Parteitag in München:Das Islam-Dilemma der CSU

Es ist wichtig, dass die CSU in einem Leitantrag den Islam und den politischen Islam unterscheidet. Wieso hält sie dann den Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" für gefährlich?

Kommentar von Markus C. Schulte von Drach

Der politische Islam, so sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, ist eine der "gefährlichsten Ideologien weltweit". In einem Interview mit der Welt erklärte Herrmann, wieso sich seine CSU auf ihrem Parteitag in München mit einem speziellen Leitantrag "Politischer Islam" befassen wird. Es handle sich dabei, so Herrmann weiter, um "die totalitäre Ideologie der Vereinigung von staatlicher und religiöser Macht" und somit um eine Bedrohung, mit der man sich auseinandersetzen müsse.

Bemerkenswert ist allerdings, dass die Partei im Leitantrag selbst betont, wie wichtig es sei, diese Ideologie gesondert von der Religion Islam zu betrachten - einer Religion, die nicht herabgewürdigt werden dürfte. Den etwa vier Millionen Muslimen, die in Deutschland leben und ihren Glauben praktizieren, spricht die Partei ausdrücklich das Recht zu, dies im Rahmen der Religionsfreiheit zu tun. "Wir fühlen uns einem ernsthaften interreligiösen Dialog verbunden und begegnen dem Islam mit Wertschätzung", heißt es im Leitantrag.

Das ist erfreulich, denn in der öffentlichen Wahrnehmung wird hier viel zu wenig differenziert. So wird regelmäßig bezweifelt, dass der Islam grundsätzlich mit der Demokratie vereinbar ist. Zu häufig berufen sich islamistische Terroristen bei ihren Gräueltaten auf den Willen Allahs. Und in islamischen Staaten wie etwa Saudi-Arabien und Iran ist es mit den Menschenrechten nicht weit her.

Doch selbst schärfste Islamkritiker betonen immer wieder, dass es nicht einfach gläubige Muslime seien, von denen eine Gefahr ausgeht. Schließlich sind viele Kritiker selbst Muslime. Auch sie betonen, dass es der politische Islam ist, der ein Risiko für die westlichen Demokratien sein soll.

Was ist der "politische Islam" überhaupt?

Doch worum handelt es sich eigentlich bei diesem "Politischen Islam", den die CSU im Leitantrag konsequent großschreibt? Und wie kompatibel sind der Islam und die Demokratie tatsächlich?

Ganz einfach: Das hängt davon ab, wie dogmatisch die Gläubigen sind. Werden die Offenbarungen, die unmittelbar auf Allah zurückgeführt werden, als absolute, nicht zu hinterfragende Wahrheiten betrachtet, die eindeutig festlegen, wie Gläubige zu leben haben, dann lässt sich im Koran und in den Überlieferungen Etliches finden, was mit Demokratie und vielen westlichen Werten nicht zu vereinbaren ist.

Der Prophet Mohammed war religiöser und politischer Führer zugleich, und seine politische Autorität begründete er religiös. Das ist tatsächlich ein Unterschied etwa zu Jesus, den Christen für Gottes Sohn halten, der aber unter anderem gepredigt haben soll: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist". Auch gilt das Heilige Buch der Muslime als Gottes Wort, während die Bibel Gott zwar zitiert - dies aber im Rahmen von sich teils widersprechenden Erzählungen von und über Menschen. Darüber hinaus bewerten manche Muslime die Scharia, das islamische Recht, als wichtiger als Gesetze, die menschliche Gesellschaften sich in jüngerer Zeit selbst gegeben haben.

Die Geschichte des Islam aber zeigt, dass diese Religion trotzdem nicht zwingend in islamische Gottesstaaten führt. Der Koran gibt keine politische Ordnung und kein bestimmtes System vor. Muslime können sich, genau wie es viele Christen bis in die Gegenwart tun, mit Diktaturen genauso arrangieren wie mit Demokratien. Wichtig ist, dass sie an den fünf Säulen des Islam festhalten können: Glaubensbekenntnis, Gebetsregel, Gabe von Almosen, Fasten im Ramadan und Pilgerfahrt nach Mekka. Diese Säulen aber sind für eine Demokratie nicht gefährlicher als die christlichen Zehn Gebote.

Dass Religion und Staat eins sein müssten, ist eine Idee, die auf Theologen wie Sayyid Qutb zurückgeht, die den Islam seit dem 19. und frühen 20. Jahrhundert reformieren wollten. Hier liegt der eigentliche Ursprung des modernen politischen Islam, der behauptet, wahre Muslime seien nur jene, die gemäß den Normen und Werten der Zeit des Propheten und der ersten Kalifen leben.

Das macht ihn nicht weniger gefährlich. Und Regime wie in Saudi-Arabien und Iran rechtfertigen so ihre autoritäre Herrschaft. Die Geschichte zeigt aber auch, wie bedeutend es tatsächlich ist, zwischen der Religion und der politisch-religiösen Ideologie zu unterscheiden.

Die Retter der Christkindlmärkte

Es entbehrt übrigens nicht einer gewissen Ironie, wenn eine Partei dem politischen Anspruch einer Religion den Kampf ansagt, die ihre politische Arbeit selbst als religiös orientiert definiert. Die Christlich-Soziale Union steht natürlich nicht im Verdacht, in Deutschland einen Gottesstaat errichten zu wollen. Als Bewegung der Aufklärung und des Humanismus und als Vorkämpfer für Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung hat sie sich - entgegen dem Eindruck, den sie vermitteln möchte - in ihrer Geschichte auch nicht hervorgetan.

Vielleicht ist es der bevorstehenden Weihnachtszeit geschuldet, dass sie in ihrer Liste der gefährdeten Kulturgüter an erster Stelle die Christkindlmärkte nennt, die nicht in "Lichterfeste" umbenannt werden sollen. An zweiter Stelle folgt das Angebot von Schweinefleisch in Kantinen, das die CSU durch Muslime bedroht sieht. Dass auch Atheisten und Vegetarier mit solchen "Traditionen" gewisse Schwierigkeiten haben, übersieht die Partei geflissentlich. Und ein verweigerter Handschlag kann als Respektlosigkeit gegenüber Frauen interpretiert werden, gefährdet aber wohl kaum die Gesellschaft.

Und wer darauf besteht, dass die Justiz unabhängig und neutral sein muss und muslimische Richterinnen dann kein Kopftuch tragen dürfen, muss sich die Frage gefallen lassen, wieso in allen bayerischen Gerichten Kruzifixe hängen.

Problematisch ist darüber hinaus, wie die CSU herumeiert, wenn es um die Frage geht, ob der Islam zu Deutschland gehöre. Er sei trivial und überflüssig, wenn damit nur gesagt werden solle, dass Muslime in Deutschland leben, heißt es im Leitantrag. Das Gegenteil ist der Fall. Trivial und überflüssig ist dagegen der Hinweis der Christsozialen, der Satz könnte als Einladung an den politischen Islam verstanden werden. In diesem Sinne wäre er gefährlich. Aber da ihn wohl niemand so versteht, ist diese Warnung reine Polemik.

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