Parteitag der Südwest-CDU:Machtmensch Mappus und die Folgen

Auf Baden-Württembergs CDU liegt der Schatten von Stefan Mappus. Der Parteitag an diesem Samstag war als "Zukunftswerkstatt" geplant, nun wird er wohl eher zu einem Seminar für Vergangenheitsbewältigung. Doch obwohl die Partei froh ist, Mappus los zu sein, wünscht sie sich schon wieder jemanden, der entschlossen vorangeht.

Roman Deininger, Stuttgart

Der Titel des Leitantrags klang bestimmt wunderbar, als ihn sich die CDU-Strategen vor Wochen ausdachten. Inzwischen klingt er, als wäre der Landesparteitag, auf dem das Papier an diesem Samstag verabschiedet werden soll, eine Kabarettveranstaltung: "Moderne Bürgerpartei auf sicherem Fundament". Die baden-württembergische CDU, fast sechs Jahrzehnte lang so etwas wie die Prätorianergarde der deutschen Christdemokratie, hat ihre Sicherheiten eingebüßt, ihr Fundament ist erschüttert von den Schockwellen der EnBW-Affäre.

Sie hat nicht nur die Macht verloren, sondern auch den Glorienschein der guten Hüterin des Landes. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihren Ex-Ministerpräsidenten Stefan Mappus wegen Untreue. Eigentlich sollte der Parteitag von Karlsruhe eine "Zukunftswerkstatt" sein. Jetzt muss die CDU mit ihren Reparaturen in der Vergangenheit ansetzen.Es wird nichts unter den Teppich gekehrt", verspricht Landeschef Thomas Strobl. "Wo Fehler gemacht wurden, müssen wir sie benennen und uns dazu bekennen."

Beihilfe zur Untreue

Mappus' Fehler sind inzwischen sehr gründlich benannt: sein brachialer Politikstil, sein verantwortungsloser Umgang mit einem Siebtel des Landeshaushalts, seine Missachtung des Parlaments beim Kauf der EnBW-Aktien. Strobl und Fraktionschef Peter Hauk haben sich zuletzt eine Art Interview-Wettbewerb geliefert, wer sich von all dem schneller und weiter distanziert. Offen ist dagegen, ob sich die Partei auch zu ihren eigenen Fehlern bekennt. Ob sie sich der Frage stellt, warum sie Mappus willig ins Verderben gefolgt ist.

Unter Mappus, erzählt ein Landtagsabgeordneter, habe "die Fraktion um zwölf Uhr im Autoradio gehört, was wir um 14 Uhr beschließen sollten". Und dann hätten sie es eben beschlossen, jedes Mal, auch am Morgen jenes 6. Dezember 2010, als der Regierungschef sie mit dem EnBW-Geschäft überrumpelte. "Wir haben uns das gefallen lassen. Wir haben auch Beihilfe zur Untreue geleistet", sagt der Abgeordnete. "Darüber müssen wir diskutieren, sonst kann sich die Partei nicht reinigen."

Auf solche Unannehmlichkeiten würden andere lieber verzichten. Volker Kauder, CDU-Fraktionschef im Bundestag, hat seine Parteifreunde daheim im Südwesten gewarnt, sich eine rückwärtsgewandte Debatte "aufdrängen" zu lassen. Auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan rief ihren Landesverband zu "Geschlossenheit" auf. Kauder wird reden beim Parteitag, natürlich auch Strobl und Hauk. Danach reden die Mitglieder, die Tagesordnung wurde um eine Aussprache ergänzt. Der Landtagsabgeordnete mit Sinn für - vorerst anonyme - Selbstkritik sagt: "Wir können nur hoffen, dass es hoch her geht."

Der Streit würde in bekannten Bahnen verlaufen. Die baden-württembergische CDU war sich ihrer Kraft immer so gewiss, dass sie offenbar glaubte, sich erbitterte Flügelkämpfe leisten zu können: Auf der einen Seite die Konservativen mit ihrem Übervater Erwin Teufel; auf der anderen Seiten die Liberalen mit ihrem Fahnenträger Günther Oettinger, Teufels Nachfolger als Ministerpräsident. Die Weltanschauungsfragen sind inzwischen verblasst, die persönlichen Bindungen und Abneigungen jedoch weiter unverkennbar.

