Parteitag der US-Demokraten:Michelle lehrt Amerika die Liebe zu Obama

"Barack ist sich treu geblieben": In ihrer Rede blickt die First Lady auf vier harte Jahre im Weißen Haus zurück. Michelle Obama zeichnet ihren Mann als liebevollen Vater und politischen Überzeugungstäter. Beide wüssten aus eigener Erfahrung, was es bedeute, wenn eine Familie kämpfen müsse. Auch wenn Michelle das Wort "Romney" nicht ausspricht, wird der Gegensatz zum Republikaner-Kandidaten deutlich.

Matthias Kolb, Charlotte

Michelle Obama steht auf der Bühne und strahlt. Sie genießt den Jubel der Delegierten, die Sprechchöre, das Rampenlicht. So war es vor vier Jahren in Denver, so ist auch an diesem Abend in der Time Warner Cable Arena in Charlotte. Doch zugleich ist vieles anders: 2008 musste Michelle Obama Werbung für sich selbst machen und beweisen, dass sie Amerika wirklich liebt. Heute hat die First Lady glänzende Popularitätswerte und macht Werbung für ihren Ehemann, der um die Wiederwahl kämpft. Und diese Aufgabe erfüllt sie glänzend.

Verglichen mit Ann, der Gattin des republikanischen Kontrahenten Mitt Romney, hat Michelles Rede einen anderen Fokus: Sie muss den Millionen vor den Bildschirmen ihren Gatten nicht mehr vorstellen, sondern den alten Zauber des "Yes, we can"-Sommers erneuern. Mittlerweile ist die First Lady selbst ein Star: Zur Einstimmung zeigt ein fast ausschließlich in schwarz-weiß gehaltenes Video ihr Engagement für Soldatenfamilien sowie ihren Kampf gegen die Fettleibigkeit der Amerikaner. Damit sich Amerikas Kinder gesünder ernähren, macht sie in TV-Shows Liegestützen und schwingt öffentlich die Hüften beim Hula-Hoop.

Auf der Bühne in Charlotte präsentiert sich Michelle in pinken High-Heels und einem rosafarbenen Kleid der Designerin Tracey Reese. Sie habe ihren Aufstieg der Liebe ihrer Eltern zu verdanken, berichtet die 48-Jährige. Sie sei in bescheidenen Verhältnissen in Chicago aufgewachsen und habe nie etwas vermisst: "Bei uns wurde viel gelacht".

Obwohl ihr Vater an Multipler Sklerose erkrankt gewesen sei und auf Krücken ging, habe er stets gearbeitet, um seine Familie zu ernähren. Er habe noch härter geackert, um jene Summe zu verdienen, die er beisteuern musste, damit Michelle und ihr Bruder Craig an der Elite-Uni Princeton studieren konnten. "Das ist es, was einen Mann ausmacht: Dass er seine Familie ernähren kann."

"Ich erinnere mich, wie er mich zu einem Date abgeholt hat"

Bei ihrem Ehemann, den sie vor 23 Jahren in einer Anwaltskanzlei kennenlernte, habe sie ähnliches verspürt, so Michelle. "Barack wuchs mit einer alleinerziehenden Mutter auf, die Schwierigkeiten hatte, die Rechnungen zu bezahlen." Sie erzählt von Baracks Großmutter, die in einer Bank auf Hawaii arbeitete und als Frau an eine "gläserne Decke" stieß: Sie musste mitansehen, wie weniger qualifizierte Männer Karriere machten.

Die Herkunft habe das Paar zusammengeschweißt: "Barack und ich wuchsen in Familien auf, die nicht viel Geld hatten", sagt sie. "Aber sie haben uns etwas viel wertvolleres mitgegeben - ihre bedingungslose Liebe, ihre unbeirrbare Opferbereitschaft und die Chance, etwas zu erreichen, was sie sich für sich selbst nie hätten vorstellen können."

Eindrucksvoll wirbt Michelle Obama nun für die Agenda ihres Manns: Weil er wisse, dass weder er noch Michelle ohne Stipendien hätten studieren können, setze er sich für Studenten ein. Aufgrund der Erfahrung seiner Großmutter forcierte er den Lilly Ledbetter Fair Pay Act, der Frauen gleiche Bezahlung garantiert. Er habe die Gesundheitsreform, die 30 Millionen Amerikanern Versicherungsschutz gibt, gegen alle Widerstände durchgeboxt, weil er davon überzeugt sei, dies sei das Richtige für Amerika. Und wenn es darum gehe, die US-Autoindustrie zu retten, dann denke er weniger an die Firmen, als an die von Kündigung bedrohten Arbeiter und deren Familien.

Da die Lebensgeschichte ihres Mannes bekannt ist, beschränkt sich Michelle Obama auf wenige Anekdoten - und erzählt sie aus dem Blickwinkel der vergangenen vier Jahre. Wenn sie ihren Mann sehe, wie er spätabends Akten oder Briefe von besorgten Bürgern lese, dann erkenne sie in ihm noch immer jenen Mann, in den sie sich vor 23 Jahren verliebt habe. "Ich erinnere mich, wie er mich zu einem Date abgeholt hat - in einem alten Auto, dessen Rostlöcher so groß waren, dass ich den Asphalt sehen konnte", berichtet sie. Sie erkenne in ihm den stolzen, jungen Vater, der alle paar Minuten zum Kinderbett geeilt sei, um zu sehen ob die Kinder noch atmeten.

