Parteitag:Kamerad besiegt Talent

CDU Rheinland-Pfalz - Parteitag

Christian Baldauf freut sich über seine Wahl, Landeschefin Julia Klöckner und der unterlegene Kandidat Marlon Bröhr (rechts) applaudieren.

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Die CDU in Rheinland-Pfalz kürt Christian Baldauf zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl. Der Fraktionschef erhält 321 Stimmen, sein Herausforderer Marlon Bröhr nur 79.

Von Susanne Höll, Neustadt an der Weinstraße

Bernhard Vogel schafft es nicht pünktlich in den Saalbau in Neustadt an der Weinstraße. Dort, wo die rheinland-pfälzischen Weinköniginnen gekrönt werden, soll an diesem Samstag ein Mann inthronisiert werden, der Spitzenkandidat der rheinland-pfälzischen Union für die Landtagswahl 2021. Vogel, einst CDU-Ministerpräsident in Mainz, musste lange nach einem Parkplatz suchen. Als der bald 87-Jährige verspätet eintrifft, wird er jubelnd begrüßt. Spätestens dann konnte man ahnen, dass ein Eklat auf diesem Treffen doch ausbleiben wird. Vogel war 1988 Opfer einer innerparteilichen Spaltung geworden, von der sich die CDU bis heute nicht ganz erholt hat.

Und ja, die Angst vor einer Spaltung liegt in Neustadt wie eine Nebelwolke über den Sitzreihen. Denn auf dem Programm steht eine für landesübliche Verhältnisse unübliche Konfrontation, eine Kampfkandidatur um den Spitzenjob. Die Parteigremien hatten vor geraumer Zeit entschieden, Fraktionschef Christian Baldauf als Herausforderer von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) vorzuschlagen. Baldauf ist 52 Jahre, Anwalt aus der Pfalz, ein bodenständiger und loyaler Mensch, dessen Teamgeist in seiner Partei geschätzt wird. Charismatisch ist er nicht. Aber diese Eigenschaft fehlt auch vielen durchaus erfolgreichen Politikern anderswo.

Die schwarze Krönungszeremonie wirbelte sozusagen im letzten Moment ein ebenso flamboyanter wie tatendurstiger Zahnarzt durcheinander. Er heißt Marlon Bröhr, ist 45 Jahre alt und steht schon lange nicht mehr in der Praxis. Seit 13 Jahren engagiert er sich in der Kommunalpolitik, ist nun Landrat im Hunsrück, bereit für höhere Ämter und fest überzeugt, dass die CDU mit ihm nach mehr als drei Jahrzehnten Opposition wieder an die Macht in ihrem einstigen Stammland kommen kann.

Bröhr, man kann es nicht anders sagen, hat sehr viel Selbstvertrauen. Denn auf Unterstützung der Parteigliederungen kann er nicht zählen, auch und weil er in den schwarzen Reihen im Ruf eines, wenn auch politisch sehr talentierten, Polit-Egomanen steht. Über seine Kandidatur wurde seit Längerem spekuliert, er selbst nährte die Mutmaßungen. Zur Verkündung seiner Kandidatur hatte er unlängst in einen großen Saal in Simmern geladen, geschmückt auch mit einem Plakat, auf dem eine imposante Anzahl seiner vielfältigen, selbstverständlich positiven Eigenschaften aufgelistet war. Im Polit-Marketing kennt sich Bröhr, anders als der wackere Baldauf, bestens aus.

1988 hatte schon einmal ein Rebell als Landesparteichef kandidiert - und gewonnen

Die Delegierten haben in Neustadt also die Wahl zwischen einem erfahrenen, ihnen gut bekannten Landespolitiker und einem ambitionierten Newcomer, der sich meistens nicht an ungeschriebene Regeln des innerparteilichen Umgang hält und dennoch - oder vielleicht deswegen - bei kommunalen Direktwahlen blendend abschnitt. Auf einen Sieg Bröhrs hätte im Saal kaum jemand gewettet. Doch es gab die Sorge, dass der Landrat ein mehr als respektables Ergebnis erzielen, Baldauf in seinem zweifellos schweren Kampf um die Regierungsmacht in Mainz schwächen und die Partei womöglich in eine neue Spaltung treiben könnte. 1988 war schon einmal ein Rebell auf einem Parteitag angetreten. In Koblenz hatte damals Hans-Otto Wilhelm gegen Vogel als Landesparteichef kandidiert - und gewonnen. Vogel gab daraufhin seinen Ministerpräsidentenposten auf. 1991 verlor die CDU die Wahl, die SPD gewann und blieb an der Macht.

Baldauf bewirbt sich in Neustadt mit einer eher staatsmännischen Rede um den Spitzenposten. Er ist eine wahrlich ehrliche Haut. Sein Bekenntnis, nach wie vor Anhänger des gebeutelten Fußballvereins FC Kaiserslautern zu sein, löst nur sehr mageren Beifall und einige Buhrufe aus. Das habe er erwartet und lange überlegt, ob er diese seiner Vorlieben überhaupt erwähnen solle, sagt der Kandidat. "Aber ich tu's eben", fügt er hinzu. Auf der Leinwand hinter ihm steht ein Zitat des legendären FCK-Spielers Fritz Walter: "Der Schlüssel zum Erfolg ist Kameradschaft und der Wille, alles für den anderen zu geben." Das wiederum gefällt den Delegierten gut.

Landrat Bröhr empfiehlt sich als eine Art schwarze Geheimwaffe im Landtagswahlkampf und mutet seiner Partei dabei bittere Wahrheiten zu. Seit 30 Jahren sei man stärkste Kraft bei vielen Kommunal- und Europawahlen, allein im Rennen um die Staatskanzlei gebe es keinen Erfolg. Er trage keinerlei Verantwortung für frühere Wahldebakel, könne auch die Jugend neu für die CDU begeistern. Man brauche einen Neuanfang, dafür sei er der richtige Mann, so ihn die Delegierten denn wollten. Nein, die Delegierten wollten nicht. Baldauf erhält 321 Stimmen, Bröhr nur 79.

Der alte Herr Vogel umarmt Baldauf nach dessen Erfolg, zweiter Gratulant ist der unterlegene Landrat. Zum Wohlgefallen seiner Parteikollegen kündigt er an, künftig an der Seite des Spitzenkandidaten zu stehen und Teil des Teams zu sein. "Wir brauchen Leute wie Bröhr", sagt ein CDU-Stratege aus Mainz. Wohl wahr. Denn nun gibt es zwar einen Spitzenkandidaten. Doch die härteste Arbeit liegt noch vor der Partei.

Regierungschefin Dreyer ist, anders als ihre SPD, außerordentlich beliebt, in Sachen Sympathie liegt sie vor ihrem Herausforderer. Zudem fehlt der CDU ein Koalitionspartner in spe. Die FDP regiert derzeit mit SPD und Grünen, sie wird den Schwarzen allein wohl nicht zu einer Mehrheit verhelfen können. Die eher linken Grünen dürften, Stand heute, bei der Wahl 2021 zulegen. Anders als in Hessen ist Schwarz-Grün in Mainz aber noch keine selbstverständliche Option. Bliebe die allseits ungeliebte große Koalition. Auf die Frage, mit wem die CDU im Fall eines Sieges regieren wolle, zuckt ein Stratege mit den Schultern und sagt: "Fragen Sie mich bitte etwas Leichteres."

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