Parteitag in Dresden:Sigmar Gabriel begeistert die SPD

Die SPD-Delegierten haben abgestimmt: Mit 94,2 Prozent der Stimmen ist Sigmar Gabriel zum neuen Vorsitzenden der SPD gewählt worden. In seiner zweistündigen Rede versprach er einen Neuanfang - und fordert: "Die Sozialdemokraten müssen wieder raus ins Leben."

Nico Fried, Dresden

Der neue SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel will einen "politischen Neuanfang" seiner Partei. In einer von viel Beifall begleiteten Rede forderte Gabriel auf dem Parteitag in Dresden, die SPD dürfe sich nach der Wahlniederlage nicht an den Rand drängen lassen. Gabriel wurde am Freitagabend mit 94,2 Prozent der Stimmen zum Vorsitzenden gewählt. Zuvor hatten zahlreiche Delegierte einen Kurswechsel der Partei verlangt.

Parteitag in Dresden: Sigmar Gabriel: Mit 94,2 Prozent haben die Delegierten den 50-Jährigen zum neuen SPD-Chef gewählt.

Sigmar Gabriel: Mit 94,2 Prozent haben die Delegierten den 50-Jährigen zum neuen SPD-Chef gewählt.

(Foto: Foto: Getty Images)

In seiner Rede erteilte Gabriel Debatten über künftige Koalitionen eine Absage. "Die Wähler wollen nicht, dass wir über andere nachdenken, sondern sie wollen, dass wir über uns selbst nachdenken." Wiederholt übte Gabriel heftige Kritik an der neuen Koalition von Union und FDP. Er warnte davor, deren Selbstdarstellung als Bündnis der Mitte zu übernehmen. "CDU und CSU sind Parteien der demokratischen Rechten."

Gabriel kritisierte Teile der Hartz-Reformen, weil sie Abstiegsängste hervorgerufen hätten. Auch monierte er Fehler beim Ausbau von Leiharbeit, viele müssten jetzt für Armutslöhne arbeiten.

Der 50-Jährige rief dazu auf, die SPD nach innen zu öffnen. "Eine Partei, die für Volksabstimmungen auf Bundesebene eintritt, darf sich nicht scheuen, wichtige Fragen den Mitgliedern zur Abstimmung vorzulegen." Die SPD müsse wieder "raus ins Leben", wo es laut sei und manchmal auch stinke. "Da wo es anstrengend wird, da ist das Leben."

Die Partei habe in den vergangenen Jahren Wählerstimmen verloren, weil sie einem falschen Bild von der politischen Mitte gefolgt sei, das ursprünglich stark von Marktradikalen geprägt worden sei. "Statt die Mitte zu verändern, haben wir uns verändert", beklagte er. Die Delegierten feierten Gabriel mit minutenlangem Beifall.

Zur Generalsekretärin der SPD wurde Andrea Nahles gewählt, die 69,6 Prozent der Stimmen erhielt. Neue stellvertretende Parteivorsitzende sind Hannelore Kraft (90,2), Klaus Wowereit (89,6), Manuela Schwesig (87,8) und Olaf Scholz (85,7).

In einer Debatte, die bis in den späten Nachmittag andauerte, hatten sich zuvor der scheidende Parteichef Franz Müntefering, aber auch die SPD-Spitze insgesamt zum Teil schwere Vorwürfe anhören müssen. Müntefering wurde von mehreren Delegierten dafür gerügt, dass er zu Beginn der Aussprache in seiner Abschiedsrede als Parteichef keine Selbstkritik geübt hatte.

Müntefering hatte zwar eine Mitschuld der Parteispitze an der Wahlniederlage vom 27.September eingeräumt, als die SPD mit rund 23 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik einfuhr. Er rückte aber nicht von den Beschlüssen der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder und der großen Koalition ab.

"Lasst diese Art von Flügelei"

Im Gegenteil verwies er darauf, dass die Politik immer wieder auf Parteitagen mit großen Mehrheiten beschlossen worden sei. Dass sie dann trotzdem fortwährend kritisiert werde, trage nicht zur Glaubwürdigkeit bei. Die SPD dürfe nicht in rivalisierende Einzelgruppen zerfallen. "Lasst diese Art von Flügelei", rief er dem Parteitag zu.

In der Aussprache setzten sich zahlreiche Delegierte vor allem vom linken Flügel kritisch mit der Sozialpolitik der SPD in den vergangenen Jahren auseinander. "Wir haben alles mitgemacht", empörte sich der ehemalige Bundestagsabgeordnete Eckart Kuhlwein.

"Es gab niemals eine Mehrheit für Hartz IV, für die Rente mit 67 und eine Bahnprivatisierung", sagte der bayerische Delegierte Harald Unfried. Die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel forderte: "Die SPD muss wieder Partei der sozialen Gerechtigkeit sein."

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