Parteitag:Lindner mit 91 Prozent wieder zum FDP-Chef gewählt

FDP Political Party Holds Federal Congress

Jubel für Christian Lindner inmitten der Liberalen (v.l.) Michael Theurer, Nicola Beer, Wolfgang Kubicki und Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

(Foto: Steffi Loos/Getty Images)
  • 91 Prozent der Delegierten haben Christian Lindner beim Parteitag der FDP in seinem Amt als Parteivorsitzender bestätigt.
  • Er wird seine Partei als Spitzenkandidat in den Bundeswahlkampf führen.
  • Auf der Agenda seiner Partei stehen Investitionen in Bildung und Digitalisierung sowie Steuerentlastungen um die 40 Milliarden Euro.

Von Sebastian Fischer, Berlin

Die Leinwand ist riesig, wohl an die 20 Meter breit: Christian Lindner spricht also vor seinem eigenen Abbild im Großformat. Wer nicht weiß, dass an diesem Freitag in Berlin der Bundesparteitag der FDP stattfindet, könnte glauben, er sei beim Auftritt eines Comedians mit Fanpublikum gelandet, der eine Vorliebe für gelbe Kulissen hat.

Lindner erzählt einen Witz nach dem anderen, diesen zum Beispiel: Der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron sei ja ein eloquenter, reformfreudiger 39-Jähriger... Pause, erstes Kichern. "Ach so. Ich bin 38." Die Pointe, die ist meistens er selbst.

Aufbruchstimmung in der FDP

Lindner, 38, tatsächlich durchaus reformfreudig und eloquent, ist am Freitag mit 91 Prozent der Stimmen als Parteivorsitzender bestätigt worden. Nach seiner Rede standen die Delegierten, sie applaudierten mehr als zwei Minuten lang. Die Aufbruchstimmung vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ist groß wie lange nicht mehr. Auch den bundesweiten Umfragen zufolge scheint die Partei derzeit stark genug zu sein, um in den Bundestag zurückzukehren.

Doch Lindner im Großformat, das warf auch die Fragen auf, die das Comeback der Liberalen nach dem Abschied aus Berlin 2013 begleiten: Was, außer Lindner, ist da noch? Und: Übertreibt er es vielleicht ein bisschen?

Er sagte, dass die große Koalition die vergangenen vier Jahre verschlafen habe. Anstatt Probleme zu lösen, hätten Union und SPD zahlreiche Probleme geschaffen. Lindner teilte fröhlich in alle Richtungen aus. Die FDP, sagte er, werde ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf gehen. Die Maut von CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt? "Irrsinn."

Die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin? "Tabula Rasa." Er forderte einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Flüchtlingskrise. Der Schulz-Hype? Der funktioniere nur, weil in Deutschland niemand im Fach Wirtschaft ausgebildet werde. Die Arbeitsmarktpolitik des SPD-Kanzlerkandidaten, mit einer an Weiterbildung geknüpften Verlängerung des Arbeitslosengeldes, gehe an den Bedürfnissen der Menschen vorbei.

Die Reformagenda der Liberalen

Ins Zentrum ihrer Kampagne, der "Reformagenda 2030", will die FDP Investitionen in Bildung und Digitalisierung stellen, doch das wollen andere auch. Was also ist die FDP 2017, außer der Gefolgschaft eines beliebten Spitzenkandidaten? Lindner sagte, die Partei habe sich "aus der Traditionslinie heraus aktualisiert". Nach Tradition klang die Forderung, Bürger sollten bei Steuern und Abgaben um 30 bis 40 Milliarden Euro entlastet werden. Wenn Finanzminister Wolfgang Schäuble 15 Milliarden in Aussicht stelle, sei ja in Wirklichkeit viel mehr drin.

Doch beim Versuch, sich darüber hinaus zu positionieren, hatte Lindner zuletzt Aufsehen erregt. In einem Interview mit dem Stern hatte er auf die Frage, ob der türkischstämmige Nationalspieler Mesut Özil die Nationalhymne mitsingen solle, mit Ja geantwortet. Es folgte ein Shitstorm, manchem klang das nach Stimmenfang bei der AfD.

Die Assoziationen seien abwegig, sagte er - wer so denke, solle ihn bitte nicht wählen -, würde er noch mal gefragt, er würde aber noch mal genauso antworten. Und zur Diskussion um den Doppelpass für Deutschtürken sagte er, diesen würde er nach der Enkelgeneration abschaffen. Positionen, die in der Partei nicht bei allen gut ankommen: Lasse Becker, der frühere Vorsitzende der Jungen Liberalen, schenkte Lindner auf der Bühne ein Özil-Trikot.

Doch lauter als die leise Kritik war der Applaus. Vielleicht auch deshalb, weil Lindner am Ende auch über die angebliche Lindner-Show sprach: Die FDP, sagte er, müsse alles dafür tun, sich demnächst wieder breiter aufzustellen, wie es der Vielfalt der Partei entspreche. Nach der Wahl, versteht sich.

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