Teufel meinte einst, in Mappus sein junges, etwas stürmisches Ebenbild zu erkennen und holte ihn ins Kabinett. Kauder nahm Mappus schon an den Arm, als der mit 28 Jahren der jüngste CDU-Kreisvorsitzende der Republik wurde. Heute ist er Patenonkel von einem von Mappus' Söhnen. Schavan versteht sich mit Mappus' Frau seit den gemeinsamen Tagen bei der Frauen Union.

Die "Ursünde" der Südwest-CDU

Zusammen haben Kauder und Schavan die Bundeskanzlerin 2009 davon überzeugt, dass der Zauderer Oettinger die Landtagswahl 2011 nicht gewinnen kann. Dass es dafür den Macher Mappus braucht. Oettinger nach Brüssel wegzuloben, sagen manche in der Südwest-CDU, sei die "Ursünde" gewesen, damit habe Angela Merkel den Niedergang höchstpersönlich eingeleitet. Aber die Partei nahm das hin damals, sie zeigte nach außen die Geschlossenheit, die Schavan jetzt wieder fordert. Auch die Landtagsfraktion hob Mappus einig aufs Schild - alle, bis auf einen.

Der Abgeordnete Günther-Martin Pauli hat sich Anfang 2010 enthalten, als Mappus nominiert wurde. Er wisse nicht, erklärte er hinterher, was dieser mitbringe "außer dem Willen zur Macht". Heute wandelt Pauli zart grinsend durch den Landtag, aber er sagt kein schlechtes Wort über Mappus. Man müsse auch die "menschliche Tragödie" sehen, an Mappus' Frau und Kinder denken. Das hört man von vielen in der CDU, egal wo sie stehen. Pauli sagt: "Es ist schäbig, auf jemanden zu treten, der gestürzt ist." Zumal Mappus ja nur "die Chancen ergriffen hat, die andere ihm boten".

Wir wollten doch alle den starken Max nach Oettinger", sagt ein anderer Abgeordneter. Und ihnen sei durchaus klar gewesen, welche Schwächen dieser Max mitbrachte. Sie kannten die SMS, die er Parteifreunden mit abweichenden Sachpositionen schrieb: "Fresse halten". Sie erinnerten sich an seine Aussage über seine Gegenkandidatin im Landtagswahlkampf 2001: Das "Thema Ute Vogt" werde er "final lösen".

Sie durchschauten längst, dass sein Konservatismus mehr aus dem Bauch als aus dem Kopf kam, dass er mehr Ressentiments bediente als Überzeugungen, zum Beispiel mit seiner scharfen Kritik an einer Islam-Sendung im SWR. Aber gleichzeitig, sagt der Abgeordnete, sei Mappus "eben nicht völlig eindimensional" gewesen, habe die Kinderbetreuung im Land ausbauen wollen. Und natürlich habe es der Partei auch irgendwie gefallen, dass sich da einer "so selbstbewusst in den Wind stellt".

Nun hat der Wind Mappus aus dem Amt gefegt, und die CDU, sagt Steffen Bilger, sei wieder "auf dem richtigen Weg". Der Bundestagsabgeordnete Bilger ist einer von drei jungen Bezirksvorsitzenden, Gesichter einer neuen Generation. Er will die CDU "für Ideen von außen öffnen und die Mitwirkungsmöglichkeiten für die Mitglieder verbessern" - das alles soll in Karlsruhe besprochen werden.

Dennoch, sagt Bilger, dürfe man "nicht in Sack und Asche gehen: Die Wähler haben einen politischen Stil abgelehnt, nicht unsere politischen Überzeugungen." Jemanden, der den neuen Stil bei der Landtagswahl 2016 als Spitzenkandidat verkörpern könnte, hat die CDU noch nicht gefunden. Ein wenig "schizophren" sei das alles, sagt ein einflussreicher Christdemokrat. Die Partei sei froh, dass sie Mappus los sei. Aber in ihrer schwersten Stunde sehne sie sich schon wieder nach einem, der entschlossen vorangeht. Nur diesmal in die richtige Richtung.

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