Parteitag der US-Demokraten:Barack Obamas Bewährungsprobe

Mit dem Nominierungsparteitag der Demokraten beginnt heute die entscheidende Phase des US-Präsidentschaftswahlkampfs. Obamas Strategen sind nervös - es steht viel auf dem Spiel.

Moritz Koch, New York

Offiziell beginnt der Wahlkampf in den USA erst Anfang September, faktisch tobt er schon bald ein ganzes Jahr. Wenn Barack Obama am Donnerstag in Denver die Bühne betritt, um auf dem Parteikonvent der Demokraten seine Nominierung als Präsidentschaftskandidat anzunehmen, wird er bereits Hunderte Wahlkampfreden gehalten, Dutzende Fernsehdebatten überstanden und dreistellige Millionensummen für seine Kampagne ausgegeben haben.

Parteitag der US-Demokraten: Vor einem entscheidenden Punkt seiner Kampagne: Barack Obama

Vor einem entscheidenden Punkt seiner Kampagne: Barack Obama

(Foto: Foto: AFP)

Als Außenseiter bei den Vorwahlen gestartet, hat er sich zum Heilsbringer einer verunsicherten Nation aufgeschwungen. Denver soll die Krönung seiner perfekt organisierten Kampagne werden, ein mehrere Tage währendes Politspektakel. Soweit der Plan.

Tatsächlich jedoch wird der Konvent für Obama zur abermaligen Bewährungsprobe. Seine innerparteilichen Kritiker mögen leiser geworden sein, verstummt sind sie nicht. Nervös registrieren die Strategen der Demokraten, dass es ihrem Kandidaten bisher nicht gelungen ist, den republikanischen Gegenspieler John McCain in Umfragen abzuhängen - obwohl Demoskopen eine Wechselstimmung ausgemacht hatten, wie es sie in den USA seit Jahrzehnten nicht gegeben hatte. Das Land liegt wirtschaftlich und moralisch danieder, gebeutelt von steigenden Preisen, geplagt von der Krise auf dem Immobilienmarkt, entmutigt vom Krieg im Irak und beschämt vom Folterlager Guantanamo.

Die Wähler haben genug von den Republikanern - doch offenbar ist ihnen auch Obama nicht geheuer. Nach einer aktuellen Umfrage des TV-Senders CNN liegen er und McCain gleichauf bei 47 Prozent der Wählerstimmen. Noch vor einem Monat war Obama mit sieben Prozentpunkten laut CNN noch deutlich vorn gelegen.

Keine Hand aufs Herz

Und wieder wird Obama mit Vorbehalten konfrontiert, die ihm schon im innerparteilichen Vorwahlkampf mit Hillary Clinton entgegenschlugen. Er sei zu jung und zu unerfahren, um das Land aus der Krise zu führen.

Er könne den Wandel, den er verspricht, einfachen Bürgern nicht vermitteln. Er sei nicht amerikanisch genug, im fernen Hawaii aufgewachsen und im noch ferneren Indonesien zur Schule gegangen. Er lege seine Hand nicht aufs Herz, wenn die Nationalhymne erklinge und trage nur widerwillig die US-Fahne am Revers. Schon fordern prominente Demokraten, wie Phil Bredesen, Gouverneur von Tennessee, und Ted Strickland, Gouverneur von Ohio, Obama müsse endlich erklären, wie er das Leben der Amerikaner denn genau verbessern wolle.

Die Republikaner lassen kaum eine Gelegenheit aus, um den demokratischen Kontrahenten als wankelmütig und abgehoben darzustellen. Ihre Strategie ist inzwischen deutlich zu erkennen: Obama, Liebling der Medien, mag als Redner ein Superstar sein, als Poltiker aber ist er ein Nobody.

"Wir räumen ein, dass er ein guter Mensch ist"

Wie schon in vergangenen Wahlkämpfen flankieren die Republikaner ihre zentrale Wahlkampfbotschaft mit einem kalkulierten Spiel mit Angst und Ressentiment, einem Spiel, in dem die Rollen klar verteilt sind. McCain gibt den noblen Wahlkämpfer, der sich auf Sachthemen konzentriert. Sein Sprecher beteuert: "Wir wollen nicht über Obamas Patriotismus und seinen Charakter reden. Wir räumen ein, dass er ein Patriot und ein guter Mensch ist."

