Süddeutsche Zeitung

Parteivorsitz:Grüne Flügelkämpfe

  • Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck will sich um den Parteivorsitz der Grünen bewerben.
  • Das stellt die Partei vor Probleme, denn die Kandidatur könnte den Proporz durcheinanderbringen.
  • Mit Annalena Baerbock bewirbt sich nämlich noch ein Mitglied des realpolitischen Flügels.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Die Niederlage bei der Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl gegen Cem Özdemir war extrem knapp und darum umso schmerzvoller für Robert Habeck. Die Urwahl gewann Özdemir mit 75 Stimmen Vorsprung. Nun stellt sich der Umweltminister aus Schleswig-Holstein erneut zur Wahl, diesmal nicht allen Parteimitgliedern, sondern den Delegierten auf dem Parteitag in sieben Wochen. Diesmal geht es um den Parteivorsitz - und die Chancen von Habeck sind erneut schwer auszurechnen. Das hat viele Gründe. Nur eines ist sicher: Gegen Özdemir wird er nicht mehr verlieren, der zieht sich von der Parteispitze zurück.

"Jetzt ist für mich der Moment gekommen, um zu sagen: Ich möchte gerne Bundesvorsitzender meiner Partei werden", sagte Habeck der taz. "Deshalb werde ich mich auf der Bundesdelegiertenkonferenz im Januar um dieses Amt bewerben." Die Entscheidung sei ihm extrem schwer gefallen, weil er viele Dinge gegeneinander habe abwägen müssen. Der 48-Jährige kündigte an, sein Ministeramt nach einer Übergangsphase aufzugeben. Dabei müsse auch die personelle Aufstellung der Grünen in dem Jamaika-Bündnis in Kiel bedacht werden. So eine Übergangsphase müsse "pi mal Daumen ein Jahr" lang sein.

"Lex Habeck"

Ganz unproblematisch aber wäre das nicht. An der grünen Parteispitze gilt die Trennung von Amt und Mandat. Bevor Habeck Parteichef werden kann, müsste er sich also zunächst von seinem Ministerposten zurückziehen. So jedenfalls verlangt es die Satzung. Habeck will aber nicht riskieren, dass er ganz ohne Job dasteht, falls seine Bewerbung für den Parteivorsitz scheitert. Eine Übergangslösung würde ihm das ersparen. Unter Grünen wird die Idee schon als "Lex Habeck" bezeichnet.

Ob der Parteitag einer solchen Satzungsänderung zustimmen würde, ist offen. Vieles dürfte da von der Stimmung abhängen - und von Habecks Rivalin Annalena Baerbock. Die 36-jährige Klima- und Europapolitikerin war es, die Habecks etwas überstürzte Bewerbung am Sonntag ausgelöst hatte. Baerbock, die aus dem Brandenburger Landesverband kommt und seit 2013 im Bundestag sitzt, war am Wochenende zu Besuch auf einem grünen Parteitag in Hamburg. Dort warnte eine Parteifreundin davor, beliebte Führungsfiguren wie Robert Habeck und Cem Özdemir ins Abseits zu stellen.

Özdemir tritt nicht wieder als Parteichef an, was aus ihm wird, ist unklar. Auch bei den Grünen rätseln viele, ob er womöglich nach dem Fraktionsvorsitz im Bundestag greift. Baerbock hörte sich das an - und ärgerte sich. "Sinn und Zweck unseres Frauenstatuts ist, Frauen zu motivieren und nicht sich nach dem Zeitplan der Männer zu richten", sagte sie der SZ.

Sind zwei Realos erlaubt?

Wie Robert Habeck gehört Baerbock zum realpolitischen Flügel der Partei. Das könnte zum Problem werden. Den Grünen-Vorsitz teilen sich ein Mann und eine Frau, die beide Parteiflügel vertreten sollten, den realpolitischen und den linken. Zuerst gewählt wird auf dem Parteitag aber die Frau - ein Vorteil für Annalena Baerbock. Ist sie erst einmal im Amt, müsste der Männerplatz eigentlich mit einem Partelinken besetzt werden. Habeck ist aber Realo - und hat zudem das Problem der Satzungsänderung.

Ob zwei Realos an der Parteispitze erlaubt wären, weiß niemand so genau. Baerbock-Anhänger betonen, Spitzenkandidaten im Bundestagswahlkampf seien doch auch zwei Realos geworden. Parteichefin Simone Peter ist da skeptischer. "Bisher sind wir gut mit der Quotierung nach Geschlechtern und Flügeln gefahren", sagte sie. Peter kandidiert auf dem linken Flügel für den Parteivorsitz, wenn auch nicht mit allerbesten Chancen.

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SZ vom 11.12.2017 / SZ
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