechten nehmen lassen. "So wie die 'Ehe für alle' die Ehe für alle geöffnet hat, so muss das Motto sein: 'Fahnen für alle'. Gerade die Fahne der Bundesrepublik steht ja im Kern für die Ideen des Grundgesetzes", einschließlich des Asylrechts, der Pressefreiheit, der Unantastbarkeit der Würde des Menschen. Und es sei nichts gewonnen, wenn den Völkischen, die diese Republik ablehnen, auch nur "ein Saumbreit unserer Fahne" überlassen würde.

Wer sich allerdings während der WM für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit starkmachen möchte, sagt Ricarda Lang von der Grünen Jugend, "kann das viel eher durch die Unterstützung und Solidarität mit Menschenrechts- und LGBT-Aktivisten und -Aktivistinnen in Russland tun, und in diesem Jahr vielleicht einfach mal die Regenbogenflagge zur Hand nehmen."

Die Spiele der Nationalmannschaft verfolgen die Sozialwissenschaftler übrigens auch - und freuen sich über deren Siege. Das Herz an eine Mannschaft zu hängen, mit ihr zu fiebern und auf ihren Sieg zu hoffen, geht schließlich auch ohne nationale Insignien - und unter dem Motto: Möge am Ende der Bessere gewinnen. "Hauptsache", sagt Heitmeyer, "es ist ein schönes Spiel."

Klaus Boehnke geht noch weiter. Im Radsport und der Formel 1 haben Nationalfahnen auch schon an Bedeutung verloren. Und beim Champions-League-Finale rücke eine eigene Hymne in den Vordergrund. "Das sind Trends, die der modernen Sportwelt viel gerechter werden als flatternde Fahnen."

Dieser Text ist die überarbeite Version eines Artikels von 2012, für die alle Fachleute erneut befragt wurden. Der Text wurde um neue Einschätzungen ergänzt. Wo frühere Aussagen bestätigt wurden, wurden diese übernommen.

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