Die Attacken übernehmen andere. Jerome Corsi etwa. Der Mann, der schon 2004 eine Schmähschrift über den damaligen demokratischen Kandidaten John Kerry verfasste, hat ein Obama-Buch voller Unwahrheiten und Verunglimpfungen geschrieben. Corsis Botschaft: Der vermeintlich so anständige Obama sei in Wahrheit ein radikaler, von Hass getriebener Agitator, ein Junkie noch dazu und vermutlich sogar ein Muslim. Sogleich schoss das Buch auf Platz eins der Bestsellerliste der New York Times.

Natürlich ist Obama kein Junkie, noch weniger ein Muslim. Er ist ein bekennender Christ, der eingeräumt hat, in seiner Jugend kurz mit Alkohol und Drogen experimentiert zu haben. Doch Corsi hat seine Attacke nicht ohne Grund gewählt. Trotz des langen Wahlkampfes glauben dem Pew Research Center zufolge immer noch zwölf Prozent der Wähler, dass Obama zu Allah betet.

13 Millionen persönliche Besuche

Verbreitet ist diese Meinung gerade unter weißen Arbeitern und Angestellten, die eigentlich den Demokraten nahe stehen. Auch das ist wohl ein Grund dafür, dass sich viele Unterstützer der bei den Vorwahlen unterlegenden Hillary Clinton noch immer gegen Obama sträuben. 18 Prozent der Hillary-Anhänger, die überwiegend zur weißen Arbeiterschaft zählen, geben in Umfragen sogar an, McCain zu bevorzugen. Zehn weitere Prozent sind unentschieden.

Obama muss diese Wähler umstimmen, wenn er im November siegen will. Sein sonst so medienaffines Wahlkampfteam hat sich hierzu eine geradezu altmodische Strategie einfallen lassen. 13 Millionen persönliche Besuche von Wahlkampfhelfern in 50 ausgewählten Wohngegenden in Staaten wie Indiana, Michigan, Pennsylvania, Ohio und Virginia plant die Partei.

Die Demokraten können sich diesen Aufwand leisten: Sie haben eine gewaltige Kriegskasse zusammengesammelt. Allein im Juli hat Obamas Team 51 Millionen Spendendollar erhalten. McCains Mannschaft erhielt im selben Zeitraum gerade einmal 27 Millionen. Den finanziellen Vorteil spielen die Demokraten aus: Sie greifen McCain mit Fernsehspots, Internetclips und Radiowerbung an und eröffnen massenhaft Wahlkampfbüros in Staaten, die eigentlich fest zum republikanischen Lager gehören. Sie wollen ihren Gegner fast überall im Land in Duelle verwickeln, sodass die Republikaner bis zum Wahltag im November ihre ohnehin schon knappen Ressourcen noch breiter streuen müssen.

Zuvor aber muss Obama seiner Kandidatur in Denver neue Schubkraft verleihen. Seine Ehefrau Michelle soll ihm dabei helfen. Sie werde ihren Mann an diesem Montag in ihrer Rede beim Parteitag als "typischen Amerikaner" präsentieren, schreibt die New York Times. Am Wochenende hat Obama den Senator Joe Biden als "Running Mate" nominiert - viele werten dies als klugen Schritt, da der 65-Jährige vor allem die außenpolitische Erfahrung mitbringt, die Kritiker bei Obama vermissen. Er wird am Mittwoch vor den Delegierten sprechen.

Am Donnerstag dann wird Obama im Football-Stadion von Denver selbst ans Mikrophon treten. Schon einmal hat er auf einem Parteikonvent eine fulminante Rede gehalten. Das war 2004. Sie markiert den Beginn seines kometenhaften Aufstiegs. Nun, vier Jahre später, ist es wieder Zeit für eine rhetorische Glanzleistung. Sonst könnte in Denver der Sinkflug des Superstars beginnen.

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