Kipping und der Mit-Vorsitzende Riexinger warben weiter für offene Grenzen. Für den Parteitag bereiteten sie im Parteivorstand einen entsprechenden Leitantrag vor - mit einem Bekenntnis zu offenen Grenzen. Der wird am Samstag in Leipzig mit großer Mehrheit beschlossen. Diese Entscheidung kann man als klare Absage an die Position von Lafontaine und Wagenknecht verstehen. Die Partei will keine restriktivere Migrationspolitik. Darauf wird der Vorstand nun immer verweisen können, wenn wieder jemand quer schießt.
Ein richtig großer Triumph für Kipping und Riexinger wäre es freilich, wenn der Streit ausgetragen worden wäre, auf offener Bühne. Aber eine Debatte in der Partei fand vorher nicht statt, und auch nicht hier auf dem Parteitag. Wagenknecht meldet sich nicht zu Wort. Lafontaine hatte vorher sogar angekündigt, sowieso nicht nach Leipzig zu kommen. Er werde sich das Geschehen am Bildschirm ansehen, hieß es.
Da dürfte er nun gesehen haben, wie Kipping ihn in ihrer Rede direkt angeht, gar nicht mehr so verbindlich: "Ich möchte an dieser Stelle auch ganz persönlich Oskar Lafontaine ansprechen", sagt sie. "Nach diesem Parteitag muss doch Schluss damit sein, dass die demokratische Beschlusslage in der Flüchtlingspolitik dieser Partei ständig öffentlich in Frage gestellt wird." Das erfordere, so Kipping, der Respekt vor dem Parteitag. Es sind Sätze, die Lafontaines Unterstützer als Angriff werten, als einen Angriff, den die Parteichefin sich hätte sparen sollen. Kipping spricht Lafontaine an, aber es ist klar, dass auch die Rivalin Wagenknecht gemeint ist.
Als am Nachmittag die Wahl der Parteivorsitzenden ansteht, wird Kipping aus dem Saal heraus auf diese Mahnung an Lafontaine angesprochen. Das sei ja nun wahrlich nicht vermittelnd gewesen. Sie antwortet, dass Beschlüsse der Partei nach ihrer Auffassung eben respektiert werden sollten. Sie wolle aber keinen weiteren Streit: "Ich werde nicht persönlich nachtreten." Sie sei wild entschlossen zu sagen: "Das ist jetzt vorbei."
Miese Resultate für Kipping und Riexinger
Dennoch bekommt sie bei der Wahl die Missstimmung eines Teils der Basis zu spüren. Bei der Wahl gibt es für sie und Riexinger keine Gegenkandidaten. Freilich dürfte allen im Saal bekannt sein, dass Wagenknecht sich sehr gewünscht hätte, dass es welche gäbe. Sie hätte gern andere Vorsitzende. Kipping wird mit nur 64,4 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt, 350 Delegierte stimmen für sie, 157 sprechen sich gegen die Chefin aus. Es sind rund zehn Prozentpunkte weniger als beim letzten Mal. Riexinger erhält 73,78 Prozent der Stimmen, auch deutlich weniger als zuletzt.
Das miese Resultat dürfte für beide kein besonders überraschendes Ergebnis sein, nachdem die Querelen der letzten Monate die Partei gespalten hatten. Aber mit diesen Resultaten ist im Führungsstreit erst mal gar nichts gelöst. Viel wird davon abhängen, wie sich Wagenknecht verhält, die den Parteitag zunächst ohne auch nur eine Wortmeldung begleitet. Die Rede der Fraktionsvorsitzenden ist für den Sonntagvormittag vorgesehen.