Parteitag in Magdeburg:Warum den Linken die Bedeutungslosigkeit droht - und was sie dagegen tun können

Die Linke - Bundesparteitag

Beim Bundesparteitag der Linken in Magdeburg ist die Stimmung unter den Mitgliedern gedrückt.

(Foto: dpa)

Attacke von rechts: Die Linken leiden unter Angriffen der AfD. Sie müssen sich entscheiden, ob sie ihre ehemaligen Protestwähler mit einem Rechtsruck umgarnen. Oder sich mit einer klaren Machtperspektive attraktiver machen.

Analyse von Thorsten Denkler, Magdeburg

Angenehm ist so ein Wort. Es taucht immer dann auf, wenn Funktionäre hier auf dem Parteitag der Linken in Magdeburg darauf angesprochen werden, wie sie denn die Arbeit der Partei- und Fraktionsspitzen im Bund wahrnehmen. Angenehm, nett, reibungslos. Sowas ist dann zu hören. Alles schön also.

Mag sein. Was die Parteispitze angeht, stimmt das sogar. Bernd Riexinger und Katja Kipping vermeiden jeden öffentlichen Disput. Zwischen die beiden passt tatsächlich kein Blatt Papier. Von einigen Randfragen wie dem Grundeinkommen mal angesehen. Kipping dafür, Riexinger dagegen. Da machen beide keine große Sache draus.

In der Fraktion ist der Friede dagegen nur ein scheinbarer. Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch versuchen zwar nach außen so etwas wie Geschlossenheit zu demonstrieren.

Treten beide aber mal gemeinsam vor die Presse, ist es oft schwer, danach die genaue Position der Linken herauszufiltern. Bartsch sagt so, Wagenknecht sagt so. Und dann sagen beide, es gebe keinen Dissens. Obwohl der doch gerade offensichtlich wurde. So verkleistern sie ihre kaum zu überbrückenden inhaltlichen Differenzen.

In beiden Spitzen heben sich die jeweiligen Chefs gegenseitig auf. Für den innerparteilichen Konsens zwischen den Reformern und den ganz Linken wird die klare Botschaft geopfert.

Die Reformer Kipping und Bartsch und die Linken Riexinger und Wagenknecht haben sich jeweils ins Patt gestellt.

Das ist ein gewichtiger Grund für das geradezu existentielle Problem, dass die Linke derzeit hat. Die wird gerade von einer Partei deutlich rechts von ihr überholt. Von einer Partei, dessen Leute rechtspopulistisch und Teils faschistoid auftreten. Die AfD, die Alternative für Deutschland, ist offenbar zu einer Alternative auch für Linken-Wähler geworden.

Die Wähleranalysen nach den für die Linken verkorksten März-Wahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben gezeigt: Neben der CDU hat vor allem die Linke massiv an die AfD verloren. Die AfD hat der Linken in den vergangenen Wahlen den Rang als deutsche Protestpartei abgelaufen. Nach den drei Wahlen lag sie selbst im Osten deutlich vor der Linken. In den bundesweiten Umfragen ist es ähnlich: Die Linke wird zwischen acht und zehn Prozent. Die AfD kommt auf bis zu 15. Die Linke ist auf dem besten Weg, in die Bedeutungslosigkeit abzudriften.

Die Linke wird als Teil des Establishments wahrgenommen. Sie regiert in Brandenburg mit und stellt in Thüringen den Ministerpräsidenten. Im Osten Deutschlands saß sie auch schon in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern mit am Regierungstisch. In Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen hat sie mal eine SPD-geführte Landesregierung toleriert.

Ein kurzer Blick nach Österreich reicht

Regieren ist ja an sich nichts Böses. Nur als Protestpartei hat die Linke die Erwartungshaltung ziemlich hochgeschraubt. Ihre Forderung "Hartz IV muss weg" hat sie nie umsetzen können. Heute spricht davon auch kaum noch einer in der Linken. Realpolitik scheint nichts für Protestwähler zu sein.

Die AfD ist die neue Sammelbewegung der Unzufriedenen. Für all die diffusen Ängste, was Flüchtlinge, den Islam und überhaupt die ganzen Gefahren aus dem In- und Ausland angeht, hat die AfD einfache Antworten: abschotten, Grenzen dichtmachen, rauswerfen. Das hört nicht nur eine dumpfe Minderheit gerne, sondern offenbar auch erkleckliche Teile der bisherigen linken Wählerschaft.