Die Angriffe auf Romney übernehmen andere

Offen bekennt Michelle, dass sie sich Sorgen gemacht habe, dass der Umzug ins Weiße Haus ihr Familienleben negativ verändern würde. Doch mittlerweile sei sie beruhigt: "Das Präsidentenamt ändert nicht den Charakter eines Menschen, sondern hebt ihn hervor." Auch als Präsident nehme sich Obama fast jeden Abend Zeit, um mit ihr und den Töchtern Sasha und Malia zu essen, sich nach der Schule zu erkundigen und über deren Sorgen zu reden.

Wem Romney und Obama vertrauen

Die Botschaft ist klar: Auch als mächtigster Mann der Welt glaubt Obama noch immer an Fleiß und daran, dass Bildung der Schlüssel zum Aufstieg ist. "Barack kennt den amerikanischen Traum, weil er ihn gelebt hat - und er will, dass alle in diesem Land die gleichen Chancen haben", ruft Michelle den jubelnden Delegierten zu. An den Traum vieler Migranten, dass es den Kindern und Enkeln besser gehen werde, hatte auch Julian Castro, der 37-jährige Latino-Bürgermeister aus San Antonio, in seiner keynote speech erinnert.

Auch wenn die First Lady den republikanischen Herausforderer Mitt Romney nicht namentlich nennt und sich strikt überparteilich gibt, wird der Gegensatz zur Familie des Multimillionärs deutlich. Wie seine Gattin Ann wuchs Romney in privilegierten Verhältnissen auf, sein Vater George war Manager bei einem Automobilunternehmen und Gouverneur von Michigan. Wenn Michelle den Delegierten im Saal und vor allem den Amerikanern vor den Fernsehern zuruft: "Barack Obama ist ein Mann, der weiß, was es heißt, wenn eine Familie kämpfen muss", dann schwingt stets der Vorwurf mit, dass Romney dieses Einfühlungsvermögen fehle.

Die offensichtlichen Attacken auf Romney hatten zuvor andere übernommen: Ted Strickland, der frühere Gouverneur des Autostaats Ohio, kritisierte den Republikaner für sein Plädoyer, die amerikanische Autoindustrie durch Staatsbeihilfen zu retten. "Er wollte Detroit pleite gehen lassen", donnerte Strickland. Der Ex-Gouverneur von Massachusetts sei nur an Profit interessiert: "Wenn Romney der Weihnachtsmann wäre, würde er das Rentier rausschmeißen und die Elfen outsourcen". Die Amerikaner hätten am 6. November die Wahl zwischen dem "Wirtschaftspatrioten Obama" und dem "Outsourcing-Pionier" Romney.

Doppelte Liebeserklärung

Deval Patrick, Romneys demokratischer Nachfolger in Massachusetts, versuchte an dessen Erfolgsbilanz zu kratzen: "Er wollte unbedingt Gouverneur sein. Nur war er nicht so scharf darauf, den Job dann auch zu machen." Deswegen habe sich der Mormone nach vier Jahren nicht um eine weitere Amtszeit beworben. Martin O'Malley, Regierungschef in Maryland, sprach wie viele Redner über das Geld, das Romney im Ausland angelegt hat: "Schweizer Bankkonten haben noch nie Arbeitsplätze in Amerika geschaffen."

Ähnlich offensiv werden auch die übrigen Redner auftreten: An diesem Mittwoch steht Ex-Präsident Bill Clinton im Mittelpunkt, während Obama und sein Stellvertreter Joe Biden am Donnerstag im Footballstadion von Charlotte sprechen werden - wenn es das Wetter zulässt.

In der Multifunktionshalle, wo sonst die Charlotte Bobcats Basketball spielen, endet Michelle mit einer doppelten Liebeserklärung. Ihre wichtigste Funktion sei nicht jene der First Lady oder die der Ehefrau, sondern die Rolle der mom in chief: "Meine Töchter sind das Zentrum meiner Welt." Und sie bekennt vor aller Welt: "Ich liebe Barack heute mehr als ich ihn vor vier Jahren geliebt habe. Ich liebe ihn sogar mehr als vor 23 Jahren, weil er auch in der schwierigsten Zeit nicht vergisst, wo er hergekommen ist."

Während das Publikum "Four more years" skandiert, bittet sie die Amerikaner um ihre Unterstützung: "Wir müssen noch einmal zusammenkommen und zusammenstehen für den Mann, dem wir vertrauen können, dieses großartige Land weiter nach vorne zu bringen: meinem Ehemann, unserem Präsidenten, Barack Obama."

Ob der eindrucksvolle Auftritt von Michelle Obama all jene Amerikaner wieder für ihren Gatten einnehmen wird, die ihre Familien mit stagnierenden Löhnen durchbringen müssen oder sich bei mehr als acht Prozent Arbeitslosigkeit berechtigte Sorgen um ihren Job machen, wird sich im November zeigen. Der Mann, um den sich alles dreht, hat die Rede seiner Frau gemeinsam mit den Töchtern Malia und Sasha im Weißen Haus gesehen. Barack Obama dürfte mehr als zufrieden gewesen sein. Bei einem Wahlkampfauftritt in Virginia hatte er dem Publikum verraten: "Wenn Michelle zu reden beginnt, werden meine Augen feucht."

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