Partnerschaften:Es bleibt in der Familie

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Die Heinrich-Böll-Stiftung schlägt vor, wie das Zusammenleben von Frauen, Männern und Kindern künftig rechtlich geregelt werden könnte.

Von Ulrike Heidenreich, München

In der Biologie versteht man unter dem Begriff Familie eine "systematische Einheit", in der "näher miteinander verwandte Gattungen tierischer oder pflanzlicher Lebewesen zusammengefasst sind". Der Duden schlägt als Definition noch die "aus einem Elternpaar oder einem Elternteil und mindestens einem Kind bestehende Lebensgemeinschaft" vor. Oder auch eine "Gruppe aller miteinander blutsverwandten Personen". Wenn es nur so einfach wäre.

Dass Familie nicht mehr Vater-Mutter-Kind bedeutet, gehört längst zur Grundlage sämtlicher familienpolitischer Diskussionen. Nebulös bleiben immer noch die rechtlichen Grundlagen. Wer was darf und wer was muss - das ist unübersichtlich geregelt. Die Heinrich-Böll-Stiftung prescht nun mit eigenen Vorschlägen voran. Mit einer juristischen Expertise über Rechte und Pflichten, die einiges auf den Kopf stellen würde, würden die Vorschläge verwirklicht. Es sind verschiedene Modelle, die die Verantwortung in den neuen Lebens- und Liebesbeziehungen sichern sollen. Das Ehegattensplittung fiele weg, ein Rentensplitting aber würde möglich. Der Titel des Papiers: "Wahlverwandtschaften".

Die Grenzen sind ja schwer zu definieren: Es gibt die klassische Ehe, es gibt nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern und ohne Kinder, Patchwork-Familien, Ein-Eltern-Familien, gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder Netzwerke, die auch Menschen ohne verwandtschaftliche Bindung einschließen. "Die lebendige Vielfalt unserer Gesellschaft passt nicht zur starren Rechtslage, in der nichteheliche Lebensgemeinschaften fast durchgehend als Beziehungen zwischen Fremden behandelt werden", sagt Dorothee Schulte-Basta, sozialpolitische Referentin bei der grünen Böll-Stiftung.

Über YouGov Deutschland haben die Wissenschaftler eine repräsentative Befragung bei 2136 Teilnehmer zum Familienbild durchgeführt. Demnach beurteilen nur elf Prozent die derzeitigen Regelungen im Familienrecht als angemessen, knapp die Hälfte (46 Prozent) hingegen fordert, dass es auch jenseits der Ehe möglich sein muss, seiner Partnerschaft einen rechtlichen Rahmen zu geben. Die Vorschläge von Rechtswissenschaftlerin Friederike Wapler von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in der Expertise:

Im 19. Jahrhundert, zur Zeit des Malers Carl Spitzweg, erschienen Familienverhältnisse noch übersichtlich. (Foto: oh)

Ehe für alle

Die "eingetragene Lebenspartnerschaft" für gleichgeschlechtliche Paare soll ersatzlos gestrichen werden und stattdessen die "Ehe für alle" eingeführt werden. Denn durch das Eheverbot würden Homosexuelle Paare ganz konkret diskriminiert - in einer Reihe von Rechtsbereichen seien sie trotz offiziell beurkundeter Partnerschaft immer noch benachteiligt gegenüber der Ehe. Künftig solle gelten: Alle Paare lassen sich wie bisher im Standesamt registrieren. Egal ob Mann und Frau, Frau und Frau, Mann und Mann - es gibt keine Unterschiede bei den Folgen nach einer möglichen Trennung, etwa beim Zugewinnausgleich, dem Versorgungsausgleich und den Unterhaltspflichten.

Kleines Sorgerecht

Die These: Eine gute Eltern-Kind-Beziehung kann ein Kind zu mehr als zwei Personen haben. Etwa wenn es bei seiner Mutter und einem rechtlich-sozialen Vater aufwächst, der leibliche Vater bekannt und präsent ist. Das "kleine Sorgerecht" soll es auch Stiefeltern erlauben, in Alltagsangelegenheiten spontan entscheiden zu dürfen. Dies bringt automatisch mit sich, dass sich Eltern und Stiefeltern einvernehmlich absprechen müssen bei der Verteilung von Rechten und Pflichten - und könnte somit durchaus zum Familienfrieden beitragen.

Ehegattensplitting

Steuervergünstigungen, die dadurch entstehen, dass Mann und Frau heiraten und die - meist - schlechter verdienende Frau in eine andere Steuerklasse wechselt, sollen abgeschafft werden: das Ehegattensplitting komplett und die beitragsfreie Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung auch. "Wir wollen das nicht mehr zeitgemäße Leitbild der Alleinverdienerehe aufbrechen", sagt Franziska Brantner, familienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion.

Rentensplitting

Als "lebensformenneutraleres" Modell schlägt die Expertise die Vereinbarung eines freiwilligen Splittings der Rentenbeiträge in einer Paarbeziehung vor. Nach dem Motto: Wenn man schon Rechte und Pflichten teilt, soll hinsichtlich der sozialen Absicherung im Alter der schwächere Teil der Zweiergemeinschaft gestärkt werden.

Neue Elternschaften

Dringenden Handlungsbedarf sieht Familienrechtlerin Wapler bei den abstammungsrechtlichen Verhältnissen sogenannter Inseminationsfamilien. Sofern das Kind im Wege einer Samenspende erzeugt wurde, solle die Anerkennung bei der Geburt in eine eingetragene Lebenspartnerschaften möglich sein. Klare gesetzliche Regelungen der Dokumentationspflichten bei medizinisch unterstützter Zeugung sowie der Auskunfts- und Einsichtsrechte der Kinder seien nötig.

Registrierung eines Paktes

"Pakt für das Zusammenleben",kurz PaZ, nennt die Böll-Stiftung ihr Ideal eines fairen Miteinanders im bunten Familienalltag. Nach einer formlosen Registrierung schließt dieser Pakt Auskunfts- und Vertretungsrechte der Partner ein, ebenso wie Fragen des Unterhalts oder der Gütertrennung. Die Grünen-Abgeordnete Brantner betont: "Die längst gelebte Verantwortung in Partnerschaften jenseits der klassischen Ehe oder einer Liebesbeziehung wird dadurch abgesichert." Viele aufwendige Verträge und Vollmachten würden hinfällig - für einen besseren Durchblick.

© SZ vom 30.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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