Die AfD könnte noch stärker sein. Ein führender Vertreter der Linken sagte kürzlich, die Linke habe Glück, dass die AfD die soziale Flanke offenlasse.

Ein kurzer Blick nach Österreich zeigt, was dieser Linke meint: Die rechtpopulistische FPÖ bedient zwei große Themenblöcke: Ausländerfeindlichkeit und die soziale Frage. Nationalismus meets Sozial. Eine unheilige, eine hochgefährliche Mischung.

Noch ist die AfD ausländerfeindlich und neoliberal bis antisozial. Die Programmatik der AfD müsste eigentlich jeden sozial Schwachen abschrecken.

Die Linke hat dem dennoch kaum etwas entgegenzusetzen. "Saft- und kraftlos" erscheine sie, mokierte sich jetzt der ehemalige Fraktionschef Gregor Gysi. Er glaubt allerdings nicht, dass die Linke wieder den Weg zurück zur reinen Protestpartei einschlagen sollte. Manche in der Partei glauben ja, dass sie nur so die AfD wieder kleinmachen können. Allerdings müsste sich die Linke dann einen erkennbaren Rechtsruck verordnen. Was sie auf keinen Fall will.

Die Linke wird den Spagat versuchen müssen

Sahra Wagenknecht hat da ein paar Versuchsballone steigen lassen, indem sie von den "Grenzen der Aufnahmebereitschaft" sprach (wofür sie beim Parteitag eine Torte ins Gesicht geworfen bekam). Das war der Partei dann doch zu viel. Der gesamte Bundesvorstand hat noch mal klargestellt, das Parteiprogram gilt: Offene Grenzen für alle bleibt Forderung der Linken.

Die andere Variante ist ebenso umstritten: Nur mit einer klaren Machtperspektive kann die Partei wieder attraktiv werden. Nicht für die Protestwähler. Aber für all die, die der großen Koalition überdrüssig sind und einem rot-rot-grünen Bündnis eine Chance geben wollen.

Rechnerisch zumindest ist Rot-Rot-Grün gar nicht so abwegig. Der thüringische Chef der Staatskanzlei Benjamin-Immanuel Hoff und der frühere Parteisprecher Alexander Fischer haben das in einem Beitrag für die Wochenzeitung Der Freitag vorgerechnet. Nur gut fünf Prozent fehlen Rot-Rot-Grün nach den derzeitigen Umfragen, um auf eine absolute Mehrheit im Bundestag zu kommen. Der Text liest sich wie eine reichlich ungeduldige Aufforderung, die rechnerische Chance nicht schon wieder ungenutzt verstreichen zu lassen. Gregor Gysi wiederum findet die Idee charmant, SPD, Linke und Grüne sollten sich auf einen gemeinsamen Kanzlerkandidaten einigen.

Die Parteispitze der Linken will sich jetzt vornehmen, mehr die Gemeinsamkeiten mit Grünen und SPD herauszustellen. Riexinger und Kipping wollen der SPD mehr Angebote machen, kündigten sie jetzt in der taz an. Riexingers Vorschlag: "Wir bilden vor der Wahl ein linkes Lager und versuchen, gesellschaftlichen Rückhalt für eine Gerechtigkeitswende zu schaffen. Wir haben der SPD angeboten, uns über Kernthemen zu verständigen. Zum Beispiel über Löhne, prekäre Arbeit, Rente, Frieden." Nur abwarten, wie die Wahl 2017 ausgehe, und dann verhandeln, das sei wenig. Anscheinend hat sich auch in Teilen der Linken die Erkenntnis durchgesetzt, dass die SPD nicht der Hauptfeind der Linken ist.

Die Frage ist nur, ob es dafür nicht längst zu spät ist. Die Linke wird den Spagat versuchen müssen, sichtbarer zu werden, ohne den Rechten hinterherzuhinken. Dafür braucht sie eine klare Haltung zu einer möglichen Regierungsbeteiligung. Zu viele in der Partei aber geben sich damit zufrieden, dass alles ganz angenehm ist. Als reine Oppositionspartei lässt es sich eben auch mit acht bis zehn Prozent ganz gut leben.

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