Süddeutsche Zeitung

Parteivorsitz der Linken:Vom Vize zum Chef

Klaus Ernst soll einer von zwei neuen Parteichefs der Linken werden. Mit Gesine Lötzsch als Doppelspitze - ein Aufstieg, auch wenn in seinem bayrischen Landesverband die Fetzen fliegen.

Uwe Ritzer

Ausgerechnet jetzt, da Klaus Ernst nach dem Abgang von Oskar Lafontaine zum wichtigsten Mann der West-Linken aufsteigt, fliegt ihm sein bayerischer Landesverband um die Ohren. Bei einer Vorstandssitzung am vergangenen Samstag kam es zum Eklat. Wutentbrannt verließ ein Teil den Raum.

Einer von vielen Zankäpfeln in dem zerstrittenen Haufen ist justament eine Idee von Klaus Ernst. Er will alle hauptamtlichen Mitarbeiter der sechs Linken-Bundestagsabgeordneten aus dem Freistaat in einer Arbeitsgemeinschaft mit dem hübschen Namen "Bayern AG" anstellen. Innerparteiliche Gegner sehen darin den Versuch, eine Parallelorganisation zum Landesverband aufzubauen und gleichzeitig Ernst-Getreue mit gutdotierten Pöstchen zu versorgen.

Als Nachfolger Lafontaines Parteichef zu werden, ist für den nach wie vor Teilzeit-Bevollmächtigten der IG Metall im unterfränkischen Schweinfurt die Vollendung eines 2004 begonnenen Projektes.

Damals scharte der gelernte Elektromechaniker mit Volkswirtschafts- und Sozialökonomiediplom andere bayerische Metallgewerkschafter um sich, um die rot-grüne Agenda 2010 zu bekämpfen. Als er seine Kritik nicht widerrufen wollte, flog Ernst nach 30-jähriger Mitgliedschaft aus der SPD.

Kurz darauf gründete er mit Gesinnungsfreunden die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG). Ein Jahr später wurde aus dem Verein WASG eine Partei, die sich zur Bundestagswahl 2005 mit der PDS zusammentat und zwei Jahre später mit ihr zur Linken verschmolz.

Klaus Ernst war maßgeblich daran beteiligt, den zurückgetretenen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine aus seinem saarländischen Schmollwinkel zu locken und zur westlichen Galionsfigur der neuen Partei zu machen. Pausenlos habe er damals "mit dem Oskar" telefoniert, erzählt Ernst gerne.

Er handelte wohlwissend, dass mit Lafontaines Einstieg für ihn selbst nur die zweite Reihe bleiben würde. Seither begnügt sich Ernst mit Vizeposten in Partei und Bundestagsfraktion. Als allerdings Lafontaines Krebserkrankung vor Weihnachten publik wurde, zweifelten Weggefährten von Ernst keinen Moment daran, dass der umtriebige und redegewandte Gewerkschafter ins Spitzenamt drängen werde, sollte der Große Vorsitzende tatsächlich abtreten.

Politisch sieht sich Klaus Ernst ohnehin auf Augenhöhe mit den weit profilierteren Oskar Lafontaine und Gregor Gysi. Das Selbstbewusstsein des stets akkurat gekleideten Gewerkschafters wurde auch durch regelmäßige, miserable Ergebnisse bei parteiinternen Abstimmungen in seinem Landesverband nie erschüttert.

Dort werfen viele dem Ex-Mitarbeiter des früheren IG-Metall-Chefs Klaus Zwickel vor, mehr in Talkshows zu sitzen, als politische Kärrnerarbeit in Parlament und Partei zu leisten. Ernst sieht seine Rolle eher im Grundsätzlichen als im profanen Alltagsgeschäft. Er wolle, sagte er einmal, "Mutmacher sein für die, denen man einreden will, sie müssten demütig sein, sie müssten sich ducken, sich fügen."

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SZ vom 26.01.2010/lmne
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